Teilweise erfolgreiches Organstreitverfahren um Ablehnung von Beweisanträgen im „PUA II – Hackerangriff/Stabstelle“.

Die Mehrheit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „PUA II – Hackerangriff/Stabstelle“ hat Beweisanträge der Ausschussminderheit teilweise zu Unrecht abgelehnt. Das hat der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster mit einem heute – nach mündlicher Verhandlung am 16. Juni 2020 – verkündeten Urteil entschieden.

Der „PUA II – Hackerangriff/Stabstelle“ hat unter anderem den Auftrag, möglicherweise wahrheitswidrige Erklärungen der Landesregierung im Zusammenhang mit einem vermeintlichen „Hacker-Angriff“ auf die Staatsministerin a. D. Christina Schulze-Föcking aufzuklären. 

In der Ausschusssitzung am 10. Januar 2020 stellte die qualifizierte Minderheit bestehend aus den fünf stimmberechtigten Mitgliedern der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zwei Beweisanträge. Der Beweisantrag zu 1. betrifft in erster Linie die Herausgabe der dienstlichen Telefonverbindungsdaten zwischen dem Justizminister und dem für die Ermittlungen zuständigen Oberstaatsanwalt im Zeitraum vom 28. März bis zum 17. April 2018 sowie zwischen dem Justizminister und der Staatsministerin a. D. im Zeitraum vom 15. März bis zum 17. April 2018, gegebenenfalls nach einer vorherigen Abfrage bei den jeweiligen Providern. Hilfsweise sollen die Betroffenen dem Ausschussvorsitzenden ihre dienstlich genutzten Telefonnummern und die dazugehörigen Provider nennen. Der Beweisantrag zu 2. betrifft die weitere Sicherung der dienstlichen Telefonverbindungsdaten zwischen dem Justizminister, einem Staatssekretär, der Staatsministerin a. D. und dem zuständigen Oberstaatsanwalt für den Zeitraum vom 15. März 2018 bis zum 13. Juni 2018.

Die aus den Fraktionen von CDU und FDP bestehende Ausschussmehrheit lehnte die Anträge als unzulässig ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, die Anträge seien unbestimmt, gingen über den Untersuchungsgegenstand des Ausschusses hinaus und verstießen gegen das Fernmeldegeheimnis sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. 

Die Antragstellerin hat daraufhin vor dem Verfassungsgerichtshof ein Organstreitverfahren gegen die Ausschussmehrheit eingeleitet. Mit dem heute verkündeten Urteil hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass die Ablehnung der Beweisanträge durch die Ausschussmehrheit in Teilen das aus Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV folgende Recht der Ausschussminderheit auf Beweiserhebung verletzt hat. 

In ihrer mündlichen Urteilsbegründung führte die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Dr. Ricarda Brandts aus: 

Die Antragstellerin habe ein fortbestehendes Interesse an der gerichtlichen Klärung auch, soweit die Beweisanträge die Verbindungsdaten beträfen, deren Herausgabe oder weitere Sicherung der Justizminister mit Erklärung vom 10. Juni 2020 zugesagt habe. Zwischen den Beteiligten des Organstreitverfahrens seien die Rechtsfragen weiter streitig. 

Die Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof sei auf die von der Ausschussmehrheit angeführte Begründung beschränkt. Diese Begründung trage die Ablehnung der Beweisanträge nicht, soweit der Beweisantrag zu 1. auf die Herausgabe der im Herrschaftsbereich der betroffenen Amtsträger vorhandenen Verbindungsdaten sowie auf die „hilfsweise“ Benennung sämtlicher dienstlich genutzter Telefonnummern mit dazugehörigen Providern gerichtet sei und soweit der Beweisantrag zu 2. den Zeitraum vom 15. März bis zum 9. Mai 2018 betreffe. In diesem Umfang seien die Anträge hinreichend bestimmt und vom Untersuchungsgegenstand umfasst. Sie seien auch auf eine Beweiserhebung im Sinne des Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV gerichtet. Der Begriff der Beweiserhebung im Sinne des Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV sei weit zu verstehen. Er umfasse den gesamten Vorgang der Beweisverschaffung, Beweissicherung und Beweisauswertung. Gegenstand eines Herausgabeverlangens zur Beweisverschaffung durch den Untersuchungsausschuss könnten grundsätzlich alle sächlichen Beweismittel sein, die sich im Herrschaftsbereich des Adressaten befänden. Im Übrigen unterliege das Beweiserhebungsrecht Grenzen, die ihren Grund in der Verfassung haben müssten. Diese Grenzen könnten sich insbesondere aus den Grundrechten ergeben. Dies gelte grundsätzlich auch für Beweisanträge, die politische Amtsträgerinnen und Amtsträger oder Beamtinnen und Beamte beträfen. Sofern die Beweisanträge der Antragstellerin die Grundrechte der Betroffenen überhaupt berührten, seien die Eingriffe jedenfalls verhältnismäßig, weil sie allein auf die dienstliche Sphäre beschränkt blieben. 

Zu Recht abgelehnt habe die Ausschussmehrheit dagegen die mit dem Beweisantrag zu 1. angestrebte Verpflichtung der Adressaten, Verbindungsdaten, die ihnen selbst nicht mehr vorlägen, zunächst bei den Providern abzufragen. Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Herrschaftsbereich Dritter gehe über die von Art. 41 Abs. 1 Satz 2 LV erfasste Beweiserhebung hinaus. Ebenfalls zu Recht abgelehnt habe die Ausschussmehrheit den Beweisantrag zu 2., soweit er den Zeitraum nach dem 9. Mai 2018 betreffe. In diesem Umfang sei er nicht mehr vom Untersuchungsgegenstand – möglicherweise wahrheitswidrige Erklärungen der Landesregierung im Zusammenhang mit einem vermeintlichen „Hacker-Angriff“ auf Frau Staatsministerin a. D. Christina Schulze-Föcking aufzuklären – umfasst. Am 9. Mai 2018 hatte das Ministerium der Justiz vorangegangene Erklärungen über einen vermeintlichen „Hacker-Angriff“ nämlich bereits richtig gestellt. 

Artikel 41 Abs. 1 Satz 1 und 2 LV  Der Landtag hat das Recht und auf Antrag von einem Fünftel der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Diese Ausschüsse erheben in öffentlicher Verhandlung die Beweise, die sie oder die Antragsteller für erforderlich erachten. 

Aktenzeichen: VerfGH 6/20

Foto: Justizminister NRW Peter Biesenbach

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