Oberlandesgericht Hamm entscheidet über Vormund für minderjährigen Flüchtling.

Zum Vormund für einen minderjährigen Flüchtling kann auch seine ältere Schwester, ebenfalls Flüchtling, bestellt werden, so dass es nicht der Bestellung eines Amtsvormundes bedarf. Das hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm am 13.06.2017 entschieden und damit die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts – Familiengericht – Olpe abgeändert.

Die Geschwister, heute 14 und 19 Jahre alt, stammen aus Syrien. Gemeinsam mit ihrer Familie flohen sie aus ihrer Heimat zunächst nach Libyen. Dort halten sich noch die Eltern und weitere Geschwister an einem sicheren Ort auf. Zunächst gelangte die Schwester nach Deutschland, im November 2016 dann auch ihr Bruder. Zu den Familienangehörigen in Libyen können sie nach eigenen Angaben telefonisch Kontakt halten.

Mit Beschluss vom 10.01.2017 stellte das Amtsgericht – Familiengericht – Olpe fest, dass die Eltern des minderjährigen Jungen die elterliche Sorge auf längere Zeit tatsächlich nicht ausüben könnten und bestellte das Jugendamt des Kreises Olpe zum Vormund des Jungen. Eine als Einzelvormund geeignete Person sei nicht vorhanden, so das Familiengericht. Die ältere Schwester des Jungen spreche kein Deutsch und nur unzureichend Englisch. Sie kommen deswegen als Vormund nicht in Betracht.

Die gegen die Auswahl des Vormunds gerichtete Beschwerde des Jungen war erfolgreich. Der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm hat seine 19 Jahre alte Schwester anstelle des Kreisjugendamtes Olpe zum Vormund bestellt. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Schwester ein Schreiben ihrer Eltern vorlegen konnte, nach welchem sie sich um die Angelegenheiten ihres jüngeren Bruders kümmern solle.

Als Vormund habe das Familiengericht eine Person auszuwählen, so der Senat, die nach ihren persönlichen Verhältnissen und nach ihrer Vermögenslage unter Berücksichtigung der gesamten Lebensumstände zur Übernahme des Amtes geeignet sei. Maßgeblich sei das Kindeswohl. Bei einer Auswahl unter mehreren geeigneten Personen seien neben den Neigungen des Kindes der mutmaßliche Wille der Eltern und verwandtschaftliche Beziehungen zu berücksichtigen. Verwandten komme bei der Auswahl der Vorrang gegenüber nichtverwandten Personen zu, sofern nicht im Einzelfall konkrete Erkenntnisse darüber bestünden, dass dem Wohl des Kindes durch die Auswahl einer dritten Person besser gedient sei.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sei im zu entscheidenden Fall der Bestellung der älteren volljährigen Schwester des Kindes als Vormund der Vorzug zu geben. Es entspreche dem Willen der Kindeseltern und – nach der Anhörung der Beteiligten durch den Senat – auch dem Willen des Jungen, dass die Schwester die Vormundschaft übernehme. Als nahe Verwandte kenne die Schwester ihren Bruder und könne seine Interessen am besten wahrnehmen. Zwischen den Geschwistern bestehe ein Vertrauensverhältnis. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Schwester zur Führung der Vormundschaft nicht in der Lage sei, bestünden nicht. Die Schwester könne, dies habe sie mit dem von ihr beigebrachten Schreiben ihrer Eltern bereits gezeigt, auch bei bisher fehlenden Kenntnissen der deutschen Sprache und des deutschen Rechtssystems ihre Belange und diejenigen ihres jüngeren Bruders regeln. Nach ihrer Darstellung bestehe Kontakt zu den derzeit in Libyen wohnenden Kindeseltern, so dass mit diesen Rücksprachen möglich seien. Kenntnisse des deutschen Rechtssystems, die die Schwester derzeit noch nicht habe und auch nicht haben könne, könne sie mithilfe einer rechtskundigen Person, z.B. eines Rechtsanwalts, erlangen. Das habe sie bereits mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts für das vorliegende Verfahren gezeigt.

Rechtskräftiger Beschluss des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm, erlassen am 13.06.2017 (4 UF 31/17)

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