Pressekonferenz des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 24.07.2017.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main zieht Bilanz: Mehr Zivilverfahren in 2016 / 928 neue Bankenverfahren sind absoluter Spitzenwert / Mehrere Staatsschutzverfahren gegen Islamisten / Güterichterverfahren als erfolgreiches Zusatzangebot

Beim Oberlandesgericht hat die Zahl der Eingänge der Zivilverfahren im vergangenen Jahr zugenommen. 2016 waren 4.936 Eingänge zu verzeichnen. 2015 lag die Zahl der Eingänge bei 4.723 und 2014 bei 4.767. Der Grund für diese Entwicklung liegt in einem massiven Anstieg der Bankenverfahren. Diese haben mit 928 Neueingängen 2016 einen absoluten Spitzenwert erreicht. Der Anstieg gegenüber dem Jahr 2015 mit 650 Eingängen beträgt damit über 40%; gegenüber dem Jahr 2014 mit 571 Verfahren sogar mehr als 60%.

„Der starke Anstieg der Bankenverfahren ist eine große Herausforderung für das Oberlandesgericht. Bankenverfahren sind in der Regel besonders aufwändig. Die starke Beanspruchung unseres OLG mit diesen Verfahren hängt auch mit dem Standort am größten Banken und Finanzplatz in Deutschland zusammen. Fast jedes 5. Verfahren ist bei uns inzwischen eine Banksache. Diese Quote und diese hohe Eingangszahl dürften auch deutschlandweit einmalig sein“, erläuterte der Präsident des Oberlandesgerichts Roman Poseck anlässlich der heutigen Bilanzpressekonferenz des Gerichts.

Der Schwerpunkt der von den Bankensenaten in 2016 entschiedenen Sachen lag im Bereich der Darlehenswiderrufsfälle. Viele Darlehensnehmer versuchen sich mittels eines Widerrufs von höher verzinsten Darlehen früherer Jahre zu lösen und die aktuellen niedrigeren Zinsen in Anspruch zu nehmen. Für das laufende Jahr zeichnet sich ein ähnlich hoher Wert bei den Eingängen in Banksachen ab.

„Es ist erfreulich, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer beim OLG trotz der gestiegenen Eingänge im vergangenen Jahr konstant geblieben ist. Sie lag 2016 mit 12,3 Monaten exakt auf dem Niveau des Vorjahres. 2014 betrug die durchschnittliche Verfahrensdauer 12,5 Monate. Zu diesem positiven Ergebnis hat vor allem das Engagement der Richterinnen und Richter am Oberlandesgericht beigetragen. Die Erledigungszahlen der Frankfurter Richterinnen und Richter liegen weiterhin deutlich über dem Bundesschnitt“, führte Roman Poseck weiter aus.

Der Bereich Staatsschutz war auch 2016 mit Verfahren gegen islamistische Angeklagte stark ausgelastet. 79 Verhandlungstage sind in den insgesamt fünf  teilweise parallel geführten Verfahren angefallen. Vier Verfahren konnten durch Urteile mit zum Teil langjährigen Haftstrafen abgeschlossen werden. In einem Verfahren sind 6 Angeklagte wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an „AlShabab“ in Somalia zu Freiheitsstrafen zwischen 2 und 5 Jahren verurteilt worden. Juristisches Neuland hat das Gericht in zwei Verfahren bei der Anwendung des Völkerstrafgesetzbuches betreten.

Derzeit werden zwei Staatsschutzverfahren parallel geführt. Seit November 2016 findet die Hauptverhandlung gegen einen Angeklagten statt, dem vorgeworfen wird, sich in Somalia eben falls an der terroristischen Vereinigung „AlShabab“ als Mitglied beteiligt und die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ausgeübt zu haben. In einem weiteren Verfahren hat die Hauptverhandlung im März 2017 begonnen. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, sich in Syrien  der terroristischen Vereinigung „Junud alSham“ angeschlossen zu haben. In beiden Verfahren führt der Senat umfassende Beweisaufnahmen durch. Derzeit wird eine Verfahrensbeendigung im Herbst erwartet.

Im Laufe des Jahres werden zudem zwei weitere Anklagen gegen islamistische Beschuldigte erwartet. Gegenstand des einen möglichen Verfahrens soll die mitgliedschaftliche Beteiligung an „IS“ in Syrien und Kriegsverbrechen in Form von Folterungen sein. In dem anderen evtl. Verfahren soll es um den Vorwurf der Werbung für eine IS-Beteiligung mittels facebook auch in Deutschland gehen. Die Beschuldigten beider Verfahren befinden sich derzeit in Untersuchungshaft.

„Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat inzwischen eine Vielzahl von Verfahren gegen islamistische Täter, die sich ausländischen Terrororganisationen angeschlossen haben und dann wieder nach Deutschland zurückgereist sind, abgeschlossen. Die Justiz nimmt dabei auch eine wichtige Aufgabe für die Innere Sicherheit wahr. Die Verfahren sind wegen der Auslandsbezüge aufwändig. Es zeigt sich aber auch, dass der Rechtsstaat diese Taten mit seinen Mitteln aufklären und ahnden kann“, sagte Roman Poseck.

Das Oberlandesgericht bietet seit mehreren Jahren auch Güterichterverfahren in Zivil und Familiensachen an. Im Mittelpunkt steht dabei in der Regel eine Mediation. Die Erfolgsquote ist hoch: 2016 konnten in den Zivilsachen in 16 von 30 Fällen vergleichsweise Einigungen erzielt werden. 2015 lag die Zahl der vergleichsweisen Erledigungen bei 17 von 28 Verfahren. In den Familiensachen konnten 2016 in 26 von 30 Fällen Verfahrenserledigungen durch Vergleich er zielt werden; 2015 in 27 von 32 Verfahren.

„Die Erfolgsquote von konstant über 50% im Zivilbereich und von konstant über 80% in den Familienverfahren dokumentiert die Möglichkeiten des Güterichterverfahrens.  Erfreulich ist, dass häufig durch einen Vergleich schwierige Konstellationen zwischen den Parteien positiv gestaltet und mehrere Verfahren gleichzeitig beendet werden können. Mit diesen Erfolgsquoten liegt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main auch im Spitzenbereich aller Gerichte in Deutschland. Das Güterichterverfahren ist eine wichtige Ergänzung im Rahmen eines umfassen den Justizangebots. Wir bieten nicht nur klassische Rechtsanwendung im Rahmen förmlicher Verfahren an, sondern in geeigneten Fällen auch  moderne Konfliktbewältigung. Wir wollen den Anteil der Güterichterverfahren an den Gesamtverfahren weiter ausbauen“, erklärte Roman  Poseck abschließend.

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