Venezuela – Die Bundesregierung sollte die UNASUR um Vermittlung bitten!

Zu der Krise in Venezuela erklärt Hans-Christian Ströbele, stellv. Mitglied im Auswärtigen Ausschuss von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Angesichts der dramatischen Verschärfung der Krise und der Eskalation der Gewalt in Venezuela sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass eine unabhängige, von allen Seiten respektierte internationale Organisation vermittelt. Dies könnte die Union Südamerikanischer Staaten (UNASUR) sein. In ihrem „Lateinamerika- und Karibikkonzept“ von 2010 hatte sich die Bundesregierung u.a. dazu verpflichtet, UNASUR dabei zu unterstützen, regionale Integration zu fördern. Sie sollte jetzt den Worten Taten folgen lassen und konkret Unterstützung anbieten.

Die Eskalation der Gewalt in Venezuela muss gestoppt werden. Die Regierung in Venezuela muss das Recht, friedlich und frei auf der Straße ohne Risiko für Leib und Leben zu protestieren und zu demonstrieren, wiederherstellen und garantieren. Politische Auseinandersetzungen ohne Todesopfer und Verletzte müssen wieder möglich sein. Die Gewaltexzesse müssen unabhängig aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Die überharten Reaktionen der venezolanischen Regierung und Sicherheitskräfte auf die seit Wochen anhaltenden Proteste im Land sind unverhältnismäßig und scharf zu verurteilen.

Der Versuch des Obersten Gerichtshofes Venezuelas, alle Entscheidungen des Parlaments für nichtig zu erklären und die Immunität der Abgeordneten aufzuheben, war ein schwerer Verstoß gegen demokratische Grundsätze und ist auch zu verurteilen. Die Entscheidungen waren in gröbster Weise überzogen und völlig inakzeptabel. Sie haben zur Verschärfung der Krise beigetragen. Die Rechte der Parlamentarierinnen und Parlamentarier in Venezuela dürfen nicht beschnitten werden.“

https://amerika21.de/2017/04/174720/venezuela-deutsche-bank-gold?pk_campaign=newsletter%26pk_kwd=weekly

Eine Antwort

  1. Seit dem 4. April haben Angehörige der Opposition gezielte Akte der Gewalt, des Vandalismus und der Brandstiftung durchgeführt, außerdem absichtlich Zusammenstöße mit Sicherheitskräften mit der Absicht provoziert, das Land in totales Chaos zu stürzen und die gewählte sozialistische Regierung zu beseitigen. Es ist die Fortsetzung einer seit 18 Jahren andauernden Bemühung, die Bolivarische Revolution mit allen Mittel zu Fall zu bringen – auch wenn Sie dies in den Mainstreammedien auf wundersamerweise Weise in einen „Einsatz für die Rückkehr zur Demokratie“ umgestaltet gesehen haben.

    Die Bilanz der Gewalt in den vergangenen 18 Tagen ist schockierend: Schulen wurden geplündert, ein Gebäude des Obersten Gerichtshofes in Brand gesetzt, ein Luftwaffenstützpunkt angegriffen, während zugleich der öffentliche Nahverkehr sowie Gesundheits- und tierärztliche Einrichtungen zerstört wurden. Mindestens 23 Menschen starben, viele mehr wurden verletzt. In einem der erschütterndsten Fälle rechter Gewalt musste die Regierung am 20. April um zirka 22 Uhr Kinder, Frauen und mehr als 50 neugeborene Babys aus einer staatlichen Geburtsklinik evakuieren, die Ziel einer Attacke oppositionelle Banden geworden war.

    Wäre all dies an einem beliebigen anderen Ort auf der Welt passiert, hätte es entsetzte internationale und nationale Aufrufe zu einem Ende der Gewalt und zur raschen Bestrafung der Verantwortlichen hervorgerufen – was es nur umso skandalöser macht, dass diese Vorfälle bestenfalls ignoriert und schlimmstenfalls von der internationalen Presse völlig falsch dargestellt worden sind. Stattdessen haben sich diejenigen, die mit der Bereitstellung einer unvoreingenommenen Berichterstattung über internationale Angelegenheiten für die Öffentlichkeit beauftragt sind, entschieden, die Behauptungen der venezolanischen Opposition unkritisch nachzuplappern, dass die gewählte Regierung friedliche Proteste gewaltsam unterdrückt und sie für alle Toten im Zusammenhang der bisherigen Demonstrationen verantwortlich gemacht.

    Diese Darstellung kann nicht im entferntesten als genaue Interpretation der Tatsachen beschrieben werden, und daher ist es wichtig, den Sachverhalt richtigzustellen.

    – Bis heute1 sind drei Menschen (zwei Protestteilnehmer, ein Unbeteiligter) von Angehörigen der staatlichen Sicherheitskräfte getötet worden, die sofort verhaftet und in zwei Fällen bereits angeklagt wurden.

    – Fünf weitere Personen wurden unmittelbar von oppositionellen Protestteilnehmern getötet; ein Mensch starb infolge von Straßenbarrikaden in Caracas (Ricardo González, 89 Jahre alt, erlitt einen Schlaganfall und wurde daran gehindert, ins Krankenhaus zu gelangen)

    – Fünf Personen wurden in der Nähe von Protesten unter bislang ungeklärten Umständen getötet. Eines der Opfer wurde mutmaßlich von einem Oppositionsanhänger aus einem Hochhaus heraus erschossen, seine politische Zugehörigkeit wurde jedoch noch nicht bestätigt.

    – Neun Protestierende starben offenbar infolge ihrer eigenen Aktionen, sie wurden bei der Plünderung einer Bäckerei durch Stromschlag getötet

    Ein flüchtiger Blick auf die Realität enthüllt, dass die Regierung ganz klar nicht für die Mehrzahl dieser Todesfälle verantwortlich ist. Wie auch immer, um eine kürzliche Bemerkung des venezolanischen Autors Jose Roberto Duque zu zitieren, „Die Wahrheit ist plötzlich nutzlos geworden“.

    Die Medien haben es versäumt, all zu sehr in die Details um die genauen Umstände dieser Todesfälle zu gehen; eben weil die Wahrheit ein ernsthaftes Hindernis darstellt für ihre Erzählweise, dass all diese Leute bei friedlichen Protesten für die Demokratie in den repressiven Händen des autoritären Regimes getötet wurden. Diese Darstellung ist nicht nur allzu vereinfacht; sie verzerrt die Realität grundlegend und informiert das internationale Publikum falsch.

    Nehmen Sie zum Beispiel diesen absichtlich irreführenden Absatz aus einem Artikel von Nicholas Casey, dem aktuellsten Propaganda-Schreiber für die Opposition bei der New York Times:

    „Protestierende, die Wahlen und eine Rückkehr zur Demokratie fordern, füllten am Mittwoch die Straßen von Caracas und anderen venezolanischen Städten. Truppen der Nationalgarde und regierungsnahe Milizen schlugen Menschenmassen mit Tränengas, Gummigeschossen und anderen Waffen zurück und mindestens drei Menschen wurden laut Menschenrechtsgruppen und Medienberichten getötet.“

    Casey entschied sich, die Tatsache außer acht zu lassen, dass keiner dieser drei Toten bislang den Sicherheitskräften zugeschrieben wurde und dass eines der Opfer ein Nationalgardist ist, der von Protestierenden selbst umgebracht wurde. Darüber hinaus sind diejenigen, die von „Tränengas und Gummigeschossen“ betroffen sind, nicht ganz die „friedlichen Protestierenden“, wie er so unaufrichtig andeutet. Jeder konnte am 19. April, als sowohl die Opposition wie auch Regierungsanhänger demonstrierten, im Osten der Stadt sehen, wie Oppositionelle sich völlig frei auf dem Plaza Francia in Altamira versammelten, Anti-Regierungs-T-Shirts und Kappen sowie Eiskrem kauften und auf der Stadtautobahn demonstrieren konnten, die den Osten mit dem Westen der Stadt verbindet.

    Polizeiliche „Repression“ geschah in zwei speziellen Situationen. Erstens, als oppositionelle Banden brennende Barrikaden aufgebaut hatten und gewaltsame Aktionen des Vandalismus auf den Straßen begingen, einschließlich Angriffe auf öffentliche Einrichtungen – Aktionen, die bewusst darauf abzielten, Zusammenstöße mit Sicherheitskräften zu provozieren, die als Foto-Trophäen geeignet sind. Zweitens, wenn die oppositionellen Demonstranten versuchten, die Polizei-Linie zu durchbrechen, die sie davon abhielt, in das Arbeiterviertel El Libertador im Westen der Stadt zu gelangen – wo die Unterstützung für die Regierung traditonell konzentriert ist. Auch diese Aktion ist ein absichtlicher Versuch seitens der Opposition, Zusammenstöße mit Sicherheitskräften zu provozieren. Sie wissen genau, dass sie seit dem kurzlebigen, von der Opposition angeführten Putsch im Jahr 2002 keine Genehmigung mehr bekommen, in El Libertador zu demonstrieren. Dieser Putsch war durch eine Anti-Regierungsdemonstration ausgelöst worden, die zum Präsidentenpalast Miraflores im Westen der Stadt führen sollte und 19 Tote durch oppositionelle Scharfschützen hinterließ.

    Es ist schwer vorstellbar, dass die Polizei im Rest der Welt auf solche Gewaltaktionen nicht ähnlich geantwortet hätte, oder sogar noch gewaltsamer. Ich kann mir nur vorstellen, was passieren würde, wenn bewaffnete und gewalttätige Protestierende ständig versuchen würden, zum Weißen Haus in Washington oder zur Downing Street Nr. 10 in London zu marschieren. Was, wenn sie Polizeiketten vor dem Weißen Haus attackierten oder Krankenhäuser angreifen und Geschäfte in London plündern würden? Sie hätten nicht nur keine Erlaubnis weiterzumachen sondern würden sehr wahrscheinlich erschossen oder landeten unter der Anti-Terror-Gesetzgebung für sehr lange Zeit im Gefängnis. Aber in Venezuela kann sich die Opposition auf ihren Blankoscheck von der Mainstreampresse ebenso verlassen wie darauf, dass sie aus dem Gefängnis kommt.

    Unnötig zu erwähnen, dass Details der undemokratischen Aktionen von Oppositionsführern und ihren Anhängern – angefangen bei den jüngsten Angriffen bis zur Unterstützung eines gewaltsamen Putsches im Jahr 2002 – in fast allen Berichterstattungen ganz offensichtlich fehlen. Und dies trotz der Tatsache, dass die aktuellen Führer der Opposition – Julio Borges, Henrique Capriles Radonski, Henry Ramos Allup und Leopoldo López – aktiv am Staatsstreich 2002 beteiligt waren.

    Oben erwähnter Artikel von Casey ist beispielhaft für den Versuch, die Öffentlichkeit über die grundlegende Dynamik in Venezuela irrezuführen. Leider ist dies kein Einzelfall. Der britische Guardian versorgte seine Leser zum Beispiel mit einer Bildergalerie vom Oppositionsmarsch und „daraus folgender Gewalt“ am 19. April, versäumte es aber anzuerkennen, dass an dem Tag auch eine Pro-Regierungsdemonstration von ähnlicher Größe, wenn nicht größer stattfand. Sie wischten einfach die Aktionen von hunderttausenden, wenn nicht Millionen Menschen weg. Egal ob man BBC, Washington Post, CNN oder irgendein anderes Medienunternehmen überprüft, man wird den gleichen, einheitlichen Konsens in ihrer Venezuela-Berichterstattung finden. Es gibt keine anderen Worte, um diesen Zustand zu beschreiben als: totale Medien-Blockade.

    Das letzte Mal erlebte das Land derartige Spannungen im Jahr 2014, als Angehörige der Opposition wieder ohne Erfolg versuchten den „Abgang“ von Präsident Nicolás Maduro unter Einsatz ähnlicher Taktiken zu erzwingen, was zum Tod von 43 Menschen führte. Die Mehrheit dieser Opfer waren unschuldige Passanten, die von der Gewalt getroffen wurden, oder von staatlichen Sicherheitskräften, denen die irgendwie unmögliche Aufgabe auferlegt war (genau wie heute), irgendwie darauf zu verzichten, mit Gewalt auf Menschen zu antworten, die bewusst versuchen, sie zu provozieren, zu verstümmeln und zu töten.

    Während die Proteste im Jahr 2014 gewaltsamen Unruhen unter Führung der rechtsgerichteten Studentenbewegung des Landes folgten, begannen sie dieses Jahr Anfang April, nachdem der Oberste Gerichtshof entschieden hatte, temporär Kompetenzen des Parlaments an sich zu ziehen. Das Urteil war die Antwort auf die seit sechs Monaten andauernde „Missachtung des Gerichts“, nachdem die Opposition sich entgegen einer Anweisung des Gerichtshofes geweigert hatte, drei ihrer Abgeordneten zurückzuziehen, gegen die wegen Wahlbetruges ermittelt wird. Das ist der aktuellen Rechtssache ganz ähnlich, die gegen 30 konservative Parlamentsmitglieder in Großbritannien anhängig ist. Der einzige Unterschied in Venezuela ist, dass diese Abgeordneten von ihrer Vereidigung im Parlament bis zum Abschluss der Untersuchungen ausgeschlossen wurden.

    Die Opposition schlug sofort auf das Urteil ein und erklärte es zu einem versuchten „Putsch“ durch die Regierung, der aus dem Nichts kam. Die Medien verschlangen diese Version geradezu. Obwohl die Entscheidung fast sofort zurückgenommen wurde, ging die Opposition auf die Straße und prangerte einen „Bruch der verfassungsmäßigen Ordnung“ an.

    Dies verwandelte sich bald in ein Mischmasch aus Ultimaten, welche die Agenda der Opposition bestimmten, seit sie im Dezember 2015 die Kontrolle über die Nationalversammlung gewonnen hat (einen der fünf Zweige des venezolanischen Regierungssystems) und versprach, die Regierung „innerhalb von sechs Monaten“ aus dem Amt zu bringen – etwas, das nicht in der Macht der Legislative Venezuelas liegt. Diese Forderungen beinhalten die Freilassung von Gefangenen, die sie als „politische“ bezeichnen, die Öffnung eines „humanitären Kanals“ um internationale Hilfe zu empfangen und, am wichtigsten, sofortige regionale und allgemeine Wahlen. Die Straßenproteste boten eine einmalige Gelegenheit für die Opposition, die unter stetig nachlassende Popularität litt, nachdem sie ein ganzes Jahr lang ihre gesetzgebende Mehrheit im Parlament vergeudet hatte.

    Offensichtlich ist die langfristige Strategie nicht die Stärke der Opposition. Die Geschichte bezeugt die Tatsache, dass sie dazu neigen, den größtmöglichen Schaden in der kürzest möglichen Zeit anzurichten, egal zu welchem Preis. Dies bringt uns zur Antwort auf die Frage, warum diese Gewalt, die in den vergangenen 18 Jahren mehrmals von der venezolanischen Opposition eingesetzt wurde, in diesem Moment erneut geschieht. Wenn die Regierung so unpopulär ist, wie die Opposition behauptet, warum dann nicht einfach auf die Präsidentschaftswahlen 2018 und ihre Glanzzeit warten?

    An diesem Punkt sollte klar sein, dass das einzige Ziel der Opposition, weit davon entfernt, eine „Rückkehr“ zur Demokratie zu befördern, darin besteht, über sie weg zu gehen. Sie wollen die gewählte Regierung ein Jahr vor den regulären Wahlen absetzen. Aber dabei wollen sie nicht stehen bleiben. Wie ein oppositioneller Demonstrant am Mittwoch zu mir sagte: „Pack deine Sachen zusammen, Maduro, denn du gehst ins Gefängnis!“ Das Ziel der Opposition ist die völlige Vernichtung des Chavismus.

    Trotz der vielen Mängel und Fehler der Regierung unter Nicolás Maduro in den vergangenen vier Jahren haben progressive Menschen rund um den Globus die Pflicht, sie gegen den Angriff der Opposition und die internationale Medien-Blockade zu verteidigen. Die Alternative ist der selbe brutale Neoliberalismus – derzeit gnadenlos entfesselt von der nicht gewählten Regierung Brasiliens – der zuvor in den 1980er und 1990er den Kontigent ausgepresst hat.

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