„Militärische Gewalt ist die einzige Sprache, die Putin versteht“.

TP-Gastbeitrag der Verteidigungsexpertin und Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, zum Putin-Krieg in der Ukraine.

Der 24. Februar 2022 hat in der internationalen Politik alle Gewissheiten hinweggefegt. Der russische Staat hat mit dem Beginn seines illegalen Angriffskriegs eine Grenze überschritten, die als unantastbar galt. Ein Zurück ist nun nicht mehr möglich. Mehr als in all den Jahren zuvor werden wir in Europa daran erinnert, dass der lange Frieden der letzten Jahrzehnte keine Selbstverständlichkeit war.

Freilich war auch davor nicht alles gut. Auch nach dem Mauerfall gab es Drohgebärden und Machtdemonstrationen, und die Balkankriege sind uns noch in Erinnerung. Dennoch schien es bisher undenkbar, dass in Europa ein Land seinen Nachbarn überfallen würde, um das eigene Territorium zu vergrößern. Dieser Versuch der Grenzverschiebung ist neu, eine großangelegte Invasion, lange vorbereitet und lange geplant. Selbst mit heutigem Wissen, mit den Erkenntnissen nach Beginn des Angriffskriegs und nachdem ich die Gewalt und das Leid in der Ukraine mit eigenen Augen gesehen habe, erscheint mir dieser aggressive und ausgreifende territoriale Nationalismus aus einer anderen Zeit entsprungen zu sein. Wir müssen nun erkennen, dass sichtbare Stärke und die Fähigkeit, uns zu verteidigen, notwendige Voraussetzungen für ein Leben in Frieden und Freiheit sind. Nur ein starker Staat wird ernstgenommen, nur ein starker Staat kann seine Freiheit nachhaltig sichern. Und ein starker Staat benötigt eine starke Armee. Gerade wir Deutschen haben hier noch Nachholbedarf. Wir sprechen jetzt über massive Investitionen in die Landes- und Bündnisverteidigung. Allein die Diskussion darüber wurde lange Zeit als unnötig und rückwärtsgewandt belächelt und abgewehrt. Nun diskutieren wir darüber, wie Europas Sicherheitsarchitektur in Zukunft aussehen muss und wie wir uns in Rüstungs- und Ausstattungsfragen bestmöglich und zielgerichtet miteinander vernetzen können.Wir müssen die Frage beantworten, wie sich Deutschland, Europa und unsere transatlantischen Partner in der Welt positionieren wollen. Wir sind enger zusammengerückt.

Bereits die Krim-Annexion war ein deutliches Zeichen der russischen Ambitionen, und führte auch auf verschiedenen Ebenen dazu, den bisherigen Kurs zu überdenken. Auf EU-Ebene und auch innerhalb der NATO-Staaten Prozesse zur Definition einer neuen Sicherheitsstrategie eingeleitet – teilweise bereits auch schon vor der Krimkrise. Und auch in Deutschland hat sich die Ampel im Koalitionsvertrag darauf verständigt, eine nationale Sicherheitsstrategie zu erarbeiten.

Und doch – die Bedrohung, die von Russland ausging, galt als höchst abstrakt, weit weg. Wir haben sie trotz vieler Anzeichen nicht ernst genommen. Je weiter der Krim-Schock zurücklag, desto mehr wurden Zweifel an der wirklichen Notwendigkeit einer stärkeren militärischen Abschreckung geäußert – insbesondere in Deutschland. Alle vier Jahre wurde mühselig für die deutsche Beteiligung an der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) der NATO Material aus der gesamten Bundeswehr zusammengekratzt, um den Auftrag erfüllen zu können, geändert hat sich über all die Jahre wenig. Wir alle kennen die zähen Diskussionen um das 2-Prozent-Ziel, die erst mit der Erweiterung zum 3-Prozent-Ziel, dem sog. „vernetzten Ansatz“, gemeinsam mit den Außen- und Entwicklungsressorts zu einem greifbaren Prozess wurden, der jedoch noch längst nicht vollständig ins Rollen geraten war. Erst der Krieg in der Ukraine und die zaudernde Diskussion über Waffenlieferungen in Deutschland machten auch den Verantwortungsträgern außerhalb der Verteidigungspolitik eines deutlich: Entscheidend ist es, in der Lage zu sein, militärische Fähigkeiten tatsächlich dem Bündnis zur Verfügung stellen zu können. Sie lediglich auf dem Papier zu besitzen – und dies womöglich auch erst in ein paar Jahren –, reicht nicht aus. Plötzlich werden allerorts Panzertypen und Waffensysteme diskutiert und Handlungsoptionen debattiert. Wir sehen unseren Frieden in Westeuropa in einem anderen Licht.

Ich bin sehr erleichtert, dass Deutschland gemeinsam mit seinen Verbündeten in der Europäischen Union, in den G7 und in der NATO entschlossen auf die russische Invasion reagiert hat. Nach kurzem Zögern entschied sich die Bundesregierung zur Bereitstellung und Lieferung von Verteidigungswaffen und verhängte gemeinsam mit ihren Partnern nie dagewesene Sanktionen gegen Russland. Dieser Krieg ist nicht nur eine Bedrohung gegenüber der ukrainischen Freiheit und dem ukrainischen Volk. Wenn wir Russland damit durchkommen lassen, fallen die nächsten Dominosteine: Moldawien, die baltischen Staaten. Militärische Gewalt ist die einzige Sprache, die Putin versteht. Wir müssen ihm selbstbewusst entgegentreten, um unseren Frieden und unsere Freiheit zu wahren. Wir wissen um unsere Verantwortung.

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

2 Antworten

  1. Der Verein Lobbycontrol hält ehrenamtliche Funktionen der Verteidigungsausschussvorsitzenden Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) in Vereinen, an denen die Rüstungsindustrie zentral beteiligt ist, für schlecht vereinbar mit ihrer Tätigkeit als Ausschussvorsitzende. Das berichtet die „Neue Osnabrücker Zeitung“. Strack-Zimmermann ist unter anderem Mitglied im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik sowie beim Förderkreis Deutsches Heer.

    „Beides sind von der Rüstungsindustrie stark beeinflusste Organisationen, wo wir es kritisch sehen, wenn Abgeordnete des Bundestages dort leitende Funktionen übernehmen – auch wenn es ehrenamtlich geschieht“, sagte Lobbycontrol-Sprecher Timo Lange der NOZ. Die Rüstungsindustrie verfüge so über „sehr enge und privilegierte Zugänge“ ins Parlament. „Solche Gespräche sollten im parlamentarischen Raum stattfinden, nicht außerhalb“, sagte Lange. Besonders kritisch bewertet der Verein im Fall Strack-Zimmermann, dass sie in beiden Vereinen Mitglied im Präsidium ist. „Damit steht und spricht sie auch für die Organisation.“

    • Sehr geehrter Herr Salzburger,

      wenn Sie schon aus der NOZ zitieren, dann sollten Sie auch den CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte berücksichtigen, der die Mitgliedschaft Strack-Zimmermanns in mehreren Verbänden der Sicherheitspolitik und Rüstung nicht für verwerflich hält, sondern eher „augenblicklich ihren Ausschussvorsitz zur persönlichen Profilierung“ nutze.
      Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Im Übrigen: LobbyControll ist auch nur ein privater Profilierungsverein.

      Ihr Winfried Schubert

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