Nawalny-Recherchen: „Bundesregierung muss endlich Konsequenzen ziehen“.

Zur Untätigkeit der Bundesregierung im Fall Nawalny erklärt Manuel Sarrazin, Sprecher für Osteuropapolitik von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Über 24 Stunden ist es her, dass das Recherchenetzwerk um Bellingcat acht FSB-Mitarbeiter als Tatverdächtige im Mordversuch an Alexej Nawalny benannt hat. Dass die Bundesregierung bislang nicht auf die Enthüllungen reagiert hat, ist bemerkenswert. Wir erwarten eine deutliche Stellungnahme, was sie aus den vorgelegten Indizien für Konsequenzen zu ziehen gedenkt.

Wenn die Bundesregierung zu dem Schluss kommt, dass die vorgelegten Indizien glaubhaft sind, muss sie endlich anfangen, Putin als das zu nehmen, was er ist: ein entschlossener Gegner von Demokratie und partnerschaftlicher Kooperation in Europa, dem für die Ausschaltung politischer Gegner innerhalb und außerhalb Russlands jedes Mittel recht ist.

Keinesfalls darf sich die Bundesregierung auf die weitere Listung der enttarnten Agenten beschränken. Es braucht eine klare Reaktion und eine grundlegende Kurs-Neubestimmung in enger Abstimmung mit den Partnerinnen und Partnern in der EU. Dazu gehört, dass man Dissidentinnen und Dissidenten den Schutz der EU garantiert und neue Wege gehen muss, um diese trotz immer stärkerer Einschränkungen und Repressionen durch den russischen Staat effektiv und unbürokratisch zu unterstützen. Eine unmissverständliche Botschaft ist zudem der Stopp von Nord Stream 2. Wer durch den Gebrauch militärischer Kampfstoffe die europäische Sicherheit gefährdet, ist und darf kein Geschäftspartner sein.

Die neuesten Erkenntnisse müssen auch dem letzten Putin-Verklärer die Augen öffnen und endlich zu einem Umdenken in der deutschen Russlandpolitik führen. Mit einem Regime, das Killer-Kommandos im In- und Ausland einsetzt, kann es keine Normalität geben.“

Gregor Gysi zum Fall Nawalny auf Facebook.

„Es war sehr spannend, den Spiegel-Artikel zu lesen. Herausgekommen ist, dass der Geheimdienst jahrelang Nawalny beobachtete. Der Rest ist Spekulation. Natürlich kann es so gewesen sein, wie es der Spiegel annimmt. Es kann aber auch anders gewesen sein. Ich habe als Rechtsanwalt häufig erlebt, dass alles gegen A sprach, es war dann aber doch B.

In dem Beitrag wird darauf hingewiesen, dass Nawalny viele Korruptionsskandale öffentlich machte und den Reichtum der Moskau Politikelite enthüllte. Warum kann nicht einer dieser Betroffenen die Vergiftung organisiert haben?

Zwei klare Aussagen fehlen. Die Charité-Ärzte erklärten, dass die Ärzte in Omsk Nawalny das Leben gerettet haben. Sie erklärten ferner, dass es nicht verwundert, dass in deren Labor das Gift nicht gefunden wurde, es wäre auch im Charitélabor nicht gefunden worden, sondern nur im Speziallabor der Bundeswehr. Mit anderen Worten, die Ärzte in Omsk haben nicht gelogen.

Und es bleiben Fragen:

1. Wenn Experten meinten, dass das Gift auch in einem Speziallabor nicht mehr feststellbar sei, waren sie unwissend und dumm. Das ist nicht glaubwürdig.

2. Wenn die Experten es aber wussten, warum hat dann Putin die Ausreise genehmigt? Überhaupt, warum gab es die Notlandung und warum die Rettung durch die Ärzte in Omsk? Selbst wenn es so war, wie es der Spiegel vermutet, scheinen bestimmte Leute und Putin dann aber nichts damit zu tun gehabt zu haben.

3. Am meisten stört mich aber, dass die Rechtshilfeersuchen Russlands bisher nicht positiv beschieden wurden. Das wird im Artikel einfach abgetan. Die Russen wollten eine Probe haben, um im Ermittlungsverfahren davon ausgehen zu können, dass versucht wurde, Nawalny zu vergiften. Sie können ein Verfahren nicht auf einen Zeitungsartikel stützen. Die Probe, die sie hatten, wurde möglicherweise im Labor in Omsk verbraucht. Warum verweigert Deutschland die Übermittlung einer Probe nach Russland? Proben wurden nach Schweden und nach Frankreich gesandt, auch an die internationale Organisation zur Durchsetzung des Chemiewaffenverbots. Nur Russland bekommt keine Probe. Warum nicht? Von Russland wird doch Aufklärung verlangt, weshalb gibt man ihnen hier eine Ausrede, nicht aufklären zu können? Der Geschädigte eines versuchten Tötungsdelikts hat kein Auskunftsverweigerungsrecht, auch in Deutschland nicht. Warum wird keine Vernehmung im Beisein der deutschen Polizei zugestimmt, so dass HerrnNawalny nichts passieren könnte. Auch das erhöhte doch den Druck zur Aufklärung gegen Russland. Wenn man natürlich unterstellt, die oder den Mörder schon zu kennen, und deshalb die Rechtshilfeersuchen ablehnt, kann man nicht gleichzeitig von Russland Aufklärung verlangen. Im übrigen können in Russland auch Geheimdienstleute strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Vor der Wende in der Volksrepublik Polen sind wegen Mordes an einem Pastor auch Geheimdienstler verurteilt worden.

4. Wenn der Geheimdienst lange geplant hat, Nawalny – aus welchen Gründen auch immer – zu töten, warum dann nicht auf eine viel einfachere, schnellere abgeschiedenere Weise? Ich will die Geheimdienstleute keineswegs verteidigen und traue ihnen viel zu, aber gerade damit beißt es sich, wie und mit welchem Ergebnis es gemacht wurde.

Es gibt also nach wie vor mehrere Möglichkeiten zum Tatgeschehen. Wenn wir aber Russland unter Druck setzen wollen, Aufklärung zu leisten, muss den Rechtshilfeersuchen stattgegeben werden.“

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

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