War es wirklich Mord?

Prof. Dr. Henning Ernst Müller, Uni Regensburg, zum Urteil des Landgerichts Berlin im Fall des tödlichen Autorennens auf dem Kurfürstendamm in Berlin.

(veröffentlicht am 27.02.2017)

Das LG Berlin hat heute die beiden Beteiligten an einem für einen unbeteiligten Autofahrer tödlich verlaufenen Autorennen auf dem Kurfürstendamm des Mordes schuldig gesprochen und zur lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Vorausschicken möchte ich meiner hier erst einmal knappen Kritik, dass ich mich wie auch andere Straßenverkehrsexperten bereits vor einigen Jahren  dafür ausgesprochen habe, die Teilnahme an illegalen Kraftfahrzeugrennen nicht nur mit einem Bußgeld zu bestrafen sondern einen eigenen Gefährdungstatbestand zu schaffen. Im Übrigen wäre auch endlich angezeigt, den § 315c StGB so zu erweitern, dass auch extreme Geschwindigkeitsüberschreitungen für sich strafbar sind. Ich habe das Anliegen – auch hier im Beck-Blog – mehrfach wiederholt (vgl. hier und hier). Die derzeitige Gesetzesinitiative  kam für diesen besonders schwerwiegenden Fall zu spät, bei dem die Staatsanwaltschaft und das Gericht offenbar meinten, das unterhalb des Mordes bereit stehende Strafrechtsarsenal genüge nicht, um der schweren Folge dieses besonders rücksichtslosen Verhaltens gerecht zu werden.

Die Frage, wie besonders schwerwiegende Regelverstöße im Straßenverkehr zu beurteilen sind, also wann bei den dadurch bewusst hervorgerufenen Gefahren Tötungsvorsatz bejaht werden kann, wirft schwierige Abgrenzungsfragen zwischen (Lebens-)gefährdungs- und Tötungsvorsatz auf, die bislang ganz regelmäßig zur Ablehnung des Tötungsvorsatzes geführt haben. Da sich die Fahrer in dieselbe Gefahr bringen, aber keinen Suizid begehen wollen, kann geschlossen werden, dass sie zumindest hofften, es „werde noch mal gut gehen“. Auch die Argumentation, sie hätten, um des egozentrischen Zieles Willen im Rennen zu gewinnen, einen Unfall (nicht nur die Gefahr eines Unfalls!) bewusst in Kauf genommen – das Argument aus dem „Lederriemenfall“, ist hier unpassend, weil ein solcher Unfall auch den Sieg im Rennen auf jeden Fall vereitelt.

Ich halte die Bejahung des Tötungsvorsatzes mit der bisherigen Dogmatik daher für sehr schwierig begründbar.

Quelle und weiterlesen: https://t.co/ngKVkJH7jF

Henning Ernst Müller ist ein deutscher Rechtswissenschaftler und Kriminologe. Er hat den Lehrstuhl für Strafrecht, Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug an der Universität Regensburg inne.

2 Antworten

  1. Der Schuldspruch steht erst einmal für die kommenden beiden Jahre im Raum, bis das der 4. Senat beim BGH entschieden haben wird. Ob er das Urteil durchwinken, rückverweisen oder kassieren wird, bleibt abzuwarten. Was aktuell bleibt, ist doch eine Diskussionsgrundlage, die Stoff abendfüllender Fortbildungskurse für Strafrechtler sein wird, weil diese die Welt nicht mehr verstehen.

    Anm. TP Presseagentur: Wir verstehen auch nichts mehr.

  2. Das Urteil ist hervorragend, ob es auch Rechtskraft erlangt, das bleibt abzuwarten. Vom Gefühl her würde ich eher sagen, der BGH kassiert das Urteil, was ich persönlich bedauern würde. Wer so leichtfertig sein Auto als Waffe einsetzt, gehört nun mal Lebenslang weggesperrt und wenn es in der Psychiatrie ist.

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