Massenfahndung gegen G20-Gegner soll von Polizeiverfehlungen ablenken.

„Die Prioritätensetzung der Sicherheitsbehörden spricht für sich: Während fast 500 Neonazis mit offenen Haftbefehlen seit Jahren untergetaucht sind, macht die Hamburger Polizei öffentlichkeitswirksam Jagd auf G20-Gegner. Steckbriefe wie zu Zeiten der RAF-Hysterie und Telefonhotlines öffnen Denunziantentum Tür und Tor. Eine solche Massenfahndung trägt weniger zur Aufklärung von Straftaten als zur Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas bei“, erklärte heute Ulla Jelpke, Linksfraktion im Bundestag, zur heute von der Hamburger Polizei eröffneten G20-Fotofahndung.

Jelpke weiter:

„Wie schon bei den bundesweiten Razzien bei G-20-Gegnern vor zwei Wochen geht es der Hamburger Polizei mit der Fotofahndung darum, durch die Schaffung des Feindbildes von `gewalttätigen Linksextremisten´ von ihren eigenen schweren Verfehlungen während des G-20-Gipfels abzulenken. Als parlamentarische Beobachterin habe ich in Hamburg miterlebt, wie die politisch Verantwortlichen und die Polizei während des G20-Gipfels von Anfang an auf Eskalation setzten. Grundrechte wurden in weiten Teilen der Hansestadt außer Kraft gesetzt, zahlreiche friedliche Demonstranten in Folge von Polizeieinsätzen schwer verletzt, Journalisten von der Polizei an der Ausübung ihres Berufes behindert. Wer die Gewalt beim G20-Gipfel beklagt, darf zu den Umständen, die soweit geführt haben, nicht schweigen.“

Diese Denunziation sei unerträglich.

Offensichtlich als Reaktion auf diese Fotofahndung der Hamburger Polizei veröffentlichen Unbekannte Fotos von Polizistinnen und Polizisten im Internet.

Berlins Innensenators Andreas Geisel zu dieser (Re)Aktion:

„Diese Denunziation ist unerträglich. Ich verurteile, dass Menschen an den Pranger gestellt werden und dass offen zur Gewalt gegenüber Polizistinnen und Polizisten aufgerufen wird. Politische Linksextremisten zeigen wieder einmal ihr eigentliches Weltbild: Unter dem Deckmantel vermeintlich politischer Rhetorik steckt nichts anderes als Hass und Gewalt. Mit dem Vokabular aus der Mottenkiste der Verschwörungstheorie werden wortreich der Staat und seine Organe diffamiert und das eigene Handeln über alles gestellt. Auch über das geltende Recht. Diese Selbstüberhöhung können wir nicht dulden. Die Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten fußt auf dem Grundgesetz. Sie setzen sich jeden Tag für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung ein. Dafür haben sie meine volle Unterstützung und uneingeschränkte Solidarität. In jeder Uniform steckt ein Mensch mit einem Recht auf Privatsphäre und Schutz der eigenen Persönlichkeit.

Die Ermittlungen gegen die Täter und zum Schutz der betroffenen Polizistinnen und Polizisten durch den polizeilichen Staatsschutz beim LKA Berlin laufen.“

„Die Täter müssen mit aller Konsequenz bestraft werden“
Als Reaktion auf Fahndungen nach mutmaßlichen G20-Tätern veröffentlichten heute Berliner Linksextreme die Fotos mehrerer Berliner Polizisten im Internet und drohten ihnen, behauptete CDU-Generalsekretär Stefan Evers, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses:

Evers weiter:

„Ich hoffe sehr, die Urheber dieser Hetzkampagne lassen sich ermitteln, festsetzen und verurteilen! Es gilt, die Täter mit aller Konsequenz zu bestrafen und der Polizei den Rücken zu stärken. Der Senat versteht hoffentlich endlich: Mit diesen Leuten spielt man nicht, man bringt sie hinter Gitter!“

G20-Fahndung: Unkontrollierbar, stigmatisierend, kriminalisierend.

Zum Auftakt einer der größten Öffentlichkeitsfahndungen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erklärte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft, Christiane Schneider:

„Erstens. Die dem Fahndungsaufruf vorangestellten Filme zeigen teilweise Bilder von bedrückender Gewalt. Welcher genaue Tatbeitrag den abgebildeten Personen zugeschrieben wird, erschließt sich nicht. Damit werden diese praktisch für alle dokumentierten Straftaten in dem jeweiligen Zusammenhang verantwortlich gemacht. Das ist Stimmungsmache und ich frage mich, wie ein solches Vorgehen durch ein Gericht abgesegnet werden konnte.

Zweitens. Bisher galt in Hamburg, dass die Öffentlichkeitsfahndung, erst recht im Internet, das letzte Mittel der Polizei ist. Aus gutem Grund, denn sie greift tief in Grundrechte von Menschen ein, die einer Straftat verdächtig, aber nicht überführt sind. Stehen die Bilder erst einmal im Internet, auf Facebook und Twitter, kann die Polizei ihre Verbreitung und den Umgang damit nicht mehr annähernd kontrollieren. Egal ob die abgebildeten Personen einmal verurteilt oder freigesprochen werden, ihnen kann die lebenslange Stigmatisierung drohen.

Drittens. Wie nebenbei wird die Demonstration der 76.000 am 8. Juli („G20 Not Welcome!“) aufgrund eines begrenzten Zwischenfalls, der vom Veranstalter beendet werden konnte, zu einer der „gewalttätigen
Versammlungen“ erklärt. Senat und Polizei haben von Anfang an versucht, diese Demonstration zu kriminalisieren, und obwohl die Demonstration bis auf diesen von wenigen TeilnehmerInnen verursachten Zwischenfall absolut friedlich war, wird der Kriminalisierungsversuch mit der Öffentlichkeitsfahndung fortgesetzt.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*