Mays Niederlage ist eine Absage an den harten Brexit.

Theresa May geht aus den vorgezogenen Wahlen in Großbritannien angeschlagen hervor.

Erklärungen zum Ausgang der Wahl aus dem Bundestag:

Der europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Norbert Spinrath, erklärte:

„Das Kalkül von Premierministerin May ist nicht aufgegangen, ihre Machtposition mit der vorgezogenen Unterhauswahl zu zementieren. Das Gegenteil ist der Fall. Mit dem Verlust von Sitzen und damit der absoluten Mehrheit geht sie schwer angeschlagen aus der Wahl hervor. Bei der innenpolitischen Diskussion um Sozialleistungen ist sie beim geringsten Widerstand umgefallen. Das ist alles andere als eine von ihr selbst behauptete „strong and stable leadership“. Ihr Fehlkalkül bezüglich der Neuwahl muss einem Sorgen machen. Die Forderungen ihrer Regierung für den Brexit könnten nicht taktisch eingenommene Positionen für den Verhandlungsbeginn sein, sondern tatsächlich ernsthafte Erwartungen. Auch das wäre eine massive Fehleinschätzung, denn es sind illusorische Vorstellungen.

Die Wahlentscheidung ist eine Absage an einen harten Brexit. Obwohl May den Brexit zum zentralen Wahlkampfthema machen wollte, haben weder die Wählerinnen und Wähler noch die EU-27 mehr über ihre Pläne für den Austritt und die zukünftigen Beziehungen zu EU erfahren. Das Wenige, was bereits bekannt war, würde einen harten Brexit bedeuten. Der Verlust der absoluten Mehrheit für May zeigt, dass dieser Kurs nicht mitgetragen wird. Wollen die Konservativen – unter wessen Führung auch immer – ihrem Anspruch gerecht werden, für alle im Land zu arbeiten, müssen sie auf die Wünsche der Menschen eingehen, die so nahe wie möglich an der EU verbleiben wollen. Die EU-27 ist dazu bereit, sofern die ihre Grundprinzipien und die Integrität des Binnenmarktes gewahrt bleiben.

Wie schon ihr Vorgänger Cameron mit dem EU-Referendum hat May mit der Neuwahl vor allem ihrem Land, aber auch der Europäischen Union geschadet.“

 

Von Corbyn lernen

„Wir gratulieren Jeremy Corbyn und allen, die ihn unterstützt haben, zu diesem tollen Erfolg. Zwar hat es zur Machtübernahme leider nicht ganz gereicht, doch die phänomenale Aufholjagd der letzten Wochen macht uns Mut. Wir lernen daraus. Dass man Menschen begeistern kann, wenn man sich nicht kaufen oder verbiegen lässt und die sozialen Interessen der Mehrheit konsequent in den Vordergrund stellt. Dass sich der beharrliche Einsatz für sozial Benachteiligte irgendwann auszahlt. Das Wahlergebnis ist eine Blamage für die Konservative Theresa May, die ihre Position über eigens vorgezogene Neuwahlen stärken wollte und nun über keine Mehrheit mehr verfügt. Corbyns Erfolg ist aber auch eine Klatsche für seine erbitterten Gegner aus dem ‚New Labour‘-Lager, die jetzt hoffentlich bald ausrangiert werden“, kommentierten Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch das Ergebnis der britischen Parlamentswahl:

Die Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag weiter:

„Sozialabbau, Privatisierungen, Rassismus und Krieg – davon haben insbesondere die jüngeren Britinnen und Briten die Nase gestrichen voll. Auch Forderungen nach einem ‚menschenwürdigen Sparkurs‘, wie sie der ehemalige Labour-Chef Ed Miliband propagiert hat, dürften die meisten von ihnen angesichts der endlosen Kürzungsorgien als zynisch empfinden. Das ausgezeichnete Ergebnis, das Corbyn insbesondere bei der jüngeren Generation erzielt hat, zeigt: Mehr Geld für Sozialwohnungen, Schulen und Krankenhäuser statt für Rüstung, höhere Steuern für Reiche und eine Rücknahme von Privatisierungen – dieses Programm ist nicht von gestern. Es ist ein Programm von heute, ein Programm für morgen.

Besonders freut uns, dass die Rechtspopulisten von UKIP deutlich an Stimmen verloren haben. Der konsequente Kampf gegen Rechtspopulisten wird auch unseren Wahlkampf prägen.“

Britische Unterhauswahl: Keine Mehrheit für Mays harten Brexit-Kurs

Cem Özdemir, Spitzenkandidat und Bundesvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, erklärte:

„Theresa Mays Strategie, die eigene Macht als Anwältin eines harten Brexit zu konsolidieren, ist krachend gescheitert. Sie ist binnen eines Jahres schon die zweite Premier, die das populistische Spiel gegen die EU am Ende in eine große persönliche Niederlage geführt hat. Glaubwürdig war dieses Spiel nie. May selbst ist noch vor einem Jahr öffentlich gegen den Brexit eingetreten.

Klar ist, dass die neue britische Regierung – in welcher Konstellation auch immer – nach diesem Ergebnis nicht mehr behaupten kann, die Britinnen und Briten seien für einen harten Brexit. London muss einsehen, dass Zugeständnisse notwendig sind, um die Brexit-Verhandlungen erfolgreich abzuschließen. Die neue Regierung muss zügig ihre Position gegenüber der EU-27 klarstellen.

Die Zeit für die Austrittsverhandlungen wird schon vor Beginn der Verhandlungen aufgrund der innenpolitischen Unklarheit in Großbritannien knapp. Das ist für beide Seiten gefährlich. Umso mehr erwarten wir von der Bundesregierung, dass sie in den Brexit-Verhandlungen dem europäischen Zusammenhalt absolute Priorität einräumt – unabhängig der Parteifarbe des britischen Verhandlungspartners.

Es geht um nicht weniger als die Zukunft Europas, die nicht durch politisches Vabanque aufs Spiel gesetzt werden darf. Es liegt jetzt an Großbritannien, die innenpolitischen Streitigkeiten zu lösen, um als verlässlicher Partner in die Verhandlungen starten zu können.“

Großbritannien braucht nach den Unterhauswahlen Stabilität

Zeit, die Brexit-Strategie zu überdenken

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, erklärte:

„Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag sieht Großbritannien angesichts des offenen Wahlausgangs vor seiner zweiten schweren Belastungsprobe innerhalb von zwölf Monaten. Nach dem Brexit-Referendum vom 23. Juni 2016 hat sich die britische Regierung unter Theresa May voll und ganz darauf konzentriert, den Austritt Großbritanniens aus der EU zu organisieren. Dabei hat sie andere drängende Fragen aus dem Auge verloren.

Aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion ist und bleibt es eine Fehleinschätzung der Regierung in London, die Schwächen der britischen Wirtschaft und des Sozialstaats im Wesentlichen auf ‚Brüssel‘ zurückzuführen und somit von einem EU-Austritt die Lösung der meisten inländischen Probleme zu erwarten. Offensichtlich schwindet das Zutrauen der Bürger – selbst der Brexit-Befürworter -, dass nach einem EU-Austritt in Großbritannien vieles besser und leichter würde. Das Vertrauen darauf, dass eine starke Premierministerin es schon richten werde, schmilzt dahin.

Nun ist unklar, auf welche Mehrheiten im britischen Unterhaus sich eine zukünftige Regierung stützen kann. Der Ausweg aus dem selbst herbeigeführten Dilemma könnte sein, dass die Mitglieder des britischen Unterhauses ihre Brexit-Strategie überdenken. Spätestens nach der Aufnahme konkreter Verhandlungen mit der EU wird in Großbritannien deutlich werden, dass die Erwartungen der Brexit-Befürworter an die positiven Wirkungen eines Austritts nicht einmal annähernd erfüllt werden können.“

EU braucht einen handlungsfähigen Verhandlungspartner in London

Die Brexit-Uhr tickt

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Friedrich:

„Der Ausgang der vorgezogenen Parlamentswahlen beendet die Phase der politischen Unsicherheit in Großbritannien. Den erhofften Rückenwind hat Premierministerin May allerdings nicht bekommen.

Im deutschen und europäischen Interesse ist es, für die anstehenden Brexit-Verhandlungen einen handlungsfähigen Partner zu haben – eine Regierung, die mit einem klaren Mandat ausgestattet ist und die die Konsequenzen des Austritts überblickt und beherrscht. Die Tories als mit Abstand stärkste Fraktion haben den klaren Auftrag, die Regierung zu bilden. Dies sollte so schnell wie möglich geschehen, denn die Brexit-Uhr tickt unerbittlich. Nach dem bislang gültigen Fahrplan sollen die Verhandlungen schon am 19. Juni aufgenommen werden.

Für uns kommt es darauf an, dass die Austrittsverhandlungen zu einem guten Ende geführt werden. Wir brauchen auch nach dem Brexit partnerschaftliche Beziehungen mit Großbritannien.“

Fotoquelle (May, rechts): Von Controller of Her Majesty’s Stationery Office – https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/588948/The_United_Kingdoms_exit_from_and_partnership_with_the_EU_Web.pdf, OGL 3, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=55774957

Fotoquelle (Corbyn): Von Sophie Brown – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Jeremy_Corbyn_speaking_at_the_Labour_Party_General_Election_Launch_2017.jpg, CC-BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=59060537

Collage: TP Presseagentur

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