Offener Brief der Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts und des Präsidenten des Amtsgerichts Hamburg an die Hamburger Sozialsenatorin.

Präses der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration

Frau Senatorin Dr. Melanie Leonhard

Hamburger Meile

Hamburger Straße 47

22083 Hamburg

 

 

 

 

 

 

 

Hamburg, 7. November 2017

Interview im Hamburger Abendblatt vom 2. November 2017

 – Offener Brief  –

Sehr geehrte Frau Senatorin,

nach Rücksprache mit Vertretern der Hamburger Familiengerichte gestatten wir uns einige Anmerkungen zu Ihrem Interview im Hamburger Abendblatt.

Im Vorfeld der parlamentarischen Aufarbeitung des traurigen Todes des kleinen Mädchens aus Neugraben-Fischbek haben Sie Anlass gesehen, grundsätzlich auch eine „Baustelle“ bei den Familiengerichten auszumachen. Über die Thematisierung des bundespolitisch nicht erfolgreichen Versuchs, die Rechtsstellung von Pflegeeltern zu verbessern, gelangen Sie zu der unrichtigen Behauptung einer fehlenden richterlichen Fortbildungsbereitschaft und suggerieren damit mangelnde  Kompetenz der Familiengerichte. Wir nehmen diesen Diskussionsbeitrag zur Kenntnis.

Ihre Kritik gipfelt darin, vor den Familiengerichten ginge das Kindeswohl oft verloren. Dieser Vorwurf ist sachlich falsch und persönlich beleidigend. Jeder Hamburger Familienrichter stellt in allen Fällen, in denen Kinder beteiligt sind, das Wohl dieser Kinder an die oberste Stelle. Das Kindeswohl ist für Familienrichter das höchste Gut – jeden Tag und jede Stunde.

Als Anknüpfungspunkt für Ihre Ausführungen nehmen Sie das oft so leidvolle Schicksal von Pflegekindern mit zahlreichen Beziehungsabbrüchen. Über die rechtliche Grundlage für eine

Herausnahme aus der Familie entscheiden die Gerichte. Die dann anstehende schwierige

Aufgabe der Unterbringung obliegt den Jugendämtern. Dass Kinder nach der Herausnahme aus der Familie keine heile Welt erwartet, dass für den künftigen Verbleib vielfach nur die Wahl zwischen schlechten Möglichkeiten besteht, treibt uns doch alle um und macht  jedem Richter seine Entscheidung so schwer.

Verfahren vor den Familiengerichten sind oft emotional hoch belastet und angespannt. Umso wichtiger wäre es, öffentliche  Überlegungen der Sensibilität der Materie ein wenig mehr anzupassen. Das würden wir uns wünschen. Wir alle müssen im Interesse der Kinder und der Familien, wie es seit langem geschieht, mit viel wechselseitigem Verständnis zusammenarbeiten.

Mit freundlichen Grüßen

Erika Andreß                                                                                  Hans-Dietrich Rzadtki

http://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Richter-wehren-sich-gegen-Leonhards-Vorwuerfe,leonhard192.html

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