Räumung ohne Räumungstitel in Berlin.

Räumung ohne Räumungstitel in Berlin.

Neun Abgeordnete beantragten Sondersitzung des Innenausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus.

Wegen der offenbar rechtswidrigen Räumung eines Hauses in der Rigaerstraße in Berlin-Friedrichshain steht der Berliner Innensenator Frank Henkel unter schwerem Beschuss. Neun Abgeordnete forderten nun eine Sondersitzung im Berliner Abgeordnetenhaus.

Den Antrag haben folgende Mitglieder des Abgeordnetenhauses unterzeichnet: Udo Wolf und Hakan Tas (LINKE), Christopher Lauer und Oliver Höfinghoff (PIRATEN), Tom Schreiber (SPD), Canan Bayram, Dirk Behrendt, Alessa Berkenkamp und Benedikt Lux (GRÜNE).

Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher und parlamentarischer Geschäftsführer von Bündnis90/Die Grünen, erklärte zu der beantragten Sondersitzung und zu den aktuellen Vorgängen um die Rigaer Straße 94:

„Soeben habe ich den von neun Mitgliedern eigenhändig unterzeichneten Antrag auf Einberufung einer Sondersitzung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung beim Vorsitzenden Peter Trapp (CDU) eingereicht. Als Tagesordnung haben wir die Punkte „Rigaer Straße“ und „Verschiedenes“ angegeben. Gem. § 25 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung (GO) ist die Sitzung unverzüglich einzuberufen, da mehr als ein Drittel der 19 Mitglieder dies verlangen; wegen Parlamentsferien ist gem. § 25 Abs. 9 der GO die Zustimmung des Präsidenten Ralf Wieland (SPD) erforderlich.

Ziel der Sondersitzung aus Sicht meiner Fraktion ist die parlamentarische
Aufklärung über den Polizeieinsatz in der Rigaer Straße ab dem Zeitpunkt
der (Teil-)Räumung des Hauses Nr. 94 vom 23. Juni 2016. Der Senator für
Inneres und Bürgermeister Frank Henkel (CDU) muss die rechtlichen und
politischen Gründe, die tatsächlichen Umstände und die Folgen für die
Betroffenen, insbesondere die Anwohner, die Bewohner und die eingesetzten
Polizisten darlegen. Ebenso muss die Verantwortung für diesen Einsatz
geklärt werden. Dieser ist insofern beispiellos und höchst fragwürdig, als
für einen privaten Eigentümer ohne Räumungstitel ein Großaufgebot an
Polizei bereitgestellt wurde, um Räume herzurichten. Wir wollen wissen, ob
die Folgen und möglichen Alternativen dieses Einsatzes vernünftig erkannt
und abgewogen wurden, und wie es überhaupt zu einem solchen Einsatz ohne
Räumungstitel kommen konnte.“

Weiter erklärte Lux:

„Ich erwarte vom Senator ein klares Bekenntnis zur Deeskalation. Diese konzentriert sich auf die Verfolgung von Straf-, insbesondere von Gewalttaten, lässt aber nicht außer Acht, dass polizeiliche Maßnahmen eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung finden müssen. Deswegen muss das in der Gefahrenabwehr gebotene Prinzip der Störerhaftung eingehalten werden, unbeteiligte Dritte sollten immer nur in klar begründeten und kommunizierten Ausnahmefällen belastet werden. Anlasslose und unbegründete Kontrollen etwa können zur Eskalation beitragen.

Ich erwarte vom Innensenator ebenfalls ein Lagebild und die überzeugende Darlegung einer Lösungsstrategie bei der Bekämpfung von politisch motivierter Gewalt und Bedrohung, sowie einen besseren Schutz der eingesetzten Polizisten. Er soll darlegen wie viele Straftaten und Aufrufe dazu es im Zusammenhang mit der Rigaer Straße – mittlerweile bundesweit – gegeben hat. Im Idealfall erfolgen beweissichere Festnahmen und eine sachliche, politische Kommunikation über die Taten und mutmaßlichen Täter, damit möglichste wenig Nachahmungs- und Sympathietaten auf den Plan gerufen werden. Der Innensenator muss sich fragen lassen, ob er diese Verantwortung für eine professionelle Sicherheitspolitik im Land Berlin angesichts der Ereignisse rund um die Rigaer Straße aufbringen kann.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beabsichtigt einen Fragenkatalog zur Sondersitzung einzureichen.“

Der innenpolitische Sprecher des Abgeordnetenhauses, Hakan Taş (Die Linke), sagte:

„Die Entscheidung des Berliner Landgerichts ist eine riesige Blamage für Frank Henkel. Offenbar war die Räumung in der Rigaer Straße 94 nicht rechtmäßig. Der Innensenator muss nun erklären: Warum hat die Polizei mit einem massiven Aufgebot die Räumung durchgesetzt, wenn der Eigentümer noch nicht einmal einen Räumungstitel vorgelegt hat? Hat sich die Polizei hier etwa blind zum Erfüllungsgehilfen von rechtswidrigen Wünschen des Immobilieninvestors gemacht?

Einmal mehr wird deutlich, dass das Vorgehen des Innensenators zur Eskalation beigetragen hat. Diese gefährliche Strategie muss endlich ein Ende haben. Der Senat sollte schleunigst auf den Gesprächswunsch der Anwohnerinnen und Anwohner eingehen.“

Der innenpolitischer Sprecher der Piratenfraktion, Christopher Lauer, erklärte:

„Wer Gewalt zur Durchsetzung seiner Ziele anwendet, katapultiert sich außerhalb des demokratischen Diskurses. Auch ich verurteile die Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten, Demonstrationsteilnehmerinnen und Demonstrationsteilnehmer sowie gegen all jene, die sich ein Bild von der Demo am Samstag machen wollten.

Es ist mir unverständlich, warum der Regierende Bürgermeister in seiner Deeskalationspolitik eine 180°-Wende vollführt. Das Wochenende hat doch gezeigt, dass mehr Gewalt keine Lösung irgendeines Konflikts sein kann. Wenn sich Müller jetzt von der Option von Gesprächen verabschiedet, beugt er sich der Schulhofschlägerrethorik der CDU. Insbesondere die Einlassungen des CDU-Generalsekretärs sind an Verlogenheit und Dreistigkeit nicht zu überbieten. Wegner ist ein geistiger Brandstifter, der ein Klima des Hasses und der Angst schürt und so der demokratischen Debattenkultur nachhaltig massiven Schaden zufügt.

Fakt ist: Frank Henkel war letzte Woche der Einzige, der eine Deeskalation ablehnte. Als Innensenator ist er für die Einsätze der Polizei verantwortlich. Er trägt auch die Verantwortung dafür, dass hunderte Polizisten und Polizistinnen aus verschiedenen Bundesländern seine politisch motivierten Einätze bestreiten müssen. Er nahm die Gewalt vom Wochenende billigend in Kauf, um seinen Hass-Wahlkampf zu betreiben. Wenn einer die Verantwortung für diese absehbare Eskalation und die 123 verletzten Polizistinnen und Polizisten trägt, dann er. Frank Henkel ist nach wie vor eine Gefahr für die innere Sicherheit Berlins. Sollte er weiter einer friedlichen Lösung im Wege stehen, muss er von Müller aus dem Amt des Innensenators entlassen werden.

Man muss sich vergegenwärtigen: Berlins Innensenator sieht sich außerstande, eine friedliche Einigung mit einem linksalternativen Hausprojekt herbeizuführen. Mit Menschen, die das Haus gar nicht besetzen, sondern in einem regulären Mietverhältnis sind. Menschen, denen wohlgemerkt keine einzige konkrete Straftat nachgewiesen werden kann. Allein dass dies betont werden muss, zeigt, wie sehr die CDU mit ihrer Hetze das öffentliche Klima vergiftet hat. Es ist nicht akzeptabel, dass Frank Henkel die Berlinerinnen und Berliner mit der Polizei schikaniert. Dass dies aus der Verzweiflung heraus geschieht, nach fünf Jahren des Versagens im Wahlkampf den strammen Max zu geben, macht die Situation umso erbärmlicher. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was den sogenannten Rechtsstaat ausmacht.

Ich fordere Michael Müller, Monika Herrmann, die Anwohnerinnen und Anwohner der Rigaer Straße, die Bewohnerinnen und Bewohner der Rigaer Straße 94 und auch die Polizei Berlin auf, endlich an einen Tisch zu kommen, um diese absurde Eskalation zu beenden und die Spirale des Hasses und der Gewalt zu durchbrechen. Eine friedliche Lösung ist alternativlos.“

TP/dj

Foto: Hakan Tas, Linksfraktion Abgeordnetenhaus Berlin

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