Urteil des Zivilgerichts in einem Verfahren wegen Mietminderung wegen Abriss eines Weltkriegsbunkers.

Das Amtsgericht Hannover hat am 26.11.2020 durch den Richter am Amtsgericht Carsten Knepper eine hannoversche Grundbesitz Gesellschaft zur Zahlung von 777,60 € verurteilt.

Mit der Klage verlangte ein ehemaliger Mieter einer Wohnung in der Voltmerstraße im Stadtteil Hainholz die Rückzahlung restlicher geleisteter Mietsicherheit.

Zwischen den Parteien bestand ein Wohnraummietvertrag über eine Wohnung im Stadtteil Hainholz, das der Kläger mit zwei Mitbewohnern von den Beklagten gemietet hatte. Die Mitbewohner haben sämtliche Ansprüche aus dem Mietverhältnis an den Kläger abgetreten.

Die Miete betrug zuletzt 855,00 € pro Monat. Das Mietverhältnis endete zum 31.03.2020. Die Mieter hatten bei Beginn des Mietverhältnisses eine Mietsicherheit in Höhe von 2.070 € gezahlt. Die Beklagten behielten von der Mietsicherheit u. a. 777,60 €  ein, die nunmehr streitgegenständlich sind. Um diesen Betrag (monatlich 153,90 €, entspricht 18 %) hatten die Mieter die Miete im Zeitraum Oktober 2019 bis Februar 2020 gemindert.

Der Kläger ist der Auffassung, er habe die Miete zurecht gemindert und daher Anspruch auf Auszahlung auch der restlichen Kaution in Höhe von 777,60 €.

Er behauptet hierzu, auf dem direkten Nachbargrundstück sei im Zeitraum Oktober 2019 bis Februar 2020 der Abriss eines Bunkers aus dem zweiten Weltkrieg erfolgt. Dies sei mit erheblichen Lärm- und Schmutzbelästigungen verbunden gewesen. So habe es aufgrund der Baustelle Sprengungen gegeben, es sei mit schwerem Gerät wie Abrissbirne, Baggern, LKWs etc. gearbeitet worden. Die Arbeiten hätten im fraglichen Zeitraum montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr stattgefunden. Der Lärmpegel habe ständig auch bei geschlossenen Fenster über 50 dB gelegen. Das Haus habe „gewackelt und gebebt“. Der Kläger, der u. a. im Nachtdienst tätig gewesen sei, habe tagsüber nicht schlafen können.

Die Beklagten bestreiten die vom Kläger behaupteten Beeinträchtigungen der Mietsache. Im Übrigen seien Baumaßnahmen üblich und in Anbetracht der städtischen Entwicklungssituation vorhersehbar und üblich.

Das Gericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution in der geltend gemachten Höhe aus §§ 535, 551 BGB i. V. m. dem beendeten Mietverhältnis.

Denn der Kläger hatte die Miete für die streitgegenständliche Wohnung im Zeitraum Oktober 2019 bis Februar 2020 zurecht um monatlich 153,90 € (= 18 % der Warmmiete) gemindert, die Wohnung war – mindestens – im genannten Zeitraum mit einem Mangel i. S. d. § 536 BGB behaftet.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass im genannten Zeitraum in unmittelbarer Nachbarschaft der Wohnung Abrissarbeiten an einem auf dem direkten Nachbargrundstück gelegenen Weltkriegsbunker durchgeführt worden sind, die mit ganz erheblichen Lärm- und Schmutzbeeinträchtigungen verbunden waren, die die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung erheblich beeinträchtigt haben.

Auf einem Video ist danach ersichtlich, dass die auf dem Nachbargrundstück durchgeführten Arbeiten mit lauten Klopf-, Ratter-, und Knallgeräuschen verbunden waren, die auch durch die geschlossenen Fenster noch als äußerst störend wahrzunehmen waren. Auch die durch die Bauarbeiten hervorgerufenen Erschütterungen in der Wohnung sind durch die Aufnahmen der Wasseroberfläche gut zu erkennen.

Das Gericht hat hierbei berücksichtigt, dass das Video zusammengeschnittene Momentaufnahmen enthält und daher den Beweis für eine durchgängige Baustellentätigkeit nicht vollständig erbringen kann. Jedoch war der Baufortschritt anhand der eingeblendeten Zeitstempel zu erkennen. Es ergibt sich danach zwanglos, dass auch in der – im Video nicht gezeigten – Zwischenzeit entsprechende Abrisstätigkeit erfolgt sein muss, da sich der Zustand des Restbunkers entsprechend verändert.

Zusammen mit den Aussagen der vernommenen Zeugen ergibt sich nach Überzeugung des Gerichts ein stimmiges, nachvollziehbares Bild der Baustellentätigkeit, die montags bis freitags zwischen 9 und 17 Uhr stattgefunden hat.

Das Gericht hat zudem im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berücksichtigt, dass bei Innenstadtlagen vorübergehende erhöhte Verkehrslärmbelästigung bspw. aufgrund von Straßenbauarbeiten dann keinen Mangel darstellt, wenn sie sich innerhalb der üblichen Grenzen hält (BGH NJW 2013, 680). Allerdings handelt es sich bei den hier festgestellten Beeinträchtigungen keineswegs mehr um „übliche Grenzen“.

So hat das Amtsgericht Hamburg beispielsweise festgestellt, dass ein Mietminderungsanspruch (hier: in Höhe von 60 %) gerechtfertigt sein kann, wenn die Baumaßnahmen einen grundlegenden Eingriff in die Bausubstanz darstellen (hier: Abriss des Dachstuhls und Ausbau des Dachgeschosses unter Zuhilfenahme eines Kranes und eines Außengerüstes) und mit schwerwiegenden Geräusch- und Lärmbelästigungen verbunden sind (AG Hamburg, Urteil vom 16. Januar 1987 – 44 C 1605/86 -, juris). Zwar ist vorliegend kein Eingriff in die Bausubstanz des vom Kläger bewohnten Haus gegeben, die Lärmbelästigung dürfte jedoch ähnlich sein. Auch die zu erwartenden Erschütterungen sind vergleichbar.

Dies gilt auch dann, wenn – wie die Beklagte meint – solche Arbeiten vorhersehbar sind: Der Mieter einer in einem Neubauviertel gelegenen Wohnung ist zur Minderung berechtigt, wenn der Baulärm in unmittelbarer Nachbarschaft den Rahmen des Üblichen übersteigt (hier: 25 %).  (AG Darmstadt, Urteil vom 03. Mai 1982 – 39 C 1706/81 -, juris). Wenn dies sogar in einem Neubauviertel gilt, muss dies in einem vollbebauten innenstädtischen Bereich erst recht gelten.

Die Beklagte hat im Übrigen versäumt substantiiert vorzutragen, inwieweit die konkrete Baumaßnahme bei Abschluss des Mietverhältnisses vorhersehbar gewesen sein sollte. Im Vergleich zu einem (vom Amtsgericht Darmstadt abgeurteilten) Neubaugebiet erschließt sich die Notwendigkeit solch erheblicher Bautätigkeit wie hier festgestellt gerade nicht in einer bereits vollständig bebauten Nachbarschaft.

Soweit die Beklagten zudem auf die Entscheidung des BGH vom 29.04.2020 abstellen (VIII ZR 31/18), so gilt hiernach:

Nach Abschluss des Mietvertrags eintretende erhöhte Geräusch- und Schmutzimmissionen begründen, auch wenn sie von einer auf einem Nachbargrundstück eines Dritten betriebenen Baustelle (hier: zur Errichtung eines Neubaus in einer Baulücke) herrühren, bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB hinnehmen muss (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 29. April 2015 – VIII ZR 197/14, BGHZ 205, 177 Rn. 35, 39 ff. mwN).(Rn.22).

Beruft sich der Vermieter gegenüber dem Wohnungsmieter darauf, Ansprüche nach § 906 BGB gegen den Verursacher nicht zu haben, hat er diejenigen, dem Verhältnis zwischen ihm und dem Verursacher – und damit dem Verantwortungsbereich des Vermieters – entstammenden Tatsachen, seien sie personen- oder grundstücksbezogen, vorzubringen und im Falle des Bestreitens zu beweisen, die in Anbetracht des bis dahin festgestellten Sachverhalts – auch unter Beachtung der im Verhältnis zum Verursacher geltenden Beweislastverteilung – dazu führen, dass weder Abwehr- noch Entschädigungsansprüche bestehen.(Rn.91).

Anders, als die Beklagten meinen, hat der BGH also gerade nicht Miet-Minderungsansprüche grundsätzlich abgelehnt, wenn Bautätigkeit Lärm- und Schmutzemissionen verursacht, sondern nur dann, wenn der Eigentümer selbst zur entschädigungslosen Duldung derselben verpflichtet ist, wobei den Eigentümer hierfür die Darlegungs- und Beweislast trifft.

Die Beklagten haben jedoch keinerlei hinreichenden Vortrag dazu gehalten, in welchem Verhältnis zwischen ihnen und dem Baustellenbetreiber Tatsachen dazu geführt hätten, dass keine Abwehr- und Entschädigungsansprüche gegen diesen bestünden. Vielmehr haben die Beklagten noch nicht einmal den Baustellenbetreiber genannt! Der allgemeine Vortrag, es müssten aus städtebaulicher Entwicklung solche Baustellen geduldet werden, genügt hierfür nicht, denn gerade im Falle einer Duldungspflicht besteht ja die Entschädigungspflicht des Verursachers aus § 906 Abs. 2 BGB. Welche Schritte die Beklagten unternommen haben, um solche Entschädigungsansprüche gegen den Baustellenbetreiber geltend zu machen, verschweigen sie.

Das Gericht hält nach alledem in Anbetracht der ganz erheblichen Lärmbeeinträchtigungen im genannten Zeitraum einen Minderungsanspruch von 50 % für angemessen in den streitgegenständlichen Monaten mit Ausnahme des Dezembers, in dem – wie auch der Kläger einräumt – zwischen Weihnachten und Neujahr eine Baustellenpause herrschte. Im Dezember hält das Gericht daher eine Minderung von 30 % für angemessen. Da die Kläger sich jedoch für alle Monate auf 18 % beschränkt haben, war einerseits mehr nicht auszuurteilen („ne ultra petita“, § 308 ZPO), andererseits der Klage vollumfänglich stattzugeben.

Az. 468 C 3906/20

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