„Ungleiche Löhne zwischen Ost und West nicht länger akzeptabel“.

Laut einer Umfrage von Infratest Dimap fühlen sich die meisten Bundesbürger 30 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht in erster Linie als West- oder Ostdeutsche, sondern vor allem als Deutsche. Dies gelte für 78 Prozent im Westteil, aber auch für 55 Prozent im Osten. 41 Prozent der Bürger zwischen Rügen und Erzgebirge verstehen sich dennoch vorrangig als Ostdeutsche.

Nicht durchgehend unterschiedlich fällt der vergleichende Blick auf die Bundesrepublik und die frühere DDR aus. Es überwiegt auch unter den Ostdeutschen der Eindruck, dass in Fragen der Meinungsfreiheit das wiedervereinigte Deutschland die besseren Verhältnisse bietet. Aber auch eine höhere Leistungsfähigkeit des heutigen Gesundheitssystems wird von den Ostdeutschen anerkannt. Eine Sichtweise, die im Zuge der Corona-Pandemie im Osten der Republik an Bedeutung gewonnen hat und einen höheren Stellenwert hat als noch vor einem Jahr.

Kaum verändert hat sich dagegen in den vergangenen Monaten der Blick auf den sozialen Zusammenhalt. Hier überwiegt im Osten nach wie vor bei drei Vierteln das Gefühl, die Bundesrepublik bliebe hinter der früheren DDR zurück. Verschieden bleibt 30 Jahre nach der Wiedervereinigung schließlich auch die Bewertung der bestehenden politischen Strukturen. So sind die Ostdeutschen weiterhin weniger zufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie in der Bundesrepublik.

TP-Gespräch mit Prof. Dr. Norbert Dittmar, FU Berlin, zu 30 Jahre Deutsche Einheit

Deutsche Befindlichkeiten nach Mauerfall und Wiedervereinigung in Audiofiles. Aufbereitet von Norbert Dittmar und Christine Paul:

https://m.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/301575/wendekorpus-eine-audio-zeitreise-in-die-deutsch-deutsche-vergangenheit

Politische Statements zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung.

Der Grüne Landesvorstand Bremen zum Unrechtsstaat DDR.

Am Freitag der vergangenen Woche wurde im Petitionsausschuss der Bremischen Bürgerschaft eine Petition abgewiesen, in der die Rot-Grün-Rote Landesregierung aufgefordert wurde, die DDR als »Unrechtsstaat« zu bezeichnen. Die Landessprecher*innen von Bündnis 90/Die Grünen, Alexandra Werwath und Florian Pfeffer, erklären hierzu:

„Am kommenden Samstag feiern wir den Tag der Deutschen Einheit und damit auch das Ende des Unrechtsregimes in der DDR. Es gab in der DDR keinen funktionierenden Rechtsstaat. Die Grenze zur BRD wurde mit einer Mauer und Selbstschussanlagen gegen die eigene Bevölkerung gesichert. An dieser Grenze sind bis 1989 790 Menschen ums Leben gekommen. Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (Stasi) hat systematisch die eigenen Bürger*innen ausspioniert. Unter den Folgen dieser staatlichen Überwachung und der daraus resultierenden Repressionen leiden viele Opfer noch heute. Die Regierung der DDR hat nicht nur gegen eigene Gesetze verstoßen, sondern in vielen Fällen auch die allgemeinen Menschenrechte verletzt.

Es gehört für uns zur Aufarbeitung der gemeinsamen deutschen Nachkriegsgeschichte, die DDR als das zu bezeichnen, was sie war: ein Unrechtsstaat. Diese Bezeichnung macht auch deutlich, dass wir uns mit den Opfern dieses Staates solidarisieren und anerkennen, dass vielen Menschen staatliches Unrecht angetan wurde.

Diese Feststellung verstehen wir nicht als Herabwürdigung der Lebensleistung der Deutschen, die mit ihren Freunden und Familien in der DDR gelebt und gearbeitet haben. Im Gegenteil. Es waren die Bürger*innen der DDR, die sich im Herbst 1989 dieses Systems entledigt haben. Wir haben großen Respekt vor der demokratischen und friedlichen Revolution der Menschen in Ost-Berlin, Leipzig, Dresden und vielen anderen Orten in der DDR. Wir empfinden bis heute diese Zivilcourage und Freiheitsliebe als große Inspiration für uns alle.“

„Trotzalledem ist der 03. Oktober auch ein Tag, an dem es viel zu feiern gibt“.

Katja Kipping und Bernd Riexinger, Vorsitzende der Partei DIE LINKE:

„Mit dem Fall der Mauer begann vor über drei Jahrzehnten ein Prozess, der die Einheit von Ost- und Westdeutschland anstrebt. Doch wir müssen auch im dreißigsten Jahr dieses Prozesses feststellen, dass es zwischen Ost und West noch zahlreiche Unterschiede gibt.

Besonders offensichtlich ist das in der Arbeitswelt. Die Löhne sind im Osten niedriger, die Erwerbslosigkeit höher. Auch ist die Armutsquote höher und die Vermögensunterschiede sind weiterhin groß. Die überwundene innerdeutsche Grenze bildet sich auf den sozialen Karten immer noch als Riss ab.

Es ist beschämend für alle bisherigen Bundesregierungen, dass bis heute keine wirkliche Lösung für die vielen Gruppen gefunden wurde, die bei der Rentenüberleitung vergessen bzw. benachteiligt wurden. Beispielhaft für die vielen Gruppen seien hier die in der DDR Geschiedenen oder die Bergleute in der Braunkohleveredelung genannt.

Dieses Feld der ökonomischen Ungleichheit ist eine politische Aufgabe. Den vergangenen Regierungen hat der Wille gefehlt, diese Ungleichheit anzugehen. Im Geiste der 1990er Jahre wurde für den Osten auf Niedriglohnsektor und schöne Marktplätze gesetzt, anstatt auf gemeinsames Lernen voneinander. Bis heute fehlt es an Anerkennung für die Lebensleistungen der Menschen im Osten. Viele wünschen sich zurecht mehr Respekt für die Leistungen derjenigen im Osten, die sich in der Nachwendezeit beruflich komplett neu orientieren mussten.

Zum gemeinsam voneinander Lernen gehören auch, positive Aspekte aus dem Osten bundesweit aufzugreifen. Beispielsweise die Selbstverständlichkeit, dass Frauen nicht mehr zwischen Kindern und Karriere wählen müssen. So liegen in den neuen Bundesländern die durchschnittlichen Erwerbsarbeitszeiten zwischen den Geschlechtern schon nahe beieinander. In dieser Hinsicht ist der Osten Vorreiter.

Trotzalledem ist der 03. Oktober auch ein Tag, an dem es viel zu feiern gibt. Auf der persönlichen Ebene haben Familien wieder zusammengefunden oder sich neue gefunden. Auf der gesellschaftlichen Ebene sehen wir, wie Beschäftigte in Ost und West heute gemeinsam dafür kämpfen, dass sich ihre Arbeitsbedingungen verbessern.

Die Deutsche Einheit bleibt ein Prozess, in den wir noch viel Arbeit stecken müssen, doch es ist auch einer, von dem wir heute schon profitieren.“

Von der Einheit weit entfernt!

Die zentralen Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der deutschen Einheit finden diesmal in Potsdam statt. Doch auch von hier aus ist es noch ein weiter Weg bis zu einer wirklichen Einheit des Landes, meinen die Landesvorsitzenden der LINKEN Brandenburg, Anja Mayer und Katharina Slanina.

„Auf vielen Gebieten fehlt noch viel zu einer wirklichen Einheit. Da wird gefeiert, dass 30 Jahre nach der Vereinigung und nach 40(!) Verfassungsrichterwahlen seit 1990 erstmals eine Frau aus den neuen Bundesländern ans höchste deutsche Gericht berufen wird. Und nur ca. 3% der Führungskräfte in Deutschland haben eine ostdeutsche Biografie, der Bevölkerungsanteil der Osteutschen liegt aber bei 17%. Das ist kein Grund zum Feiern! Stattdessen ist es an der Zeit, neben Aushängeschildern wie der ostdeutschen Kanzlerin dafür zu sorgen, dass ostdeutsche Kompetenzen, Sichten und Erfahrungen in den Verwaltungen des Bundes, der Länder und der Kommunen tatsächlich angemessen repräsentiert sind. Dazu vermisse ich echte Aktivitäten der Bundesregierung!“, erklärt Anja Mayer.

„Der Ostbeauftragte der Bundesregierung erklärte nun sogar, die Erreichung von 100% der Westeinkommen halte er für ein utopisches Ziel. Offenbar hat der Mann seine Aufgabe nicht verstanden. Es ist richtig, dass die Lohnlücke in den vergangenen zehn Jahren kaum kleiner geworden ist – und in einigen Bereichen, darunter dem öffentlichen Dienst, sogar wächst. Und in diesem Bereich trägt der Staat direkte Verantwortung und kann wohl auch keine Produktivitätsunterschiede geltend machen. 30 Jahre nach der Deutschen Einheit muss gleicher Lohn für gleiche Arbeit endlich eine Selbstverständlichkeit werden – im Rahmen der laufenden Tarifverhandlungen des Öffentlichen Dienstes besteht einmal mehr Gelegenheit dazu, den hehren Worten auch Taten folgen zu lassen.“, fordert Katharina Slanina.

Deutsche Einheit: Gleiche Löhne in Ost und West – das wäre gerecht.

Zum heutigen Tag der Deutschen Einheit erklären Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für ArbeitnehmerInnenrechte und aktive Arbeitsmarktpolitik, und Claudia Müller, Mittelstandsbeauftragte und Sprecherin der Landesgruppe Ost von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Die deutsch-deutsche Wiedervereinigung ist ein Glücksfall der Geschichte, den wir alle der Friedlichen Revolution und dem Mut der Menschen in der DDR verdanken. Sie sind für Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung auf die Straßen gegangen. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es neben vielen Erfolgen aber auch noch viele Unterschiede, in der Wirtschafskraft, in Lohn und Rente oder im ungleichen Zugang zu Führungspositionen. Hier bleiben die ostdeutschen Bundesländer hinter denen in Westdeutschland zurück.

30 Jahre nach der Wiedervereinigung sind ungleiche Löhne zwischen Ost und West nicht länger akzeptabel. Es ist schlicht nicht nachvollziehbar, wenn beispielsweise im öffentlichen Dienst im Osten für den gleichen Lohn noch immer länger gearbeitet werden muss als im Westen. Es darf nicht sein, dass selbst in Berlin Menschen unterschiedliche Stundenlöhne erhalten, je nachdem, ob sie in Mitte oder Wannsee arbeiten.

Die Lohnungleichheit zwischen Ost und West muss vollständig beseitigt werden. Dafür sind gerade im Osten flächendeckende Tarifverträge notwendig. Gleichzeitig muss auch die Mitbestimmung in Ostdeutschland besonders gestärkt werden, damit die Beschäftigten im Osten nicht immer alleine für gute Arbeitsbedingungen kämpfen müssen. Deshalb muss die Bundesregierung endlich ein Maßnahmenpaket auf den Weg bringen, mit die Tarifbindung und die Mitbestimmung gestärkt werden.“

Müller zum Tag der Deutschen Einheit.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, erklärt zum heutigen Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober:

„30 Jahre Deutsche Einheit sind Grund zum Feiern, auch und gerade in diesen Tagen. Nach drei Jahrzehnten Einheit gilt es, uns zu vergegenwärtigen, was der Inhalt der deutschen Einheit ist und was wir gemeinsam aufgebaut haben: ein friedliches, ungeteiltes und geeintes Land, das immer wieder erfolgreich neue Herausforderungen bewältigt und das sich als Demokratie und Rechtsstaat bewährt. Gemeinsam wollen wir in unserem Land dafür sorgen, dass es für alle, die in unserem Land leben und arbeiten, lebenswert ist und bleibt.“

Der Regierende weiter: „Wir wollen für das 21. Jahrhundert und für neue Generationen eine gute freie und demokratische Zukunft sichern. Dazu gehört ernsthafte und sorgfältige Auseinandersetzung mit unserer gemeinsamen Geschichte, mit dem, was wir erreicht haben, und auch dem, was noch erreicht werden muss. Es ist wichtig und richtig, unseren uns wichtigen Pluralismus gerade in der Erinnerungskultur zur Geltung zu bringen. Es gibt heute das freiheitliche und demokratische Deutschland, das sich an humanitären Werten orientiert, das Herausforderungen gemeinsam angeht und sich immer wieder auf den Weg macht, für die Menschen das Beste zu erreichen. Kraft und Kompetenz, auch die unseres Föderalismus, zeigen sich augenfällig und überzeugend in unserem gemeinsamen Umgang mit der Corona-Krise und mit den von ihr ausgehenden Ungewissheiten für die Zukunft von uns allen.“

Müller: „Aufgrund der Pandemie begehen wir den Tag der Deutschen Einheit 2020 auf neue Art und Weise. Unsere Brandenburger Gastgeber und Nachbarn, denen wir herzlich danken für die diesjährige Ausrichtung, haben dafür das passende Motto ‚Wir miteinander‘ gefunden. Unser Berlin als ‚Stadt der Freiheit‘ und in seiner Rolle als Hauptstadt steht in diesem Miteinander ganz besonders für die Einheit in Vielfalt, die unser Land und unsere Gesellschaft prägt. Das ist Alltag in unseren Berliner Bezirken. Das stellt Berlin deshalb in seinem Beitrag zur Potsdamer ‚EinheitsEXPO‘ in den Mittelpunkt seiner Präsentation. Toleranz, Vielfalt und Offenheit sind Werte, für die unsere Stadt nach außen und in der ganzen Welt steht, die wir aber auch nach innen leben. Sie sind Berliner Alltag, und diese Werte machen unsere Stadt anziehend und lebenswert.“

Der Regierende Bürgermeister empfing bereits am 2. Oktober die Berliner Bürgerdelegation für die zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Potsdam im Roten Rathaus und nimmt am Abend in der brandenburgischen Landeshauptstadt am „Präsidentenessen“ für die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder und für Vertreter der Bundesverfassungsorgane teil. Am Sonnabend, den 3. Oktober, ist Müller beim ökumenischen Gottesdienst in der Kirche St. Peter und Paul, nimmt am Festakt in der Metropolishalle teil und besucht die Ausstellung „EinheitsEXPO“ mit dem „Berlin-Cube“ im Neuen Lustgarten.

„Es gibt allen Grund für Dankbarkeit und Freude!“.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil wird heute in Brandenburg an den Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit teilnehmen. Aus diesem Anlass erklärt er:

 „30 Jahre Deutsche Einheit sind wirklich ein Grund zum Feiern! Wir können zurückblicken auf 30 Jahre Frieden, Freiheit und insgesamt gesehen stetig wachsenden Wohlstand – auch wenn es insbesondere bei den Lohnunterschieden noch viel zu tun gibt. Vor allem müssen wir auch weiterhin an der inneren Einheit arbeiten und mehr das Gemeinsame als das Trennende in den Vordergrund rücken.

Mit dem damals längsten Teil der deutsch-deutschen Grenze können gerade wir in Niedersachsen sehr dankbar sein für die friedliche Revolution der Bürgerinnen und Bürgern in der ehemaligen DDR. Daran sollten wir uns immer erinnern: Die Deutsche Einheit samt all ihrer positiven Folgen ist das Werk der Menschen in Ostdeutschland.

Heute sind vier ostdeutsche Bundesländer unsere Nachbarn und es gibt einen regen Austausch zwischen den Bürgerinnen und Bürgern. Der ehemalige Todesstreifen, auf dem viele Menschen beim Versuch der „Republikflucht“ ihr Leben verloren haben, befindet sich auf dem Weg zum ‚Grünen Band‘, dem größten Biotopverbund in Deutschland – ein ausdrucksvoller Beweis für die Veränderung in den letzten 30 Jahren.

Die Einheit ist zum 30. Jubiläum nicht vollendet, aber sie ist auf einem guten Weg, an dem Niedersachsen weiterhin aktiv und engagiert mitwirken wird. Es gibt allen Grund für Dankbarkeit und Freude!“

„Wir müssen wieder lernen, einander zuzuhören“.

Anlässlich des Tags der Deutschen Einheit am heutigen 3. Oktober erklärt der Vorsitzende der CDU Berlin, Kai Wegner:
 
„Der 3. Oktober ist ein Freudentag für Deutschland und Berlin. Seit 30 Jahren sind wir wieder vereint. Aus der geteilten Stadt Berlin wurde eine geeinte und weltoffene Metropole. Berlin ist das politische Zentrum Deutschlands und ein Sehnsuchtsort für alle freiheitsliebenden Menschen dieser Welt.
 
Am 3. Oktober erinnern wir uns voller Dankbarkeit an die hunderttausenden Menschen in Berlin und in der gesamten ehemaligen DDR, die mutig aufgestanden sind. Mit der Kerze in der Hand haben sie ein unterdrückerisches Regime zu Fall gebracht. Die Mauer wurde von Ost nach West niedergedrückt. Das mutige Aufbegehren der Ostdeutschen kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Mein Dank gilt zudem den Amerikanern sowie den Briten und Franzosen für ihr Vertrauen, ein wiedervereinigtes, größeres Deutschland in ihrer Mitte aufzunehmen. Auch Michail Gorbatschow sind wir zu bleibendem Dank verpflichtet. Und natürlich denken wir in diesen Tagen voller Dankbarkeit an Helmut Kohl. Der Kanzler der Einheit hat den Moment der Geschichte ergriffen und mit mutigen Entscheidungen die Einheit Deutschlands in einem vereinten Europa vorangetrieben.
 
Die Opfer der Teilung, die oft bis heute unter dem erlittenen Unrecht leiden, dürfen wir niemals vergessen. Die Aufarbeitung der SED-Verbrechen muss weitergehen. Der Unrechtsstaat DDR lehrt, dass die Werte, die uns so wichtig sind, alles andere als selbstverständlich sind. Deshalb müssen wir unsere Demokratie gegen alle alten und neuen Feinde verteidigen. Einigkeit und Recht und Freiheit sind ein Geschenk, das man sich verdienen muss, um es zu behalten.
 
Auf das bisher Erreichte bei der Vollendung der Einheit können wir gemeinsam stolz sein. Manches, was wir gemeinsam begonnen haben, ist noch nicht vollendet. Und manchmal sind auch neue Gräben hinzugekommen. Viele Menschen sind enttäuscht und haben sich von der Politik abgewandt. Diese Menschen möchte ich wieder von unserer Demokratie begeistern. Dazu gehört auch, unterschiedliche Lebensleistungen – in Ost und West – besser anzuerkennen und wertzuschätzen. Das geht nur mit respektvollem Dialog. Wir müssen wieder lernen, einander zuzuhören. Wir brauchen einen neuen Zusammenhalt. Auch das ist 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ein wichtiger Beitrag zur Vollendung der Deutschen Einheit.“

„30 Jahre Wiedervereinigung: Einheit heißt Vielfalt“.

Zum heutigen Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2020 erklären die Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus Antje Kapek und Silke Gebel:

„Vor 30 Jahren hat Berlin der Welt gezeigt, dass menschlicher Wille alles versetzen kann. Da wurde aus zwei Ländern wieder eins, aus zwei Städten ein Berlin. Die Voraussetzung dafür wurde am 9. November 1989 geschaffen. Die Mauer, die unsere Stadt und ihre Menschen so lange getrennt hat, ist nicht einfach gefallen. Sie wurde gestürzt von vielen mutigen Menschen. Ihnen allen gilt unser besonderer Dank.

Seitdem wächst Berlin zusammen. Und dennoch: Auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es noch immer soziale Unterschiede zwischen den ehemaligen Ost- und Westteilen, auch in Berlin. Die Lebensstandards in den neuen Bundesländern gleichen sich zwar an, liegen aber immer noch unter denen in den alten Ländern. Es gibt eine höhere Arbeitslosigkeit, mehr Armut und weiterhin eine mangelnde Repräsentation von Ostdeutschen in politischen Entscheidungspositionen. 30 Jahre Einheit sollte uns alle an das Versprechen erinnern, das wir damals geleistet haben. Dass alle Menschen in diesem Land und in dieser Stadt gleich gut leben können und dieselben Chancen haben. Dieses Versprechen muss Wirklichkeit werden.

Heute stehen wir erneut vor historischen Herausforderungen. Die Corona-Pandemie hat vermeintliche Sicherheiten zerstört, viele Menschen bangen um ihre Gesundheit und ihre wirtschaftliche Existenz. Aber wenn wir auf die Geschichte unserer Stadt zurückblicken, dann sind ich hoffnungsvoll. Wir Berlinerinnen und Berliner haben schon so viel überstanden. Aber es gelingt uns nur gemeinsam und in Solidarität miteinander. Jung und alt, Zugezogene und Ur-Berliner, Lichtenberg und Zehlendorf. Darin war Berlin immer gut. Wir heißen willkommen − ob am 10. November 1989 auf dem Kudamm oder in den vergangenen Jahren in den Unterkünften für Geflüchtete. Wir grenzen nicht aus, wir führen zusammen. Vereint in Vielfalt.

„Auch 30 Jahre nach der Deutschen Einheit noch viel Ungerechtigkeiten“.

Zum Tag der Deutschen Einheit erklärt die Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Simone Oldenburg:

„Unser Dank gilt den Frauen und Männern, die vor 30 Jahren für einen friedlichen Weg in die Deutsche Einheit auf die Straße gegangen sind. Sie haben die Mauer zum Einsturz gebracht, die nicht nur Familien und Leben trennte, sondern auch Hunderte Leben gekostet hat.

Niemand verkennt, dass sehr viel Geld in den Osten Deutschlands geflossen ist, um die Infrastruktur zu verbessern, den unermesslichen Sanierungsstau abzubauen, den Städten neuen Glanz zu verleihen. Und niemand verkennt, dass die DDR eine geschlossene Gesellschaft war mit durch nichts zu rechtfertigenden Einschränkungen in der Freiheit – der Reisefreiheit, Pressefreiheit und Meinungsfreiheit. Kein Staat darf versuchen, den freien Willen und die freie Entscheidung seiner Bürgerinnen und Bürger zu unterdrücken und zu verbieten.

Verkennen dürfen wir aber auch nicht, dass wir 30 Jahre nach diesem historischen Glücksfall noch immer genügend Unglück und Ungerechtigkeiten zu verzeichnen haben. Immer noch gibt es keine gleichen Löhne für gleichwertige Arbeit, nicht einmal im selben Unternehmen, keine gleichen Renten in Ost und West, gibt es keine gleichwertigen Lebensverhältnisse, gibt es keine wirtschaftliche Angleichung, gibt es viel zu wenige Ostdeutsche in Führungspositionen in Bundes-, aber auch in Landesbehörden.

Diese Realität ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Folge konkreten politischen Handelns. Nach dem Wüten der Treuhand hatte der Osten bei allen Entscheidungen, ob in Sport, Politik und Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft, stets das Nachsehen. Damit muss endlich Schluss sein. Es ist eine Gesamtstrategie erforderlich, die Ostdeutschland nicht weiter benachteiligt und abhängt. Dazu gehören u.a. die Angleichung der Löhne und Renten, spürbare Investitionen in Bildung und Forschung, die Ansiedlung von Behörden und Unternehmen. Bleiben wir uns der historischen Dimension der Deutschen Einheit bewusst und sorgen wir auch mit ‚Runden Tischen‘ dafür, dass nicht über die Menschen bestimmt und entschieden wird, sondern mit ihnen – damit das Leben eines zufällig im Osten Geborenen nicht länger schlechter bewertet wird als das eines zufällig im Westen Geborenen.“

Fotoquelle: Jörg Carstensen/brandenburg.de

Video: TP Presseagentur Berlin

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