Vollumfängliche Aufklärung gefordert.

Linksfraktion im Bundestag: Koalition will Behördenversagen im Fall Amri unter den Teppich kehren.

Der Innenausschuss habe einen Anspruch darauf, den Bericht zum Fall Amri zu erhalten – und zwar ungeschwärzt und in vollem Umfang. Denn bei der Aufarbeitung des Behördenversagens gehe es in erster Linie um Fehleinschätzungen und verpasste Chancen auf Seiten der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamts. Eine Zuständigkeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums sei deswegen überhaupt nicht gegeben“, kritisierte heute die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, nach der heutigen Entscheidung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), den Bericht des Sonderermittlers zum Behördenversagen im Fall Anis Amri dem Innenausschuss nicht zur Verfügung zu stellen.

Jelpke weiter:

„Diese Entscheidung lässt nur den Schluss zu, dass das Behördenversagen noch weit größer ist, als bisher bekannt. Zu den wesentlichen Fragen gehört ja, warum nie versucht wurde, gegen Amri trotz mehrfacher Straftaten und der wiederholten Ankündigung von Terrorakten ein erfolgversprechendes Ermittlungsverfahren einzuleiten. Der Verdacht, dass Amri in Ruhe gelassen wurde, weil er – wissentlich oder unwissentlich – als Informant diente, stünde dann weiterhin im Raum. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, könnte das so manchen Innenminister in der Republik den Stuhl kosten.

Diese Fragen müssen vollumfänglich aufgeklärt werden, statt sie unter den Teppich zu kehren, über den die Verantwortlichen früher oder später sowieso stolpern. Wenn dem Innenausschuss der Bericht vorenthalten wird, erhärtet sich der Verdacht, dass die Sicherheitsbehörden ein extrem schmutziges Spiel im Fall Amri gespielt haben.“

Irene Mihalic, innenpolitische Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Aufklärung wird rücksichtslos ausgebremst.

Es ist ein skandalöser Vorgang, dass die Koalition mit ihrer Mehrheit die notwendige Diskussion um neue Erkenntnisse zum Fall Amri im Innenausschuss von der Tagesordnung fegt und die Sache im geheimen Parlamentarischen Kontrollgremium versenkt. Es kann nicht sein, dass CDU, CSU und SPD im Parlamentarischen Kontrollgremium entscheiden, mit welchen Themen sich der Innenausschuss befassen darf und mit welchen nicht.

Die Rolle der Sicherheitsbehörden rund um den Anschlag am Breitscheidplatz soll anscheinend bewusst vernebelt werden, auch damit keine Fragen zur politischen Verantwortung gestellt werden. Die Medienberichte der letzten Tage legen klar offen, dass im Frühjahr 2016 eine falsche Gefährdungseinschätzung im GTAZ getroffen wurde und dass sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch der Bundesnachrichtendienst deutlich mehr Informationen zu den Vorgängen hatten als bisher bekannt war.

Die Koalitionsfraktionen haben im Vorfeld schon verhindert, dass der Innenausschuss die Akten zur Causa Amri selbst beizieht, um eine Bewertungsgrundlage zu möglichen Sicherheitslücken zu haben. So wird Aufklärung des größten islamistischen Anschlags auf deutschem Boden rücksichtslos ausgebremst.“

Bundesregierung blockiert die Aufklärung im Fall Amri

Es ist ein skandalöser Vorgang, dass die Koalition mit ihrer Mehrheit die notwendige Diskussion um neue Erkenntnisse zum Fall Amri im Innenausschuss von der Tagesordnung fegt und die Sache im geheimen Parlamentarischen Kontrollgremium versenkt. Es kann nicht sein, dass CDU, CSU und SPD im Parlamentarischen Kontrollgremium entscheiden, mit welchen Themen sich der Innenausschuss befassen darf und mit welchen nicht. Die Rolle der Sicherheitsbehörden rund um den Anschlag am Breitscheidplatz soll anscheinend bewusst vernebelt werden, auch damit keine Fragen zur politischen Verantwortung gestellt werden. Die Medienberichte der letzten Tage legen klar offen, dass im Frühjahr 2016 eine falsche Gefährdungseinschätzung im GTAZ getroffen wurde und dass sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch der Bundesnachrichtendienst deutlich mehr Informationen zu den Vorgängen hatten als bisher bekannt war. Die Koalitionsfraktionen haben im Vorfeld schon verhindert, dass der Innenausschuss die Akten zur Causa Amri selbst beizieht, um eine Bewertungsgrundlage zu möglichen Sicherheitslücken zu haben. So wird Aufklärung des größten islamistischen Anschlags auf deutschem Boden rücksichtslos ausgebremst.

Publié par Irene Mihalic MdB sur mercredi 29 mars 2017

 

Anschlag durch Amri hätte verhindert werden können

Zur Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste erklärt Dr. André Hahn, Abgeordneter der Linksfraktion im Bundestag und stellvertretender Vorsitzender des Gremiums:

„Dem vom Ständigen Bevollmächtigten vorgelegten Bericht zu Anis Amri, dem Weihnachtsmarkt-Attentäter von Berlin, sowie der daraus resultierenden Bewertung der Koalitionsfraktionen habe ich aus zwei zentralen Gründen nicht zustimmen können.

Erstens: Der Bericht ist an ganz entscheidenden Stellen unvollständig und daher nur bedingt bzw. gar nicht geeignet, die Vorgänge um den Anschlag, durch den zwölf Menschen ums Leben kamen und dutzende zum Teil schwer verletzt wurden, umfassend aufzuklären. Das liegt insbesondere daran, dass dem Parlamentarischen Kontrollgremium von den Behörden in Nordrhein-Westfalen so gut wie keine Unterlagen übergeben wurden, weder vom Landeskriminalamt, noch von der Justiz und auch nicht vom Landesamt für Verfassungsschutz. Von daher war es objektiv unmöglich, ein wirklich umfassendes Bild der Geschehnisse sowie vom Tun oder Unterlassen staatlicher Behörden im Fall Amri zu erlangen.

Zweitens: Der Bericht suggeriert, dass die zuständigen Behörden fast alles richtig gemacht hätten. Das war ganz offenkundig nicht der Fall. Es gab schwere Pannen, Versäumnisse und Fehlentscheidungen, die im Bericht nur unzureichend oder gar nicht zur Sprache kommen. Das betrifft insbesondere die völlig falsche Einschätzung der tatsächlichen Gefahr, die von Anis Amri ausging, und das, obwohl es in NRW dokumentierte Einschätzungen gab, nach denen Amri ‚brandgefährlich‘ sei und man davon ausgehen müsse, dass er seine Anschlagsplanungen in Deutschland ausdauernd und langfristig verfolgen wird. Selbst als aus Kommunikationsüberwachungen hervorging, dass er hoffe, seine Brüder bald ‚im Paradies‘ wiederzusehen, und er offenkundig einen Selbstmordanschlag plante, gab es keine adäquaten Gegenmaßnahmen und insbesondere keine durchaus möglichen strafrechtlichen Konsequenzen.

Doch selbst neben der möglichen Verfolgung der Vorbereitung von Anschlägen und offenkundig beabsichtigten Gefährdungen von Leib und Leben durch die Vorbereitung zur gezielten Tötung von Menschen hätte es eine Vielzahl strafrechtlicher Möglichkeiten gegeben, Amri aus dem Verkehr zu ziehen. Schließlich gab es bei sieben Staatsanwaltschaften und beim Generalbundesanwalt mehr als ein Dutzend Ermittlungsverfahren gegen den späteren Attentäter. Die Frage, warum offenbar niemand auf die Idee kam, ein Sammelverfahren durchzuführen, das Amri für seine diversen Straftaten mit hoher Wahrscheinlichkeit für Jahre hinter Gitter gebracht hätte, ist bis heute nicht beantwortet.

Und da fragt man sich natürlich auch wie es sein kann, dass im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum etliche Male über Amri und dessen Gefährlichkeit gesprochen wurde, ohne dass irgendwelche konkreten Maßnahmen vereinbart oder gar tatsächlich eingeleitet wurden.

Schließlich ist völlig ungeklärt und eben auch alles andere als nachvollziehbar, wie es möglich war, dass Amri ab September 2016 fast vollständig vom Radar aller zuständigen Behörden verschwinden konnte und offenbar auch niemand ernsthafte Bemühungen unternommen hat, um ihn aufzufinden und festzunehmen, um ihn anzuklagen oder später wenigstens nach Tunesien zurückzuführen. Dafür hätte es etliche Anknüpfungspunkte gegeben, um die sich – zumindest nach Aktenlage – keiner wirklich gekümmert hat.

Für mich ergibt sich daraus folgendes Fazit: Natürlich gibt es keine absolute Sicherheit, und es ist leider auch kaum möglich, jeden kurzfristig oder gar spontan geplanten Anschlag vorherzusehen, aber dass es für staatliche Behörden hier in Deutschland ausreichend Gelegenheiten gab zu verhindern, dass Anis Amri eine derartig grausame Tat begeht, daran habe ich inzwischen keinerlei Zweifel mehr.

Nach wie vor sind viele Fragen ungeklärt, vor allem zum polizeilichen Tun oder Unterlassen, mit denen sich der Innenausschuss dringend weiter befassen muss.“

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

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