Schleswig-Holsteinisches OLG erlässt Auslieferungshaftbefehl gegen Carles Puigdemont wegen Veruntreuung und setzt den Vollzug des Auslieferungshaftbefehls aus – Puigdemont nun seit heute 11:14 Uhr frei.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht erlässt Auslieferungshaftbefehl gegen Carles Puigdemont wegen Veruntreuung und setzt den Vollzug des Auslieferungshaftbefehls aus.

Der I. Strafsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts hat gestern auf Antrag des Generalstaatsanwalts gegen Carles Puigdemont Auslieferungshaft und gleichzeitig Haftverschonung unter Auflagen angeordnet.

Der I. Strafsenat ist der Auffassung, dass sich hinsichtlich des Vorwurfs der „Rebellion“ die Auslieferung als von vornherein unzulässig erweist.

Etwas anderes gelte für den Vorwurf der „Korruption“ in Form der Untreue. Insoweit erweise sich die Auslieferung nicht als von vornherein unzulässig.

Anhaltspunkte dafür, dass Carles Puigdemont der Gefahr politischer Verfolgung im Sinne des § 6 Abs. 2 IRG ausgesetzt sein könnte, sind – so der Senat – nicht ersichtlich.

Zu den Auflagen der Haftverschonung gehört unter anderem die Zahlung einer Sicherheit in Höhe von 75.000 €.

Zur Begründung heißt es u.a.:

Eine Auslieferung des Verfolgten wegen des Straftatbestands der Rebellion gemäß Art. 472 Abs. 5 und 7 des spanischen Strafgesetzbuches komme aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Das dem Verfolgten zur Last gelegte Verhalten wäre in der Bundesrepublik Deutschland nach hier geltendem Recht nicht strafbar. Der in Betracht kommende Straftatbestand des Hochverrats sei nicht erfüllt, weil es an dem Merkmal der „Gewalt“ fehle. Nach den vom Bundesgerichtshof in einem vergleichbaren Fall aufgestellten Grundsätzen reiche es für die Verwirklichung des Gewaltbegriffs nicht aus, dass ein Täter Gewalt androht oder anwendet, um ein Verfassungsorgan zu einem erstrebten Handeln zu veranlassen. Erforderlich sei vielmehr, dass von der gegenüber Dritten ausgeübten Gewalt ein derartiger Druck auf das Verfassungsorgan ausgehe, der geeignet ist, den entgegenstehenden Willen des Verfassungsorgans zu beugen. Das sei hier nicht der Fall. Zwar seien dem Verfolgten als Initiator und Verfechter der Umsetzung des Referendums die am Wahltag stattgefundenen Gewalttätigkeiten zuzurechnen. Diese seien nach Art, Umfang und Wirkung jedoch nicht geeignet gewesen, die Regierung derart unter Druck zu setzen, dass sie sich „zur Kapitulation vor der Forderung der Gewalttäter“ gezwungen gesehen hätte.

Eine Auslieferung wegen des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Gelder gemäß Art. 432, 252 des spanischen Strafgesetzbuches erscheine demgegenüber jedenfalls nicht von vornherein unzulässig. Insoweit seien noch weitere tatsächliche Umstände zu klären und weitere Informationen einzuholen.

Anhaltspunkte dafür, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung der Gefahr politischer Verfolgung im Sinne des § 6 Abs. 2 IRG ausgesetzt sein könnte, seien nicht ersichtlich. Dem Verfolgten werde mit der Veruntreuung öffentlichen Gelder eine konkrete, auch nach deutschem Recht als Untreue strafbare Handlung zur Last gelegt, nicht seine politische Gesinnung.

Der Haftgrund der Fluchtgefahr liege vor. Da aber eine Auslieferung wegen des Vorwurfs der „Rebellion“ unzulässig sei, sei die Fluchtgefahr deutlich herabgemildert. Weniger einschneidende Maßnahmen als der Vollzug der Auslieferungshaft reichten zur Sicherung des Auslieferungsverfahrens aus.

Die TP Presseagentur wird noch heute von der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig darüber informiert werden, ob Puigdemont tatsächlich nach Zahlung der Kaution freigelassen wurde. Bisher ist das offensichtlich noch nicht der Fall.

Generalstaatsanwalt ordnet nun heute sofortige Entlassung von Carles Puigdemont aus der Haft an.

Der ehemalige katalonische Regionalpräsident Carles Puigdemont hat dem Generalstaatsanwalt des Landes Schleswig-Holstein im Laufe des heutigen Vormittags nun die Leistung einer Sicherheit in Höhe von 75.000,– € nachgewiesen und mitgeteilt, wo er zukünftig in der Bundesrepublik Deutschland seinen Aufenthalt haben wird. Die sofortige Entlassung des Carles Puigdemont ist gegenüber der Justizvollzugsanstalt Neumünster um 11.14 Uhr verfügt worden.

Über seinen derzeitigen Aufenthaltsort werden keine Angaben gemacht.

Puigdemont-Entscheidung sei Ohrfeige für Berlin und Madrid.

„Die Entscheidung des OLG Schleswig ist ein Erfolg der Rechtsstaatlichkeit und eine Ohrfeige für Berlin und Madrid. Der Hauptvorwurf der ‚Rebellion‘ ist damit vom Tisch und das ist gut so“, erklärt Andrej Hunko, europapolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE.

Hunko weiter:

„Ich gehe davon aus, dass auch der Nebenvorwurf der ‚Veruntreuung‘ ausgeräumt werden kann und Puigdemont nicht ausgeliefert wird.

Die Bundesregierung hatte sich in allen Phasen des Konflikts um die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen hinter die ultra-konservative Regierung Rajoy gestellt und Spanien zu einem 100-prozentigen Rechtsstaat erklärt. Dass die Verfolgungen von katalanischen Politikern durch Madrid innerhalb der EU auf Grundlage eines vordemokratischen Rebellions-Vorwurfs offensichtlich unbegründet sind, ist nun auch richterlich festgehalten.

Es ist jetzt an der Zeit, die Spanien-Politik der Bundesregierung neu zu justieren. Im Katalonienkonflikt, der  vor allem durch die starre Haltung der regierenden Partido Popular in Madrid, der Schwesterpartei der CDU/CSU, so weit eskaliert ist, sollte die Bundesregierung die Initiative für eine internationale Vermittlung ergreifen. Als Experten für Verfassungsfragen bietet sich hier etwa die Venedig-Kommission des Europarates an.

Die spanische Justiz hat immer noch mit dem Erbe der Franco-Zeit zu kämpfen. Dies drückt sich auch in wiederholten Urteilen des Europarates und von Amnesty International aus, die nach wie vor Folter und erniedrigende Behandlung in spanischen Gefängnissen attestieren. Verträge mit der Franco-Ära, wie etwa die Rentenzahlungen für die Blaue Division, gehören auf den Prüfstand. Anstatt dem Königreich Spanien einen Blankocheck zu erstellen, sollte die Bundesregierung die Bestrebungen zur demokratischen Erneuerung in Spanien unterstützen.“

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