Russlanddeutsche spionierten für Russland.

Strafverfahren gegen Dieter S., Alexander J. und Alex D.  wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Tätigkeit, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland u.a..

Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat heute den Angeklagten Dieter S. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Agententätigkeit zu Sabotagezwecken zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt. Die beiden Mitangeklagten Alexander J. und Alex D. wurden wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu Freiheitsstrafen von 1 Jahr bzw. 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung jeweils zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme über 27 Verhandlungstage zeigte sich das Gericht davon überzeugt, dass die Tatvorwürfe aus den beiden Anklageschriften des Generalbundesanwalts im ganz Wesentlichen zutreffen. Alle drei Angeklagten stammen aus der Russischen Föderation bzw. Kasachstan und sind als Kinder als sog. Spätaussiedler nach Deutschland eingereist. Der Angeklagte Dieter S. sei im Jahr 2014 in die Ukraine gereist und habe sich dort an dem militärischen Arm der „Volksrepublik Donezk“, der sog. Pyatnashka-Brigade beteiligt. In dieser seien Freiwillige aus verschiedenen Ländern zusammengeführt worden, die gegen die regulären Streitkräfte der Ukraine gekämpft hätten und mittlerweile offizieller Teil der russischen Streitkräfte seien. Bis 05.02.2015 war er im Donezk stationiert und habe am dortigen Flughafen an Kampfhandlungen gegen ukrainische Truppen teilgenommen. Im Juli 2015 habe er an einem weiteren Kampfeinsatz mitgewirkt. Er sei dabei jeweils bewaffnet gewesen. Später habe er die Ukraine verlassen und sei nach Deutschland zurückgekehrt. Der Kommandeur des Angeklagten in seiner Brigade sei damals Akhra A. gewesen.

Im September 2023 nahm der Angeklagte S. Kontakt zu seinem früheren Kommandeur A. auf und bot ihm an, Informationen aus Deutschland über Bahnstrecken, Eisenbahnknotenpunkte, die für den Transport von Militärgütern in die Ukraine genutzt werden, sowie Informationen zum Truppenübungsplatz in Grafenwöhr und zu Ölraffinerien in Bayern gegen Entgelt zu beschaffen. A. verfügte dabei über Verbindungen zu einem russischen Geheimdienst. Das wusste der Angeklagte Dieter S. auch.

Im Auftrag des A. habe der Angeklagte Dieter S. bis zu seiner Festnahme am 17.04.2024 dann tatsächlich entsprechende Informationen gesammelt und sei unter anderem nach Grafenwöhr gefahren; zudem habe er online recherchiert. Auch habe er sich bereit erklärt, Anschläge auf Bahnstrecken zu verüben. Durch Sabotageaktionen sollte die Integrität des deutschen politischen Systems angegriffen werden und die Bürger sollten so die „Kosten“ der Unterstützung der Ukraine spüren. Die Menschen sollten sich – so der hinter den Aktivitäten stehende Plan – Gedanken darüber machen, ob es „wirklich so schlau“ sei, die Ukraine zu unterstützen. Von dem Angeklagten J. habe er den Standort und den Namen eines US-amerikanischen Unternehmens mit Sitz in Bayern erhalten, die er sodann an A. über den Messengerdienst Telegram weitergeleitet habe. Von dem Unternehmen seien Videos angefertigt worden und der Angeklagte S. habe sich weiter über mögliche Sabotageziele mit A. ausgetauscht. Dieter S. habe dann den Angeklagten J. dazu aufgefordert, weitere Informationen über das Unternehmen zu beschaffen. Der Angeklagte Dieter S. fertigte ferner Videos von Panzertransporten und Fotos von Bundeswehrfahrzeugen an und leitete die Dateien jeweils an A. weiter. Über Telegram unterhielten sich der Angeklagte S. und A. darüber, ob es möglich wäre, Kameras an den Militärtransporten zu befestigen und mit sog. Hemmschuhen Züge entgleisen zu lassen. Gegenüber einem weiteren Mitglied der Pyatnashka-Brigade namens „Gustavo“ erklärte sich der Angeklagte S. bereit, weitere Informationen zu übermitteln. Der Angeklagte Alex D. übermittelte Informationen zu Militärtransporten an den Angeklagten S., die dieser aber nicht an A. weiterleitete.

Die Verteidiger hatten jeweils Freispruch beantragt. Die Angeklagten haben den Tatvorwurf jeweils umfassend bestritten. Der Angeklagte Dieter S. hatte lediglich einen Aufenthalt in Donezk eingeräumt, dieser sei aber privater Natur gewesen. Er habe dort nicht gekämpft und sei auch in keiner Brigade tätig gewesen. Soweit er an einer ZDF-Reportage mitgewirkt habe, sei er lediglich als „Schauspieler“ aufgetreten und habe sich als „Kämpfer“ ausgegeben, um Geld zu erhalten. Auch die weiteren Tatvorwürfe hatte der Angeklagte S. bestritten. Er sei nicht als Geheimagent tätig gewesen; vielmehr habe er dem A. vorspielen wollen, dass er bereit wäre, als Spion zu arbeiten. Zugleich habe er sich den deutschen Sicherheitsbehörden als V-Mann andienen wollen.

Die Beweisaufnahme hat diese Einlassung vollumfänglich widerlegt. Der Vorsitzende Richter Jochen Bösl wies darauf hin, dass der Senat nicht den leisesten Zweifel daran habe, dass der Angeklagte Mitglied der Pyatnashka-Brigade gewesen sei. Zu den politischen, historischen und militärischen Hintergründen wurde das Gericht sachverständig beraten und konnte sich so davon überzeugen, dass die Pyatnashka-Brigade eine terroristische Vereinigung im Ausland ist. Eine Vernehmung des Zeugen A. war nicht möglich, da ein entsprechendes Rechtshilfeersuchen nicht an die russischen Behörden weitergeleitet werden würde. Bei einer Gesamtschau der vorhandenen Indizien bleibe kein Zweifel daran, dass der Angeklagte reguläres Mitglied der Pyatnashka-Brigade gewesen sei. Insbesondere hätten die Journalisten des ZDF bestätigt, dass der Angeklagte nicht als Schauspieler aufgetreten sei, sondern den Angeklagten für ein „echtes“ Mitglied der Brigade gehalten. Es habe für sie keinen Anlass gegeben, daran zu zweifeln. Auch die Bekanntschaft zu A. sei ein wichtiges Indiz dafür, dass der Angeklagte in der Brigade tätig gewesen sei. Zudem gebe es zahlreiche Lichtbilder, die den Angeklagten in entsprechender Uniform zeigen würden. Es leuchte auch nicht ein, warum ein „Schauspieler“ an einer Parade teilnehmen sollte, wenn es doch echte Kämpfer gebe. Insgesamt würden die Erklärungen des Angeklagten überhaupt keinen Sinn ergeben. Es handele sich um „bloße Schutzbehauptungen und sonst nix“.

Hinsichtlich der Spionagetätigkeit stützen sich die Feststellungen des Gerichts insbesondere auf die Auswertung von Chatprotokollen. Die Einlassung des Angeklagten, er habe dem A. vorspielen wollen, bereit zu sein, eine Agententätigkeit zu übernehmen, sei vor dem Hintergrund seiner Tätigkeit für die von A. geleitete Brigade in Donezk völlig unplausibel.

Die Beteiligung der beiden anderen Angeklagten sah der Senat aufgrund der Auswertung der digitalen Endgeräte sowie auf der Grundlage der Auswertung von Telegram-Chats als erwiesen an.

Bei der rechtlichen Würdigung hob der Vorsitzende hervor, dass es für die geheimdienstliche Tätigkeit nicht auf eine besondere Werthaltigkeit der weitergegebenen Informationen ankomme.

Bei der Strafzumessung berücksichtigte der Senat zugunsten des Angeklagten, dass die Tat in Donezk schon geraume Zeit zurückliegt. Bei der Agententätigkeit geht der Senat von einem besonders schweren Fall aus. Zu Lasten wertete das Gericht dabei insbesondere, dass der Zeitraum der Spionageaktivitäten sich über ein halbes Jahr zog. Zudem habe sich der Angeklagte selbst dem russischen Geheimdienst angeboten. Die geplanten Sabotagehandlungen seien von erheblicher Bedeutung gewesen. Die beiden anderen Angeklagten hätten deutlich untergeordnete Tatbeiträge geleistet und seien Ersttäter, so dass die Strafen zur Bewährung ausgesetzt werden konnten.

Als Bewährungsauflage für die Angeklagten Alexander J. und Alex D. ordnete das Gericht die Zahlung von jeweils 3.000 € an die Staatskasse an.

Zuletzt ordnete das Gericht die Fortdauer der Untersuchungshaft des Angeklagten Dieter S. an.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Bundesanwaltschaft steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.

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