Müller zur Eröffnung des ersten gesamtdeutschen Bundestags durch Alterspräsident Willy Brandt am 20. Dezember 1990.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, erklärt aus Anlass der Eröffnungsrede des damaligen Alterspräsidenten des Deutschen Bundestags, Bundeskanzlers a.D. Willy Brandt, auf der konstituierenden Sitzung des ersten gesamtdeutschen Bundestags im Reichstagsgebäude in Berlin:

„Diese erste Zusammenkunft des gesamtdeutschen Bundestags war die Wiederkehr lebendiger Demokratie in das kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verbrannte Berliner Parlamentsgebäude, und es war die Wiederkehr der deutschen Volksvertretung in die deutsche Hauptstadt. Für die Berlinerinnen und Berliner war es von besonderer Bedeutung, dass einer der Ihren diese Sitzung als Alterspräsident eröffnete. Willy Brandt tat das mit einer weitblickenden, großen historischen Rede eines Staatsmannes, die zu den Sternstunden deutschen Parlamentarismus gehört. Und die Berlinerinnen und Berliner haben nicht vergessen, dass der ehemalige Regierende Bürgermeister sich zu Berlin als Hauptstadt bekannte und als Sitz von Parlament, Regierung und Staatsoberhaupt, denn das war zum Zeitpunkt der Rede keineswegs ausgemachte Sache.“

Müller: „Brandt erinnerte daran, dass dieser Tag und dass die künftige Arbeit der Bundestagsabgeordneten in der Tradition deutscher Parlamentsgeschichte steht. Er bezog sich auf die deutschen Nationalversammlungen von 1848 in Frankfurt am Main und 1919 in Weimar, die jeweils nach Revolutionen zusammentraten. Die Stunde der ersten Zusammenkunft eines Parlaments aller Deutschen im Herzen ihrer Hauptstadt vor 30 Jahren war wieder Resultat einer Revolution, der Friedlichen Revolution der ostdeutschen Bürgerinnen und Bürger, die 1989 zum Fall der Mauer geführt hatte. Erinnern wir uns daran, dass das Reichstagsgebäude in Zeiten der Teilung unserer Stadt unmittelbar an der Mauer gestanden hatte.“

Der Regierende Bürgermeister weiter: „Willy Brandt hat uns in seiner Eröffnungsrede gemahnt, uns bei aller Freude selbstkritisch zu prüfen. Er fragte vor 30 Jahren, ob wir unsere Verantwortung für die Geschichte hinreichend wahrnehmen, und zwar mit allen ihren Seiten. In Brandts Frage ist der Appell enthalten, den wir uns auch heute und in Zukunft zu Herzen nehmen müssen. Denn mit den Geschehnissen vor 30 Jahren verbunden ist auch, dass wir als Deutsche selbst Verantwortung tragen für das Wohlergehen unseres Landes, das von der europäischen Einigung, nach Brandts Worten auch von der Demokratisierung Europas, abhängt und von der Bewahrung des Friedens.“

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

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