Im Vorfeld des Gipfeltreffens der EU-Staats-und Regierungschefs in der kommenden Woche hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in einem Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk die heutigen Beschlüsse der EU-Kommission im Bereich Migration dargelegt. Dazu gehören konkrete Empfehlungen für effizientere Rückkehrverfahren und aktuelle Fortschrittsberichte zu den zentralen Bereichen der Europäischen Migrationsagenda, darunter die Umverteilung von Flüchtlingen in der EU. Statt neuer Gesetzesvorschläge müsse der Schwerpunkt auf der Umsetzung bereits getroffener Entscheidungen liegen, so Juncker in seinem Brief.
„Die Glaubwürdigkeit unseres Handelns innerhalb der Union, an unseren Grenzen und bei unserem Migrationsmanagement ist von zentraler Bedeutung, um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und ermöglicht es uns, gemeinsam zu handeln, wenn ein Mitgliedstaat einem hohen Migrationsdruck ausgesetzt ist. Je effektiver wir mit Drittstaatspartnern an einer gemeinsamen Agenda zusammenarbeiten können, um die Ursachen der Migrationsströme an ihren Wurzeln anzupacken, desto größer ist der Raum, um ein faires und effektives Asyl- und Migrationsmanagement hier in der EU zu schaffen“, so Juncker in seinem Schreiben. „Alle diese Initiativen haben gemeinsam, dass sie auf Solidarität beruhen, dass sie Verantwortung einfordern, und, dass sie zusammen einen Umschwung bewirken in unserer Fähigkeit, Migration zu bewältigen und unsere humanitären Verpflichtungen zu erfüllen.“
1. Maßnahmen für eine wirksame und glaubwürdige Rückkehrpolitik der EU
Nachdem die Staats-und Regierungschefs auf dem Gipfel in Malta am 3. Februar 2017 betont haben, dass eine Überarbeitung der Rückkehrpolitik der EU erforderlich ist, hat die Kommission heute einen neuen EU-Aktionsplan für die Rückkehr und eine Reihe von Empfehlungen vorgelegt, wie die Mitgliedstaaten die Rückkehrverfahren effizienter gestalten können. Schwerpunktmäßig geht es darum, Schlupflöcher zu schließen und die bestehenden Vorschriften so streng und realistisch anzuwenden, dass sie in der Praxis funktionieren. Gleichzeitig muss aber die Einhaltung der Grundrechte sichergestellt werden.
Frans Timmermans, Erster Vizepräsident der Kommission, erklärte: „Wir arbeiten hart daran, Partnerschaften mit den Herkunfts- und Transitländern aufzubauen. Damit dies gelingt, ist es jetzt auch an der Zeit, unsere internen Verfahren zu verbessern und dafür zu sorgen, dass alle diejenigen, die keinen internationalen Schutz benötigen, auf humane Weise und zügig rückgeführt werden. Wir wollen den Menschen, die internationalen Schutz benötigen, auch weiterhin Beistand leisten. Wir müssen ihnen, unseren Partnern außerhalb der EU und unseren Bürgerinnen und Bürgern unmissverständlich zu verstehen geben: Hilfsbedürftige erhalten unsere Hilfe, alle anderen müssen zurückkehren.“
Konkrete Empfehlungen an die Mitgliedstaaten
Insbesondere empfiehlt die Kommission den Mitgliedstaaten:
- die Koordinierung zwischen allen am Rückkehrprozess beteiligten Dienststellen und Behörden zu verbessern;
- die Fristen für das Einlegen von Rechtsbehelfen zu verkürzen, systematisch Rückkehrentscheidungen ohne Ablauffrist zu erlassen und Entscheidungen über die Beendigung eines legalen Aufenthalts mit einer Rückführungsentscheidung zu kombinieren, um Doppelarbeit zu vermeiden;
- den Missbrauch des Systems zu bekämpfen, indem sie die Möglichkeit, Asylanträge im beschleunigten Verfahren oder – wenn dies für angemessen erachtet wird – im Grenzverfahren zu prüfen, nutzen, wenn der Verdacht besteht, dass Asylanträge nur gestellt werden, um die Vollstreckung einer Rückkehrentscheidung zu verzögern;
- die Flucht von Personen zu verhindern, indem sie Personen in Haft nehmen, gegen die eine Rückkehrentscheidung ergangen ist und bei denen Anzeichen dafür vorliegen, dass sie dieser Entscheidung nicht Folge leisten werden, beispielsweise wenn sie sich weigern, bei der Identifizierung zu kooperieren, oder sich einer Rückführungsmaßnahme gewaltsam oder betrügerisch widersetzen;
- die Wirksamkeit von Rückkehrverfahren und -entscheidungen zu erhöhen, indem sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Gegebenheiten eine freiwillige Ausreise nur dann gewähren, wenn dies notwendig ist und ein entsprechender Antrag gestellt wird, wobei möglichst kurze Fristen für die freiwillige Ausreise festzulegen sind;
- bis zum 1. Juni 2017 einsatzbereite Programme zur Unterstützung der freiwilligen Rückkehr einzurichten und für eine weite Verbreitung von Informationen über die freiwillige Rückkehr sowie die Programme zur Unterstützung der freiwilligen Rückkehr und die Wiedereingliederungsprogramme zu sorgen.
Ein neuer Aktionsplan für die Rückkehr
Im neuen Aktionsplan für die Rückkehr sind für jede Phase des Rückkehrprozesses Maßnahmen dargelegt, mit denen die wichtigsten Herausforderungen für die Rückkehr sowohl auf EU-Ebene als auch bei der Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern bewältigt werden können.
Die auf EU-Ebene vorgeschlagenen Maßnahmen umfassen:
- eine stärkere finanzielle Unterstützung für die Mitgliedstaaten: Im Jahr 2017 werden 200 Mio. EUR für nationale Rückkehranstrengungen sowie für bestimmte gemeinsame europäische Rückkehr- und Wiedereingliederungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt;
- eine Verbesserung des Informationsaustauschs zur Durchsetzung der Rückkehr, indem auf nationaler Ebene Informationen in Echtzeit gesammelt und mit Hilfe der Anwendung für integriertes Rückkehrmanagement (IRMA) ausgetauscht werden, sowie die Beschleunigung der Beratungen über die Annahme der Vorschläge zur Reform des Schengener Informationssystems und von Eurodac und zur Einrichtung eines EU-Einreise-/Ausreisesystems (EES) und eines Europäischen Reiseinformationssystems (ETIAS);
- den Austausch bewährter Verfahren, um sicherzustellen, dass die Wiedereingliederungspakete aller Mitgliedstaaten gleichwertig und kohärent sind; so soll verhindert werden, dass Herkunftsländer vorzugsweise Rückführungen aus Ländern, die größere Wiedereingliederungspakete anbieten, akzeptieren, oder dass irreguläre Migranten versuchen, sich die bestmöglichen Bedingungen für eine unterstützte freiwillige Rückkehr zu verschaffen;
- die volle Unterstützung der Mitgliedstaaten durch die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache: Die Agentur wird dabei aufgefordert, ihre Unterstützungsmaßnahmen vor der Rückkehr zu verstärken, das Personal ihrer Einheit für die Unterstützung von Rückführungen aufzustocken, bis Juni einen Mechanismus für gewerbliche Flüge zur Finanzierung der Rückführungen einzurichten und bis Oktober die Schulung der Behörden von Drittstaaten im Bereich der Rückführung zu intensivieren;
- die Bewältigung der Herausforderungen bei der Rückübernahme durch Bemühungen um einen raschen Abschluss der Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen mit Nigeria, Tunesien und Jordanien und um Zusammenarbeit mit Marokko und Algerien;
- die koordinierte und effektive Nutzung der kollektiven Hebelwirkung innerhalb des Partnerschaftsrahmens durch maßgeschneiderte Ansätze mit Drittstaaten für die gemeinsame Steuerung der Migration und zur weiteren Verbesserung der Zusammenarbeit bei der Rückführung und Rückübernahme (siehe auch den heutigen Bericht über die Umsetzung des Partnerschaftsrahmens: IP/17/402).
Die Kommission wird über die Fortschritte bei der Umsetzung des neuen Aktionsplans für die Rückkehr und der Empfehlung bis Dezember 2017 Bericht erstatten.
Weitere Informationen
Pressemitteilung: Europäische Migrationsagenda: Kommission stellt neue Maßnahmen für eine wirksame und glaubwürdige Rückkehrpolitik der EU vor
Fragen und Antworten: Aktueller Stand bei Rückführung und Rückübernahme
Empfehlung: Wirksamere Gestaltung der Rückkehr
Mitteilung: Aktionsplan für die Rückkehr
Anhang zum Aktionsplan für die Rückkehr
2. Stand der Umsetzung der Migrationsagenda
Die Kommission hat die Mitgliedstaaten im Vorfeld des Gipfels in der kommenden Woche zudem mit drei Fortschrittsberichten erneut aufgefordert, zügig ihren Anteil zur Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU zu leisten, um Italien und Griechenland zu entlasten. Insgesamt wurden bisher 13.546 Personen umverteilt, 3936 aus Italien und 9610 aus Griechenland. Bislang sind nur Malta und Finnland auf dem besten Weg, ihre Verpflichtungen gegenüber den beiden Staaten einzuhalten.
Dagegen sind die Fortschritte bei der Neuansiedlung weiterhin vielversprechend. Die Mitgliedstaaten haben bisher 14.422 Personen sichere und legale Wege in die EU geöffnet, was mehr als der Hälfte der im Rahmen der EU-Neuansiedlungsregelung vereinbarten 22.504 Personen entspricht. Dies umfasst auch die Neuansiedlung von 3565 syrischen Flüchtlingen im Rahmen der Erklärung EU-Türkei.
Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten zudem auf, ihre weitreichenden politischen Zusagen einzulösen und bis Ende März die bei der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache bestehenden Lücken bei Personal und Ausstattung zu füllen. Ein Jahr nach ihrem Inkrafttreten wird die Erklärung EU-Türkei weiterhin umgesetzt, um irreguläre Grenzübertritte unter Kontrolle zu halten, doch liegt die Zahl der Neuankömmlinge immer noch über der Zahl der Rückführungen. Deshalb fordert die Kommission auch Griechenland und alle anderen Mitgliedstaaten auf, die weiterhin intensiv daran zu arbeiten, Lage auf den Inseln zu verbessern.
Dimitris Avramopoulos, EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, erklärte: „Verantwortung kann ohne Solidarität nicht gerecht aufgeteilt werden. All unsere Maßnahmen sind miteinander verknüpft, und die Mitgliedstaaten können sich im Hinblick auf ihre Bringschuld nicht einfach die Rosinen herauspicken. Mittlerweile sind in Griechenland und Italien alle operativen Voraussetzungen für das Funktionieren der Umverteilung erfüllt. Die Mitgliedstaaten müssen nun handeln und ihren Verpflichtungen nachkommen, damit alle in Betracht kommenden Personen zeitnah umverteilt werden. Gleichzeitig sollten die Mitgliedstaaten auch weiterhin ihre Verpflichtungen zur Neuansiedlung aus der Türkei erfüllen, die notwendige Unterstützung für die Bearbeitung von Asylanträgen in Griechenland leisten und die volle Einsatzfähigkeit der Europäischen Grenz- und Küstenwache gewährleisten.“
Weitere Informationen
Pressemitteilung: Kommission fordert verstärkte Anstrengungen bei der Umsetzung von Solidaritätsmaßnahmen im Rahmen der Europäischen Migrationsagenda
Fragen und Antworten: Kommission fordert verstärkte Anstrengungen bei der Umsetzung von Solidaritätsmaßnahmen im Rahmen der Europäischen Migrationsagenda
HINTERGRUNDINFORMATIONEN: Die europäische Migrations- und Asylpolitik: Kleine Schritte, um große Veränderungen zu bewirken
HINTERGRUNDINFORMATIONEN: Die Europäische Migrationsagenda – Sachstand
HINTERGRUNDINFORMATIONEN: EU-Haushaltsmittel für die Flüchtlingskrise und eine bessere Migrationssteuerung
Zehnter Bericht zu Umverteilung und Neuansiedlung
Mitteilung: Zehnter Bericht zu Umverteilung und Neuansiedlung
Anhang 1: Umverteilungen aus Griechenland
Anhang 2: Umverteilungen aus Italien
Anhang 3: Umverteilungen aus Italien und Griechenland
Anhang 4: Neuansiedlung – Sachstand
HINTERGRUNDINFORMATIONEN: Umverteilung und Neuansiedlung
HINTERGRUNDINFORMATIONEN: Bewältigung der Flüchtlingskrise: finanzielle Unterstützung der EU für Griechenland
Die Europäische Migrationsagenda
Fünfter Fortschrittsbericht über die Erklärung EU-Türkei
Mitteilung: Fünfter Bericht über die Fortschritte bei der Umsetzung der Erklärung EU-Türkei
Fortschritte bei der Umsetzung des Gemeinsamen Aktionsplans
Erster Jahresbericht über die Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei
HINTERGRUNDINFORMATIONEN: Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei
Operative Umsetzung der Erklärung EU-Türkei: Zusagen und Entsendungen der Mitgliedstaaten zur Unterstützung von Frontex und EASO – Rückführungen und Neuansiedlungen
Erklärung EU-Türkei vom 18. März
Aktionsplan EU-Türkei vom 15. Oktober, Umsetzungsbeginn: 29. November
Zweiter Fortschrittsbericht über die Einsatzfähigkeit der Europäischen Grenz- und Küstenwache
Mitteilung: Zweiter Bericht über die Einsatzfähigkeit der Europäischen Grenz- und Küstenwache
HINTERGRUNDINFORMATIONEN: Sicherung der Außengrenzen Europas: die Europäische Grenz- und Küstenwache