BGH-Beschluss vom 15. Januar 2025 – 5 StR 434/24.
Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revision des Angeklagten und die – zu seinen Gunsten eingelegte – Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 14. Februar 2024 aufgehoben.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes und sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und bestimmt, dass vier Monate der verhängten Freiheitsstrafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten.
Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte, der zu dieser Zeit Staatsanwalt in Lübeck war und sich sowohl beruflich als auch in seiner Ehe erheblich belastet fühlte, in einer Nacht im März 2019 sexuelle Handlungen an seinem damals achtjährigen Sohn vorgenommen. Ein im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft eingeholtes Sachverständigengutachten war zunächst zu dem Ergebnis gekommen, dass der Angeklagte die Tat im Zustand der Sexsomnie – einer Form des Schlafwandelns mit sexuellem Verhalten – begangen habe und deswegen schuldunfähig gewesen sei. Demgegenüber ist das Landgericht auf der Grundlage eines späteren Gutachtens eines anderen Sachverständigen und der Würdigung von Zeugenangaben zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte im Tatzeitpunkt unter keiner krankhaften seelischen Störung gelitten habe und deshalb seine Schuldfähigkeit weder aufgehoben noch erheblich eingeschränkt gewesen sei. Insbesondere habe er die Tat nicht während einer sexsomnischen Episode begangen, gegen deren Vorliegen spreche, dass es kein sexsomnisch zu deutendes Verhalten des Angeklagten in seiner Ehe oder früheren Beziehungen gegeben habe. Dieser Einschätzung hat sich der erste Sachverständige letztlich angeschlossen.
Der Angeklagte hat sich mit der Sachrüge und Verfahrensbeanstandungen gegen seine Verurteilung gewandt. Die Staatsanwaltschaft hat mit ihrer zu seinen Gunsten eingelegten und auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revision ebenfalls die Verurteilung des Angeklagten beanstandet. Der Generalbundesanwalt hat die Aufhebung des Urteils beantragt.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die beiderseitigen Rechtsmittel das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Lübeck zurückverwiesen, da die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung einer für die Beurteilung der Schuldfähigkeit besonders wichtigen Zeugenaussage offenbart hat.
Vorinstanz:
Landgericht Lübeck – Urteil vom 14. Februar 2024 – 7a KLs 559 Js 20243/19
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 177 StGB Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
[…]
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
1. gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
[…]
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
1.der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), […]
§ 176 StGB Sexueller Missbrauch von Kindern (in der Fassung vom 21.01.2015)
(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. […]
§ 176a StGB Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (in der Fassung vom 21.01.2015)
[…]
(2) Der sexuelle Missbrauch von Kindern wird in den Fällen des § 176 Abs. 1 und 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, wenn
1. eine Person über achtzehn Jahren mit dem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind,
[…]
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
§ 174 StGB Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen (in der Fassung vom 21.01.2015)
(1) Wer sexuelle Handlungen
[…]
3. an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
[…]
Quelle: BGH PM, Karlsruhe, 27. März 2025