Statements zum Jahresgutachten des Sachverständigenrats.

Altmaier zum Jahresgutachten des Sachverständigenrats: Teile viele Ansätze – Andere Auffassung bei Rolle der Industriepolitik.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat heute Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sein Jahresgutachten 2018/2019 JG2018-19_gesamt mit dem Titel „Vor wichtigen wirtschaftspolitischen Weichenstellungen“ übergeben. Darin fordert der Sachverständigenrat die Bundesregierung auf, notwendige Reformen zu ergreifen, um den großen Herausforderungen im globalen Handel, durch die demografische Entwicklung und die Digitalisierung zu begegnen.

Bundesminister Altmaier: „Ich danke dem Sachverständigenrat für sein Gutachten. Viele Ansätze teile ich, etwa die Reform und Stärkung der WTO und das klare Bekenntnis zu freiem und fairem Handel. Hieran arbeitet die Bundesregierung in enger Abstimmung mit der Europäischen Kommission mit Hochdruck. Das Gutachten benennt auch zu Recht die Gefahr des Fachkräftemangels für die deutsche Wirtschaft. Dem wollen wir durch Qualifizierung und dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz begegnen.

Die Auffassung, dass sich Wirtschaftspolitik allein auf die Schaffung von Rahmenbedingungen beschränken soll, also die ausnahmslose Ablehnung einer aktiven Industriepolitik, teile ich ausdrücklich nicht. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass sich der Staat soweit wie möglich aus der Wirtschaft rauszuhalten hat. Es gibt aber Bereiche, in denen das Engagement einzelner Unternehmen alleine nicht ausreicht. Hier denke ich an die Batteriezellfertigung. Die Batterie steht für rund 40% der Wertschöpfung im Bereich der Elektromobilität. Hier dürfen wir uns nicht damit abfinden, dass diese Wertschöpfung in der Zukunft allein in Asien und den USA stattfindet. Es ist unsere Aufgabe, dass wir die deutsche und europäische Industrie dabei unterstützen, schnell aufzuholen und wettbewerbsfähig zu werden. Die Unterstützung soll sich aber nur auf eine vorübergehende Anschubförderung beschränken.“

Die Bundesregierung wird – wie gesetzlich vorgesehen – Anfang 2019 im Rahmen des Jahreswirtschaftsberichts zum Gutachten des Sachverständigenrates Stellung nehmen.

Wirtschaftsforum der SPD fordert Strategien für Industrie und Mittelstand.

Berlin, 7. November 2018 – Das Wirtschaftsforum der SPD fordert die Bundesregierung angesichts des Jahresgutachtens der Wirtschaftsweisen auf, tragfähige Strategien für Industrie und Mittelstand vorzulegen. „Wir brauchen ein umfassendes Konzept, industrielle Wertschöpfungsketten für den Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern“, sagt der Präsident des Wirtschaftsforums der SPD, Dr. Michael Frenzel. „Steuergeschenke mit der Gießkanne ersetzen weder Industrie- noch Mittelstandspolitik. Künftig wird insbesondere der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Produktion darüber mitentscheiden, ob Deutschland sich in der Weltmarktkonkurrenz zu China und den USA behaupten kann.“

Wirtschaftsweisen senken Wachstumsprognosen kräftig

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat der Bundesregierung heute das Jahresgutachten 2018/19 überreicht. Demnach wird das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr nur noch um 1,6 Prozent und 2019 nur noch um 1,5 Prozent wachsen. Der geplante Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union und zunehmende Handelskonflikte kühlten die Konjunktur spürbar ab. Zudem dämpften Kapazitätsengpässe das Wirtschaftswachstum. Die Wirtschaftsweisen empfehlen vor diesem Hintergrund Steuersenkungen für Unternehmen und ein höheres Renteneintrittsalter.

Christ: Entlastung bei Energiepreisen für den Mittelstand

„Das sind die üblichen Rezepte“, kommentiert Präsidiumsmitglied Harald Christ, der zugleich Mittelstandsbeauftragter des SPD-Parteivorstands ist. „Wir müssen kleine und mittlere Unternehmen vielmehr bei den Energiepreisen entlasten, wir brauchen eine gezielte Fachkräfteoffensive und die steuerliche Forschungsförderung des Mittelstands“, so Christ. Die Bundesregierung müsse mittelständischen Betrieben helfen, bei Innovationen Schritt zu halten und die Chancen des digitalen Wandels zu nutzen. „Die SPD hat die steuerliche Forschungsförderung im Koalitionsvertrag festgeschrieben, nachdem die Union jahrelang blockiert hat. Das muss jetzt rasch umgesetzt werden.“

Frenzel: Energiewende als Impuls für industrielle Entwicklung.

Der Präsident des SPD-nahen Wirtschaftsverbands, Dr. Michael Frenzel, sieht in der Energiewende und in der intelligenten Vernetzung von Strom, Wärme und Verkehr einen wichtigen Impuls für die industrielle Entwicklung in Deutschland. „Wir wollen eine Energiewende, die sich dem Klimaschutz genauso verpflichtet fühlt, wie der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen oder der Technologieförderung“, sagt Frenzel. „Die Sektorkopplung könnte Regionen im Strukturwandel neue Perspektiven eröffnen und viele Arbeitsplätze schaffen.“ Die Mittel für öffentliche Investitionen in erforderliche Infrastrukturen seien da. Es brauche aber den politischen Willen, sie in der Strukturförderung einzusetzen.

Weitere Informationen unter: www.spd-wirtschaftsforum.de

Merkel hat jahrelang von der Substanz gelebt.

Zum Jahresgutachten des Sachverständigenrates erklärt der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag Reinhard Houben:

„Bundeskanzlerin Merkel hat jahrelang von der Substanz der Agenda 2010 gelebt, anstatt neue Reformen anzustoßen: demografieblinde Rentenpolitik, mutlose Steuerpolitik, falsche Industriepolitik – das Gutachten ist eine gewaltige Ohrfeige für die Wirtschaftspolitik von Union und SPD. Deutschland braucht jetzt endlich echte Reformen, um die Wirtschaft anzukurbeln und an Wachstumstempo zuzulegen. Dazu gehört: Erstens, eine echte Entlastung und Entbürokratisierung für Bürger und Unternehmen. Zweitens, Ausbau der analogen und digitalen Infrastruktur. Drittens, ein modernes Einwanderungsgesetz mit Punktesystem, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Nur so können wir Deutschlands Wirtschaftspotentiale wieder voll ausschöpfen und international erfolgreich bleiben.“

Wirtschaftsweise wollen soziale Spaltung vertiefen.

„Die Forderungen der Wirtschaftsweisen im aktuellen Jahresgutachten lassen sich allesamt auf einen Nenner bringen: Unternehmen entlasten, soziale Spaltung vertiefen. Diese Vorschläge sind absurd, sie gefährden den sozialen Zusammenhalt und damit auch den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Mittel für den Sachverständigenrat Wirtschaft sind reine Steuerverschwendung“, kommentiert Klaus Ernst, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, das Jahresgutachten des Sachverständigenrats Wirtschaft.

Ernst weiter:

„Mit ihrer Ablehnung einer lenkenden Industriepolitik verkennen die Mitglieder des Sachverständigenrats Wirtschaft, Peter Bofinger ausgenommen, dass wirtschaftlich erfolgreiche Länder wie China, Japan oder die USA technologischen Fortschritt durch staatliche Einflussnahme erreicht haben.

Auch die Forderung nach einer weiteren Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters ist weltfremd und geht an den Interessen der Bevölkerung vollständig vorbei. Gleiches gilt für die Kritik an den ohnehin unzureichenden bereits realisierten oder geplanten Reformen zur Einschränkung von Leiharbeit, Kettenbefristungen und sachgrundlosen Befristungen. Leidtragende solcher Vorschläge sind die, die in besonderem Maße auf staatlichen Schutz angewiesen sind. Der Traum von einer Bürgerpauschale, die Beiträge zur Gesetzlichen Krankenversicherung vom Einkommen entkoppelt, sowie das Ansinnen, Fahrverbote durch eine Städte-Maut zu ersetzen, schaden ebenfalls Menschen mit niedrigen Einkommen und erhöhen die soziale Spaltung. Der Sachverständigenrat empfiehlt weiterhin, den Ausbau der digitalen Infrastruktur ‚technologieneutral‘ zu gestalten, den flächendeckenden Aufbau eines Glasfasernetzes zu überdenken und die Netzneutralität zu lockern. Auch dies geht auf Kosten der ohnehin abgehängten ländlichen Räume. Der verstärkte internationale Steuerwettbewerb sorgt für weitere Steuerausfälle und trifft abermals diejenigen, die auf eine gute öffentliche Ausstattung angewiesen sind.

Unter dem Strich ist das Gutachten völlig unbrauchbar, der Erkenntnisgewinn ist minimal, und die avisierten Ziele sind gänzlich unsozial.“

Sachverständige lenken Deutschland aufs Abstellgleis.
DGB kritisiert Gutachten der Wirtschaftsweisen.

Auf deutliche Kritik des Deutschen Gewerkschaftsbunds stößt das neue Jahresgutachten des Sachverständigenrats (SVR). „Wer die wirtschaftspolitischen Weichen in diese Richtung stellt, lenkt das Land aufs Abstellgleis“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell am Mittwoch in Berlin.

Die steuerpolitischen Empfehlungen des SVR weisen laut Körzell in die falsche Richtung: „Wenn der Rat bei der Unternehmensbesteuerung empfiehlt, den von den USA angefachten Steuerwettbewerb mitzumachen, wäre das ein Einstieg in den Wettlauf nach unten. Die Konzerne würden letztlich noch weniger zum Gemeinwohl und zur öffentlichen Infrastruktur beitragen. Schon an diesem Punkt zeigt sich, wie wichtig das Sondervotum von zumindest einem Wirtschaftsweisen ist – und es ist gut, dass Peter Bofinger hier widerspricht.“

„Wenn der öffentlichen Hand fortlaufend Steuereinnahmen entzogen werden, hat sie weniger Ressourcen zur Verfügung. Geld, dass so dringend gebraucht wird für Investitionen in bessere Bildung, für schnelleres Internet, für neue Straßen und Brücken, für den sozialen Wohnungsbau, den der Sachverständigenrat ja richtigerweise auch anmahnt“, so Körzell weiter.

Aus Sicht des DGB muss die öffentliche Hand selbst mehr Bauen und mindestens 100.000 neue Sozialwohnungen jährlich schaffen. „Wir brauchen beides – den Neubau bezahlbarer Wohnungen und eine handfeste Regulierung, die der Mietpreisabzocke einen Riegel vorschiebt“, so Körzell. „Dass die Wirtschaftsweisen die Mietpreisbremse ablehnen, ist absolut weltfremd.“

Dasselbe gelte für industriepolitische Eingriffe, die die marktgläubige Mehrheit des Sachverständigenrates ablehnt. Körzell: „Eine aktive Industriepolitik ist angesichts der Digitalisierung, der Globalisierung und der fortschreitenden Energiewende so wichtig wie selten zuvor. Nur so lässt sich der Strukturwandel auch sozial verträglich regeln.“

Sicherheit im Wandel –guter Sozialstaat und aktive Industriepolitik gehen Hand in Hand.

Bernd Westphal, wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion:

Die Reaktion auf die Veröffentlichung des Jahresgutachtens der Wirtschaftsweisen, das eine Absenkung des Wirtschaftswachstums prognostiziert, kann keine neoliberale sein. Ausgeschlossen sind für uns eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters und eine pauschale Senkung der Unternehmenssteuern. Wir werden nicht in einen Wettstreit mit den USA oder anderen Staaten darum treten, wer den Sozialstaat am stärksten abbaut und der öffentlichen Hand am meisten der dringend benötigten Investitionsmittel entzieht.

Westphal weiter:

„Wir wollen, dass sich die Menschen in unserem Land auf den Sozialstaat verlassen können. Deshalb schaffen wir in dieser Woche mit dem Rentenpakt einen Neustart für eine stabile Rente. Wir begrenzen den Rentenbeitrag auf höchstens 20 Prozent – vorerst bis zum Jahr 2025. Und wir garantieren ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent für die nächsten sieben Jahre. Damit wird die Entwicklung der Renten wieder stärker an die Lohn- und Gehaltsentwicklung gekoppelt.

Genauso müssen wir die Rahmenbedingungen für Unternehmen beständig verbessern. Außenwirtschaftliche Risiken sind in den letzten Jahren stetig angewachsen, die EU hat noch keine Klarheit über die Bedingungen des Brexit und geopolitische Herausforderungen kommen hinzu. Wir stimmen mit dem Sachverständigenrat in vielen Befunden zu diesen Themen und auch darin überein, mit einem modernen Einwanderungsgesetz den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Damit können wir die Demographielücke ein Stück weit bekämpfen und die Voraussetzungen für zukünftigen Wachstum schaffen.

Ausdrücklich bekennen wir uns, in einigen gezielten Ausnahmebereichen, zu einer aktiven Industriepolitik. Dort, wo die Unternehmen aus bestimmten Gründen das Risiko, wie etwa bei der Batteriezellenentwicklung, nicht tragen wollen oder können, sollte der Staat eingreifen, wenn es ein übergreifendes volkswirtschaftliches Interesse an dieser Entwicklung gibt.

Insoweit gibt es für uns Licht und Schatten in dem diesjährigen Gutachten, über das wir gern in einen vertieften Dialog mit den Wirtschaftsweisen treten möchten.“

 

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