Landgericht Köln erklärt Preiserhöhungen eines großen in den USA ansässigen international verbreiteten Video-Streamingdienstes für unwirksam (Az. 6 S 114/23).
Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 15.05.2025 in einem Berufungsverfahren (Az. 6 S 114/23) festgestellt, dass Preiserhöhungen für monatliche Nutzungsentgelte der Beklagten in den Jahren 2017, 2019 und 2022 unwirksam seien und die Beklagte für in den Jahren 2019 bis 2022 seitens des Klägers gezahlte Beitragserhöhungen zur Rückzahlung verpflichtet. Die für die Jahre 2017 und 2018 geforderte Rückzahlung hat das Gericht wegen eingetretener Verjährung abgewiesen.
In dem Rechtsstreit, der zunächst vor dem Amtsgericht Köln begonnen hatte, streiten die Parteien über die Wirksamkeit von Preiserhöhungen im Rahmen eines zwischen ihnen geschlossenen Streaming-Nutzungsvertrages und über die Rückzahlung etwaiger zu viel gezahlter Beträge. Die Beklagte ist die niederländische Tochtergesellschaft eines in den USA ansässigen international verbreiteten Video-Streamingdienstes, die Verbrauchern in Deutschland ihre Dienstleistung in Form von Abonnements anbietet. Im Jahre 2014 eröffnete der Kläger einen Streaming-Account bei der Beklagten zu einem monatlichen Preis von 7,99 € und erteilte der Beklagten ein SEPA-Lastschriftmandat zur eigenmächtigen Abbuchung der monatlichen Beiträge vom Konto des Klägers. Die Parteien vereinbarten zudem die Geltung der Nutzerbedingungen der Beklagten. In Ziffer 3.5 dieser Nutzungs- bedingungen vereinbarten die Parteien u.a.: „3.5. Änderungen am Preis und Abo-Angebot.
Wir sind berechtigt, den Preis unserer Abo-Angebote von Zeit zu Zeit in unserem billigen Ermessen zu ändern, um die Auswirkungen von Änderungen der mit unserem Dienst verbundenen Gesamtkosten widerzuspiegeln.“
Zum Mai 2017 wechselte der Kläger zum „Premium-Abo“ für monatlich 11,99 €. Zum 01.12.2017 erhöhte die Beklagte den Preis für das „Premium-Abo“ auf monatlich 13,99 €. Zum 01.06.2019 erfolgte eine weitere Preiserhöhung auf einen Betrag von 15,99 € monatlich, wobei die Beklagte aufgrund von Steuererleichterungen für 6 Monate die Kosten auf 15,59 € senkte. Zum 01.05.2021 erfolgte eine weitere Preiserhöhung auf monatlich 17,99€. Nachdem der Kläger im Mai 2022 anwaltlich die Beklagte zur Rückzahlung der aus seiner Sicht zu viel gezahlten Beträge seit dem 01.12.2017 erfolglos auffordern lassen hatte, erhob er anschließend Klage beim Amtsgericht Köln. Das Amtsgericht Köln wies die Klage mit Urteil vom 26.05.2023 ab (Az. 154 C 225/22).
Gegen diese Entscheidung wandte sich der Kläger und beantragte mit dem Rechtsmittel der sogenannten Berufung eine Überprüfung vor dem Landgericht Köln. Das Landgericht Köln gab dem Kläger nunmehr überwiegend Recht.
Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, dass die streitgegenständlichen Preiserhöhungen unwirksam seien, sodass der Kläger zu deren Zahlung nicht verpflichtet sei und er gegenüber der Beklagten einen Rückzahlungsanspruch für die ab dem Jahr 2019 zu viel geleisteten Zahlungen habe. Der Rückzahlungsanspruch betreffend die Zahlungen in den Jahren 2017 und 2018 sei dagegen verjährt und damit ohne Erfolg.
Wirksame Verträge über die verfahrensgegenständlichen Preisanpassungen seien nicht zustande gekommen. Ein dafür notwendiges wirksames Angebot der Beklagten läge nicht vor. Zwar solle nach dem Vorbringen der Beklagten die jeweilige Einblendung der Schaltfläche „Preiserhöhung zustimmen“ das Angebot auf den Abschluss eines Änderungsvertrags darstellen. Voraussetzung dafür wäre aus Sicht der Kammer aber, dass die Beklagte und ihre Kundinnen und Kunden den übereinstimmenden (freien) Willen hätten, den bestehenden Vertrag zum Nachteil zu ändern, nämlich im Hinblick auf die Zahlungspflicht der Kundinnen und Kunden. Dafür müsste bei der Erklärung der Beklagten als Angebot auf Abschluss eines solchen Vertrages deutlich werden, dass die Preisänderung tatsächlich von dem Willen der Kundinnen und Kunden abhängig wäre, also eine Wortwahl voraussetzen, aus der die Freiwilligkeit der Zustimmung klar hervorgehe. Dies sei jedoch gerade nicht der Fall. Die beklagtenseits vorgetragene Einblendung der Schaltfläche „Preiserhöhung zustimmen“ könne für sich genommen zwar auch auf den Abschluss eines Änderungsvertrages gerichtet sein. Sie sei hier jedoch eingekleidet in ein (weiteres)Textfeld, in welchem es heiße „Am … wird Ihr monatlicher Preis auf … erhöht.
Wir aktualisieren unsere Preise, um Ihnen noch mehr großartige Unterhaltung zu bieten.“ Daraus folge aus Sicht der Kammer eindeutig, dass die Preiserhöhung bereits feststehe, dies sowohl hinsichtlich der Höhe als auch hinsichtlich des Datums. Es werde ferner ohne Weiteres deutlich, dass sie von einer Mitwirkung des Kunden also gerade nicht abhängig sei. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung, der von der Beklagten bei Vertragsschluss gestellten Nutzungsbedingungen. Denn habe sich die Beklagte nach ihren Nutzungsbedingungen ein einseitiges Vertragsänderungsrecht vorbehalten, so gehe der Empfänger der Erklärung erst Recht davon aus, dass mit der streitgegenständlichen Schaltfläche auch nur dieses umgesetzt werde und ihm lediglich die Umsetzung zur Kenntnis gebracht werde.
Die Kammer führt weiter aus, dass im konkreten Fall auch keine wirksame einseitige Vertragsänderung seitens der Beklagten gegeben sei.
Denn Ziffer 3.5. der Nutzungsbedingungen der Beklagten sei unwirksam, weil die Bestimmung die Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige (§ 307 Abs. 1 BGB). Insoweit schließe sich die Kammer ausdrücklich der Rechtsauffassung des Kammergerichts in seinem Urteil vom 15.11.2023 – 23 U 15/22 an. Für die in Rede stehende Preisanpassungsklausel mangele es der Beklagten unter den Besonderheiten des Vertragsverhältnisses an einem berechtigten Interesse. Eine unangemessene Benachteiligung ergebe sich auch aus dem Umstand, dass die Klausel der Beklagten die einseitige Möglichkeit zur Preiserhöhung einräume, ohne eine korrespondierende Verpflichtung zur Preissenkung vorzusehen. So sei das Vertragsverhältnis von der Beklagten – wie im Bereich der Streaming-Dienste üblich – mit der beidseitigen Möglichkeit der kurzfristigen Vertragsbeendigung ausgestaltet worden. Es sei auch nicht ersichtlich, dass sie ohne die Einräumung einer Preisanpassungsklausel gezwungen wäre, von vornherein höhere Preise zu kalkulieren. Ferner habe sie die Möglichkeit, Kostensteigerungen zeitnah mittels einer Änderungskündigung weiterzugeben.
Den Feststellungsantrag sah die Kammer daher als begründet an. Den Zahlungsantrag dagegen nur teilweise. Soweit der Kläger Rückzahlung für Zahlungen begehre, die bis zum Ablauf des Jahres 2018 geleistet wurden, habe die Beklagte indes erfolgreich die Einrede der Verjährung erhoben. Maßgeblich sei insoweit die dreijährigen RegelVerjährungsfrist (§ 195 BGB). Diese beginne mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei und in dem der Gläubiger von anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlange oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Gemessen hieran habe der Kläger bereits mit der ersten Zustimmung zur Preisanpassung im Jahr 2017 die notwendige Kenntnis von den tatsächlichen anspruchsbegründenden Umständen erlangt.
Da der Kläger erstmals mit anwaltlichem Schreiben von Mai 2022 die Beklagte zur Rückzahlung der zu viel gezahlten Beträge seit dem 01.12.2017 aufgefordert und unter dem 31.08.2022 Klage erhoben habe, seien diejenigen Ansprüche, die die Preiserhöhung für das Jahr 2017 betreffen und bis zum Ablauf des Jahres 2018 geleistet wurden, verjährt.
Das am 15.05.2025 in zweiter Instanz verkündete Urteil, Az. 6 S 114/23, ist rechtskräftig und in Kürze unter www.nrwe.de im Volltext abrufbar.