„Schönste Kirche Schwedens“ muss umziehen.

30 Meter hoch und über 600 Tonnen schwer: Eines der berühmtesten Bauwerke Schwedens zieht um. Die Kirche von Kiruna ist historisch aber kein Einzelfall. Selbst über einen ganzen Ozean sind Kirchen schon versetzt worden.

Autor/in:

Renardo Schlegelmilch.

Es geschieht relativ selten im säkularen Schweden, dass 10.000 Menschen, inklusive König Carl Gustav, vor einer Kirche zusammenkommen. Zumal wegen einer Kirche in einem Ort mit 17.000 Einwohnern, der hier nicht mehr lange existieren wird.

Die evangelische Kirche in Kiruna, dem nördlichsten Ort Schwedens, zieht heute die Blicke des ganzen Landes auf sich. Mit riesigem technischem Aufwand wird die Kirche, die einst als schönste Kirche Schwedens ausgezeichnet wurde, an einen neuen Ort versetzt.

Aufwendiger Umzug

Fünf Kilometer muss sie dafür bewegt werden – ein Vorgang, der seit über 20 Jahren in Planung ist und in der Umsetzung zwei ganze Tage dauern soll. Am Dienstagmorgen um acht Uhr begann die Aktion, nachdem noch ein letzter Gottesdienst am alten Ort gefeiert wurde. Nun geht die Kirche auf reisen. Hintergrund ist – wie bei ähnlichen Aktionen im Rheinland – der Bergbau.

Im Gegensatz zu Garzweiler und Co. ist es hier allerdings nicht die Braunkohle, sondern das Eisenerz. Während im rheinischen Braunkohlerevier der Boden einer ganzen Region systematisch abgetragen werden muss, sieht die Lage in Schweden anders aus.

Gefahr durch Untergrabung

Der Abbau von Eisenerz geschieht in der Tiefe. Deshalb wurde der Ort Kiruna und sein Umland in den letzten Jahrzehnten so sehr untergraben, dass der Boden aussieht wie ein Schweizer Käse – und die Stabilität der Gebäude, auch der Kirche, nicht mehr gewährleistet werden kann.

2003 wurde deshalb ein Schlachtplan entwickelt, der etwa 45 Millionen Euro kostet, um die Kirche, wie auch den ganzen Ort, um fünf Kilometer zu versetzen. Das ist deutlich aufwendiger als das klassische Vorgehen in Deutschland, wo Kirchen und ganze Dörfer abgerissen und an anderer Stelle neu errichtet werden.

Da die Kirche von Kiruna zu den berühmtesten Kirchen Schwedens zählt, war das in diesem Fall keine Option. Dabei ist die Versetzung einer Kirche erstaunlicherweise keineswegs ein Einzelfall.

Historische Beispiele

Bereits im 19. Jahrhundert wurden in Deutschland diverse Kirchen Stein für Stein abgebaut und an anderer Stelle wiedererrichtet – unter anderem die Georgskapelle auf dem Alten Friedhof in Bonn. Das romanische Bauwerk stammt ursprünglich aus dem 13. Jahrhundert und wurde vor knapp 200 Jahren bei einem Brand schwer beschädigt.

Historische Kirche in Schweden zieht um

Anstatt sie abzureißen, wurde die beschädigte Kapelle von einem Privatmann gekauft und auf den Friedhof transportiert. Obwohl dabei einige der historischen Malereien zerstört wurden, gilt die sogenannte “Translozierung” der Bonner Georgskapelle als einer der Höhepunkte der Denkmalrestaurierung im 19. Jahrhundert.

Keine Seltenheit

Die Versetzung einer Kirche ist also keineswegs selten. Über vierzig belegte Fälle finden sich allein auf deutschem Bundesgebiet.

Mal muss eine Quelle unter der Kirche geschützt werden, mal eine Kirche von einem Tal auf einen Berg versetzt werden. Aber auch außerhalb Deutschlands und Europas gibt es Beispiele für Kirchenversetzungen.

Reise nach Amerika

Die weiteste Reise hat vermutlich die “Gothic Chapel”, die gotische Kapelle am “Detroit Institute of Arts” in Michigan, zurückgelegt. Ihr erstes Leben hatte sie jenseits des Atlantiks, im französischen Herbéviller in Lothringen nahe der deutschen Grenze.

Die Kapelle wurde im 16. Jahrhundert errichtet. Sie war Teil eines Schlosses, wurde aber 1923 an einen Zeitungsverleger aus den USA verkauft, der sie dann einem Museum in Detroit vermachte. Dort wurde die Kapelle Stein für Stein in einen Neubau integriert.

Bei Katholiken schwieriger

In der Regel handelt es sich dabei jedoch um protestantische Kirchen. Da ein Gotteshaus mit geweihtem Altar nach katholischer Überzeugung ein heiliger Ort ist, müsste dieser erst “entweiht” oder “profaniert” werden, bevor man es abreißen oder versetzen könnte.

In Deutschland und noch stärker in den Niederlanden gibt es eine Reihe profanierter Kirchen, die heute als Wohnhäuser, Hotels, Bars oder Bibliotheken genutzt werden. Die Versetzung einer aktiv gemeindlich genutzten Kirche kommt dagegen so gut wie nie vor.

Die Kirche unterwegs

In Schweden ist unterdessen seit Dienstagmorgen acht Uhr die Kirche von Kiruna unterwegs. Nachdem der komplette Boden unter dem Gebäude ausgehoben wurde, konnte ein Schwerlasttransporter unter das Fundament fahren, das nur noch durch mehrere Betonsäulen getragen wurde.

Nun bewegt sich das 40 Meter breite und 35 Meter hohe Bauwerk, das 672 Tonnen wiegt, mit weniger als Schrittgeschwindigkeit durch den Ort. Voraussichtlich am Mittwoch wird die Kirche ihren neuen Platz fünf Kilometer entfernt einnehmen.

Katholische Kirche in Schweden

Das Bistum Stockholm umfasst ganz Schweden. Auf einer Fläche von 450.000 qkm wohnen über 9,7 Millionen Einwohner. 110.000 von ihnen sind katholisch (knapp 1,1 Prozent). Ca. 80 Prozent von ihnen sind Einwanderer aus mehr als 90 verschiedenen Nationen. 161 Priester sind für sie in 44 Pfarreien seelsorglich tätig.

Bischof ist seit 1998 als erster Schwede der im Schweizer Tessin von schwedischen Eltern 1949 geborene Karmelitermönch Anders Arborelius, der mit 20 Jahren zum katholischen Glauben konvertiert war. Im Jahr 2017 wurde er zum Kardinal ernannt.

Quelle: DOMRADIO.de

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