Überzeugungstäter der Steuergerechtigkeit.

Der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) und der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Ralf Stegner referierten über Steuerfahnder, Steueroasen und Gerechtigkeitswüsten am „Roten Tisch“ in Berlin-Steglitz.

Wie steht es um die Steuergerechtigkeit in unserem Land? Müssen wir mehr Solidarität wagen, indem Menschen mit dem höchsten Einkommen und Vermögen mehr zum Gemeinwesen beitragen? Ist die Zeit reif für eine Finanztransaktionssteuer? Wie sollen Kapitaleinkünfte, Schenkungen, Erbschaften als Einkünfte besteuert werden? Was konnte in den letzten Jahren erreicht werden beim Schließen von Steuer-Schlupflöchern und Steuer-Hinterziehung?

Um dies – aber auch um die Berliner Schuldensituation – ging es beim gestrigen „Roten Tisch“ in der griechischen Gemeinde in Berlin-Steglitz, dem Wahlkreis des Berliner Finanzsenators Matthias Kollatz-Ahnen (SPD). Unterstützung erhielt der Sozialdemokrat – am 18. September wird in Berlin gewählt – von dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD, Ralf Stegner, der von 2003 bis 2005 auch Finanzminister in Schleswig-Holstein im Kabinett von Heide Simonis war.

Ralf Stegner, so hieß es – auch in der Vorankündigung der Veranstaltung im sozialen Netzwerk Facebook -, sei bekannt für seine klaren Worte. Auch beim Thema Steuergerechtigkeit nehme er kein Blatt vor den Mund: „Jeder Euro in Panama fehlt beim Kita-Essen!“, sei seine Devise.
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In Sachen Erbschaftssteuer könne man in wenigen Wochen mit einer Entscheidung über ihre Neufassung rechnen. Matthias Kollatz-Ahnen wird das Land Berlin im Vermittlungsausschuss bei der abschließenden Beratung um die Erbschaftssteuer vertreten. Das Bundesverfassungsgericht hat die vielfältigen Befreiungen, vielfach ohne Überprüfungen, als zu weitgehend bezeichnet. Kollatz-Ahnen zitierte frei aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Firmen würden zu großzügig von der Erbschaftssteuer verschont. Die CSU versuche nun über Bayern entgegen dem Willen des Bundesverfassungsgerichts mehr Befreiungen statt weniger durchzusetzen – gegen die SPD. Er – Kollatz-Ahnen – sei jedoch optimistisch, dass sich der auf Gerechtigkeit zielende Ansatz des Verfassungsgerichts durchsetzen werde.

Bei der von der stellvertretenden Vorsitzenden der SPD Steglitz-Zehlendorf, Franziska Drohsel, moderierten Veranstaltung kam zunächst der Gast aus Schleswig-Holstein zu Wort.

Dieser freute sich natürlich „hier zu sein“ und seinen Parteifreund „ein bisschen zu unterstützen“, was für ihn „aus vielerlei Gründen ein großes Vergnügen“ gewesen sei. Stegner bezeichnete sich sogleich als einen Überzeugungstäter in Sachen Steuergerechtigkeit. 2004, in seiner Zeit als Finanzminister in Schleswig-Holstein, habe er ein Steuerkonzept entwickelt, das „anders steuern, Gemeinwesen stärken“ hieß. Er habe sich gefreut, dass viele der dort formulierten Positionen, die eher Außenseiterpositionen gewesen wären, inzwischen Beschlusslage der SPD seien, „aber noch nicht in ‚Happigkeit'“. Zwar habe man in der Koalition mit der Union einiges durchgesetzt zu den Themen Arbeit, Rente, Gleichstellung und Mieten, aber noch nichts zum Thema Steuern. Dies habe an der CDU gelegen, die auf keinen Fall wollte, dass die Steuern erhöht werden, geschweige denn, dass Dinge über Steuern finanziert werden müssten, wie etwa die Mütterrente, die sinnvoll sei, nicht aber aus Beiträgen, sondern aus Steuermitteln finanziert werden müsste.

Stegner erwähnte aber auch ein Sündenregister der SPD, als es um die Mehrwertsteuer ging. So wurde in der Regierung auch mal gesagt, dass keine Mehrwertsteuer gewollt sei. Die CDU habe 2 Prozent gewollt, und nolens volens habe man sich auf 3 Prozent verständigt.

Stegner appellierte, dass Steuern dazu da seien, um den Staat handlungsfähig zu machen. Im Bildungsbereich fehle einiges. Wer aber Bildung wolle, müsse die Einnahmen stärken.

Stegner erinnerte an die verrottete Infrastruktur. Insgesamt machte er deutlich, dass für die vielfältigen Ausgaben Steuereinnahmen notwendig und unverzichtbar sind. Insbesondere müssten die Sozialsysteme so ausgestattet sein, dass die größten Ungerechtigkeiten vermieden werden. Für eine aktive Arbeitsmarktpolitik seien dann Steuern notwendig, um diese Politik auch durchzusetzen. Steuern seien, wenn es vernünftig gemacht werde, auch gerecht. Es könne aber keine Gerechtigkeit sein, wenn die höchsten Einkommen und Vermögen nicht stärker belastet werden.

Stegner nannte das deutsche Steuersystem das komplizierteste Steuersystem der Welt. Das sei für wohlhabende Leute eine gute Sache, die alles Mögliche tun können, um sich arm zu rechnen. Was ein normaler Arbeitnehmer nicht könne, dem würde das Geld einfach abgezogen.

Briefkastenfirmen kenne man zwar aus dem Fernsehen, aber die einzige Briefkastenfirma, die etwas tauge, sei die, die Briefkästen herstelle. Alles andere diene dazu, Geld vor dem Staat zu verschleiern, irgendwo zu parken, in sogenannten Steueroasen. Dieser Begriff sei jedoch ein Euphemismus, eigentlich müsste es „Gerechtigkeitswüsten“ heißen. Einen armen Staat könnten sich nur reiche Leute leisten. In den nächsten Bundestagswahlkampf, so Ralf Stegner abschließend, müsse mit dem Hinweis gegangen werden, dass dieses Gemeinwesen gestärkt wird und dass die mit den höchsten Einkommen mehr dazu beitragen.

Matthias Kollatz-Ahnen hatte den Part über die Berliner Situation übernommen. In Berlin sei es nicht selbstverständlich gewesen, dass man sich mit dem Thema der Steuereintreibung befasst. In den letzten beiden Jahren sei das jedoch ein bisschen anders geworden. So habe Berlin etwa die sogenannten Steuer-CD’s mitfinanziert, die zur Aufdeckung von Steuerflucht und –hinterziehung geführt haben. Er finde das auch persönlich richtig. Man habe dadurch gesehen, dass die Finanzämter stärkere Kundschaft bekomme. Durch die stärkere Steuerfahndung durch diese CD’s seien etwa 100 Millionen Euro pro Jahr mehr eingenommen worden. Im Gegensatz zu dem Haushaltsbudget von 25 Milliarden seien die 100 Millionen zwar ein geringer Teil, trotzdem könnten damit einige Dinge finanziert werden, die sonst nicht finanziert werden könnten. So könnten etwa Kindertagesstätten und Schulen gebaut werden.

Berlin habe trotz Konsolidierungen und Personaleinsparungen Bedarf an Steuerfahndern, womit, so Kollatz-Ahnen, bereits sein Vorgänger im Finanzsenat begonnen habe. Das würde auch fortgesetzt und mehr Steuerfahnder eingestellt werden. Die Finanzverwaltung soll durch Teilautomatisierung in der Lage sein, auch komplizierte und hinterhältigere Fälle der Steuerhinterziehung in den Griff zu kriegen. In Berlin würde es auch keine Steuervergünstigungen für Unternehmen geben, die sich hier ansiedeln wollen. Im Gegenteil, Berlin werde sich auch an Initiativen beteiligen, um das in Zukunft „auszutrocknen“. Eine Diskussion in Berlin ranke sich um das Thema Taxis. Im Kern gehe es darum, dass hier Aufzeichnungen gemacht werden. Wolfgang Schäuble fiele es schwer, sich vorzustellen, dass auf internationaler Ebene mehr Steueraufwand vorgenommen werden müsste. Es sei auch schwierig gewesen, Schäuble davon zu überzeugen, dass es auch im Bereich von Taxis und der Gastronomie Vorschriften von staatlichen Systemen bedürfe, die nicht manipulier sind. Nach zähem Ringen sei erreicht worden, dass es für die Gastronomie bestimmte Vorschriften gibt, im Bereich von Taxis soll das demnächst folgen.

Es bräuchte etwas, so Kollatz-Ahnen, was sich „Country-by-Country-Reporting“ nennt, damit bei Unternehmen, die Gewinne gemacht haben, herauszufinden ist, in welchem Land diese Gewinne gemacht wurden, um sie dann entsprechend der jeweiligen Länder steuerlich zu erfassen.

Auf die Berliner Schuldensituation bezogen sagte Kollatz-Ahnen, Schulden zurückzuzahlen sei immer gut, aber im Prinzip könne man aus Schulden ein Stück weit auch herauswachsen. Am Anfang der Wahlperiode sei der Schuldenstand um 3 Milliarden höher gewesen, als er es jetzt am Ende der Legislaturperiode sei. Das sei ein Erfolg. Von 63 Milliarden Schulden, seien 3 Milliarden getilgt worden, so dass der derzeitige Stand bei knapp 60 Milliarden liege.

Wichtiger aber sei es, dass es gelungen sei, in derselben Zeit in Berlin zu wachsen. Der Schuldenstand von Berlin habe am Anfang der Wahlperiode 57 Prozent des regionalen Bruttoinlandsprodukts ausgemacht, jetzt mache er nur noch 46 Prozent des BIP aus. Berlin müsste etwa auf 30 Prozent kommen, um ein normales Bundesland zu sein, das es dann auch mal aushält, wenn die Zinsen wieder stiegen. Schulden zurückzahlen, in der Kombination mit Wachstum, das sei der Pfad, den Berlin jetzt gehe. Und das stelle eine Änderung dar.

Nach den beiden Referaten von Matthias Kollatz-Ahnen und Ralf Stegner schloss sich eine etwa 90-minütige Diskussion mit dem Publikum an.

Dietmar Jochum, TP Pressagentur Berlin

Foto (von links nach rechts): Matthias Kollatz-Ahnen, Franziska Drohsel, Ralf Stegner

Bildquelle: TP Presseagentur Berlin/dj

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