Seehofer stellt Verfassungsschutzbericht 2019 vor.

Wachsam und wehrhaft zum Schutz von Freiheit und Sicherheit.

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat heute gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2019 vorgestellt.

Anders als in den letzten beiden Jahren sei die Zahl der politisch motivierten Straftaten 2019 wieder angestiegen. Bei der diesjährigen Zunahme um 14,2 % handele es sich um den zweithöchsten Wert seit Einführung der Statistik im Jahr 2001. Rechtsmotivierte Delikte machten mit 54,3 % weiterhin mehr als die Hälfte aller registrierten Straftaten aus. Politisch rechtsmotivierte Straftaten sind um 9,4 % gestiegen. Auch bei der Hasskriminalität sei erneut ein Anstieg zu verzeichnen, ebenso wie bei den rechtsmotivierten fremden- und islamfeindlichen Straftaten. 

Bundesinnenminister Horst Seehofer: „Die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist derzeit die größte sicherheitspolitische Herausforderung in Deutschland. Dem stellen wir uns entschieden entgegen: Die Bundesregierung hat so viele Maßnahmen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus eingeleitet, wie keine Regierung zuvor. Auch die gesteigerte Gewaltbereitschaft im Linksextremismus und die weiterhin hohe Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus behalten wir im Blick. Wir sind weiterhin wachsam und wehrhaft.“

Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang: „Die gestiegene Gewaltbereitschaft in allen Extremismusbereichen erfordert eine intensive Bearbeitung durch den Verfassungsschutz. Nicht nur im Rechtsextremismus, sondern auch im Linksextremismus stellen wir eine gesteigerte enthemmte Gewalt fest und im islamistischen Terrorismus bleibt die Bedrohungslage für Deutschland auf einem hohen Niveau angespannt. Aber auch sicherheitsgefährdende Aktivitäten fremder Mächte haben im letzten Jahr an Brisanz gewonnen.“

Das rechtsextremistische Personenpotenzial belief sich Ende des Jahres 2019 auf insgesamt 32.080 Personen (2018: 24.100). Damit ist ein neuer Höchststand erreicht. Weiterhin auf einem Höchststand ist auch die Zahl der gewaltorientierten Rechtsextremisten mit 13.000 Personen. In Verbindung mit der hohen Waffenaffinität des rechtsextremistischen Spektrums sind diese Zahlen bedenklich.

Im Bereich des Antisemitismus wurden den Sicherheitsbehörden im Berichtsjahr 2.032 Straftaten (+13 %) gemeldet. Mehr als die Hälfte davon machen Volksverhetzungen (56,7 %) aus, häufig im Internet, das als Propaganda- und Kommunikationsinstrument zur Verbreitung antisemitischer Ideologie genutzt wird. Wie in den Vorjahren waren diese Straftaten weit überwiegend dem Rechtsextremismus zuzuordnen (93,4 %). Der Antisemitismus bleibt ein wichtiges Ideologieelement in den meisten Spektren des Rechtsextremismus und ist auch tief im rechtsextremistischen Parteienbereich verwurzelt.

Deutschlandweit sind der Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ im Jahr 2019 unverändert etwa 19.000 Personen zuzurechnen. Bei rund 950 von ihnen handelt es sich um Rechtsextremisten. Die hohe Waffenaffinität stellt nach wie vor ein erhöhtes Gefährdungspotential dar. Seit 2016 sind ca. 800 waffenrechtliche Erlaubnisse von Szeneangehörigen entzogen worden. 

Das Personenpotential der linksextremistischen Szene ist im vergangenen Jahr weiter um 4,7 % auf insgesamt 33.500 Personen gestiegen. Davon sind 9.200 als gewaltorientiert einzuschätzen, jeder vierte Linksextremist. Es ist zu beobachten, dass die Hemmschwelle im linksextremistischen Spektrum, Gewalttaten zu verüben, zu sinken scheint und die Bereitschaft, lebensgefährliche Verletzungen ihrer Opfer in Kauf zu nehmen, gleichzeitig steigt. Dies zeigte sich anhand zweier versuchter Tötungsdelikte in 2019 sowie eines Angriffs auf eine Immobilienmaklerin in ihrer Privatwohnung. 

Die Gefahr durch islamistische Terrorismus in Deutschland und Europa ist nach wie vor sehr hoch. Die Bundesrepublik steht unverändert im Blickfeld dschihadistischer Organisationen. Im vergangenen Jahr konnten erneut islamistisch motivierten Anschläge verhindert werden. 

Deutschland befindet sich weiterhin im Fokus zahlreicher ausländischer Nachrichtendienste. Gerade in Krisenzeiten gewinnt die Beobachtung verstärkt initiierter Desinformation und Propaganda ausländischer staatlicher Stellen und staatsnaher Medien an Bedeutung Mit der voranschreitenden Digitalisierung und Vernetzung unserer Gesellschaft verschärft sich auch die Bedrohungslage durch Cyberspionage und Cybersabotage. Auch deutsche Unternehmen und Forschungseinrichtungen sind aufgrund ihres Know-hows weiterhin für fremde Staaten und deren Nachrichtendienste interessant.

Fotoquelle: Henning Schacht

Verfassungsschutzbericht: Analysedefizite weiter aufarbeiten, extremistische Netzwerke aufklären.

Zum heute vorgestellten Verfassungsschutzbericht 2019 erklären Dr. Konstantin von Notz, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender, und Dr. Irene Mihalic, Sprecherin für Innenpolitik von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Die Sicherheitslage in Deutschland bleibt angespannt, das extremistische Gefahrenpotenzial steigt. Deutlich wird dies vor allem mit Blick auf den enormen Anstieg der Zahlen im Bereich des gewaltbereiten Rechtsextremismus und Antisemitismus. Es bleibt hoch problematisch, dass die Sicherheitsbehörden trotz Oktoberfestattentat, NSU und der vielen anderen rechtsextremen Angriffe und Morde der letzten 40 Jahre das Problem viel zu lange unterschätzt haben. Wir begrüßen ausdrücklich die Ernsthaftigkeit, mit der der aktuelle Verfassungsschutzpräsident versucht, das Analysedefizit der letzten Jahrzehnte aufzuarbeiten.

Und die aktuellen Zahlen zeigen, wie nötig diese Anstrengung ist: Im Bereich Rechtsextremismus hat das Personenpotenzial um 33 Prozent innerhalb eines Jahres zugelegt. Und das ist nur die Spitze des Eisberges, da die übergroße Mehrheit der Reichsbürger leider immer noch nicht als rechtsextrem eingestuft werden. Das Bundesamt ist nun in der Verantwortung den eigeschlagenen Weg konsequent weiter zu gehen und die Netzwerke der Feinde unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung umfassend aufzuklären.“

Verfassungsschutzbericht 2019: Rechtsextremismus ist die wirkliche Gefahr.

„Die heute vom Bundesamt für Verfassungsschutz vorgelegten Zahlen zu einem mutmaßlichen Gleichstand von Rechts- und Linksextremismus sind äußerst befremdlich. Es drängt sich der Eindruck auf, als sei nach Aufnahme der rechtsextremistischen AfD-Gruppierungen ‚Der Flügel‘ (7.000 Mitglieder) und ‚Junge Alternative‘ (1.600 Mitglieder) in das Zahlenwerk eine Anweisung ergangen, auch die Zahlen zum Linksextremismus künstlich heraufzurechnen, um an einer absurden Hufeisentheorie und der Gleichsetzung von rechts und links festhalten zu können“, erklärt André Hahn, stellvertretender Vorsitzender der der Linksfraktion im Bundestag und Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste, zur heutigen Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2019.

Hahn weiter:

„Die Attentate von Halle und Hanau, aber auch der Mord an Walter Lübcke haben gezeigt, von wem die wirkliche Gefahr für die Demokratie ausgeht, nämlich vom Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus.

Das sollten Bundesinnenminister Seehofer und Verfassungsschutzpräsident Haldenwang inzwischen begriffen haben, und es ist höchst alarmierend, dass rechte Strukturen bis in die Bundeswehr und in Polizeibehörden hineinreichen, wie nicht zuletzt auch die jüngsten massiven Bedrohungen gegen Janine Wissler, die Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Hessischen Landtag, zeigen.

Linksextremistische Gewalttaten sind klar zu verurteilen, sie willkürlich hochzurechnen, obwohl in vielen Fällen nicht abschließend ermittelt wurde und die Täter sowie deren politischer Hintergrund zum Teil völlig unbekannt sind, ist aber weder seriös noch vertretbar.“

Alle Formen von Extremismus müssen entschieden bekämpft werden.

Zum Verfassungsschutzbericht 2019 erklärt der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Stephan Thomae:

„Der kontinuierliche Anstieg extremistischer Bestrebungen und die zunehmende Gewaltbereitschaft sind ein Alarmsignal. Es darf in unserer freiheitlichen Gesellschaft keinen Platz für Rechts- und Linksextremismus sowie Islamismus geben. Alle Formen von Extremismus müssen entschieden bekämpft und dürfen nicht verharmlost werden. Besondere Sorge bereitet der FDP-Fraktion die zunehmende Vernetzung von Rechten im Internet und deren Radikalisierung. Dagegen hilft nur eine bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden auf allen Ebenen. An erster Stelle sollte die Beseitigung von Kompetenzstreitigkeiten und Reibungsverlusten in der föderalen Sicherheitsarchitektur stehen. Eine Föderalismusreform III ist daher dringend notwendig. Die Einstufung des Flügels der AfD als Beobachtungsfall ist richtig. Nach der durchschaubaren Selbstauflösung wäre es jedoch konsequent, die AfD insgesamt als Verdachtsfall einzustufen. Forderungen nach einer Ausweitung des Staatstrojaners auf den Verfassungsschutz lehnen wir ab.“

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