„Rechtsforderung ist unzulässig.“

TP-Interview mit Dr. Wolfgang Ullmann, Europäisches Parlament.

TP: Herr Ullmann, warum gab es bisher keine Möglichkeit, Rechtsmittel zugunsten jener einzulegen, die zwischen 1945 und 1949 enteignet worden sind?

Ullmann: Weil es keine Möglichkeit gab, über irgendein denkbares Gericht über Recht und Gerechtigkeit dieser Enteignung zu befinden. Das Deutsche Reich hatte bedingungslos kapituliert und diese Bedingungslosigkeit hat die Souveränität auch hinsichtlich der Rechtshandlungen an die Besatzungsmächte übertragen. Und das war in diesem Falle die Sowjetunion, die diese Maßnahme nicht nur gebilligt, sondern durchgeführt hat. Freilich durchgeführt von den dazu eingesetzten deutschen Kommissionen, die diese Enteignungen durchgeführt haben ohne Einzelfallprüfung.

TP: Worin liegt der Unterschied hinsichtlich der Enteignungen in der DDR?

Ullmann: Vor allen Dingen war die handelnde Macht eine ganz andere, nämlich die DDR. Das ist eben der Rechtsirrtum, in dem sich diejenigen, die zwischen 45 und 49 enteignet wurden, heute befinden. Ihre jetzige Forderung lautet ja, man solle das auf der Basis des 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes behandeln, und zwar als Verwaltungsunrecht. Und da die Leute mittlerweile auch größtenteils von der russischen Föderation rehabilitiert sind, sei es eindeutig Verwaltungsunrecht und müsse also aufgehoben werden. Ich meine, das ist noch recht schwierig. Meines Erachtens gibt das Gesetz über das SED-Verwaltungsunrecht kein Recht zur Restitution, sondern allenfalls das Recht zur Entschädigung. Aber auch die ganze Rechtskonstruktion ist falsch. Es ist mittlerweile Bestandteil des Einigungsvertrages, daß diese Enteignungen zwischen 45 und 49 eben gerade nicht als SED-Unrecht eingestuft wurden, sondern als Maßnahmen, die per Besatzungsrecht und Besatzungshoheit stattfanden. Es hat also mit SED-Unrecht überhaupt nichts zu tun und darum ist die Berufung auf das 2. SED-Unrechtsbereingungsgesetz rechtlich nicht statthaft.

TP: Vielleicht nicht auf das 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz, aber wenn Leuten zwischen 1945 und 1949 Unrecht geschehen ist, gibt es da überhaupt keine Möglichkeit mehr, ihnen heute Gerechtigkeit zu verschaffen?

Ullmann: Es gibt nur diesen Passus in dem letzten Karlsruher Urteil in dieser Frage. Dort wurde ja gesagt, Rückgabe kommt auf keinen Fall in Frage, aus dem eben genannten Grund. Aber man kann, da haben die einen mehr durchtriebenen Ausdruck gebraucht, Ausgleichsleistungen unter Umständen ins Auge fassen. Das ist ja auch so geschehen. Es gibt ja dieses EAlG, Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz. Damit sind die natürlich alle unzufrieden, aber das ist die Rechtslage.

TP: Und weswegen sind sie jetzt unzufrieden? Weil die Entschädigung nicht hoch genug ist?

Ullmann: Das ist natürlich nicht doll, was die als Ausgleichsleistung kriegen.

TP: Demnach wollen diese Leute also so behandelt werden, wie viele, die später in der DDR enteignet worden sind, also Entschädigungsleistungen nach dem 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz erhalten?

Ullmann: Ja, das ist ihre Rechtsforderung, und die ist meines Erachtens unzulässig.

Interview: Dietmar Jochum, TP Berlin

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