Ein noch höheres Strafmaß gewünscht.

Colonia Dignidad: Entscheidung im Strafvollstreckungsverfahren gegen Hartmut Hopp ergangen.

Das Auswärtige Amt gegenüber der TP Presseagentur: „Das Auswärtige Amt begrüßt, dass es jetzt nach längerem zu einer Gerichtsentscheidung gekommen ist.“

Die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Krefeld hat als Strafvollstreckungskammer mit heutigem Beschluss vom 14.08.2017 die Vollstreckung des gegen Hartmut Hopp ergangen Urteils des Bezirksgerichts Parral/Chile vom 16.11.2004 in Verbindung mit dem Urteil des Berufungsgerichts Talca/Chile vom 06.01.2011 in Verbindung mit dem Urteil des Chilenischen Obersten Gerichtshofes vom 25.01.2013 für zulässig und die ausländischen Erkenntnisse für vollstreckbar erklärt. Die Kammer hat die ausländische Sanktion in eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Tag umgewandelt.

Die Strafvollstreckungskammer hatte in einem sogenannten Exequaturverfahren nach §§ 48 ff. des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) über einen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft Krefeld zu entscheiden.

Hopp wurde durch die chilenischen Urteile neben weiteren Angeklagten als Gehilfe von Paul Schäfer, Begründer von Colonia Dignidad in Chile, wegen Vergewaltigung von 4 Minderjährigen unter 12 Jahren und sexuellen Missbrauchs von 16 Minderjährigen nach chilenischem Recht zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Tag verurteilt. Die Taten wurden nach den Feststellungen der chilenischen Urteile zwischen 1993 und 1997 begangen. Tatort sei die Villa Baviera, ehemals Colonia Dignidad, in der Gemeinde Parral in Chile.

Die Strafvollstreckungskammer hatte im Wesentlichen zu prüfen, ob die chilenischen Urteile gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 IRG in einem Verfahren ergangen sind, welches mit der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) in Einklang stand. Die Kammer hat dies bejaht und konnte einen Verstoß gegen danach bestehende wesentliche Verfahrensgarantien nicht feststellen. Dem Verurteilten sei insbesondere in dem chilenischen Strafverfahren rechtliches Gehör und eine angemessene Verteidigung gewährt worden.

Die Strafvollstreckungskammer hatte im vorliegenden Exequaturverfahren nicht den chilenischen Schuldspruch an sich zu überprüfen. Die gerichtliche Überzeugungsbildung, die tatsächlichen Feststellungen, der Schuldverdacht und die materielle Richtigkeit der ausländischen Entscheidung sein vielmehr bindend gewesen. Die Exequaturentscheidung sei kein Akt deutscher Strafgerichtsbarkeit, sondern ein Akt der Rechtshilfe im Rahmen der Vollstreckung.

Die Strafvollstreckungskammer habe auf die Freiheitsstrafe 23 Tage Untersuchungshaft angerechnet.

Die Entscheidung sei nicht rechtskräftig. Den Verfahrensbeteiligten stehe das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 55 Abs. 2 IRG zum Oberlandesgericht Düsseldorf zu.

Der Strafverteidiger von Hartmut Hopp, Rechtsanwalt Helfried Roubicek, kündigte gegenüber der TP Presseagentur die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts Krefeld an. „Wir sehen Ansatzpunkte für eine hinreichende Beschwerdebegründung. Das Landgericht ist auf wichtige Aspekte nicht eingegangen. Trotz der Länge der Entscheidung ist das Landgericht Fehlern unterlegen, die wir in der Beschwerdebegründung darlegen werden. Im Exequatur-Verfahren sind sehr wohl mehr Umstände zu berücksichtigen, als das Gericht angenommen hat. Und die werden wir darlegen.“

Die Bundestagsfraktion der Linken begrüßte die Krefelder Entscheidung gegenüber der TP Presseagentur dagegen außerordentlich. „Die Entscheidung stellt ein Mindestmaß an Wiedergutmachung für die Opfer dar.“ Der Abgeordnete Alexander Neu fügte gegenüber TP hinzu, dass er sich noch ein höheres Strafmaß gewünscht hätte, „zumal das Leben von sehr vielen Menschen in der Colonia Dignidad zerstört wurde“.

Bundesratsbeschluss des Bundestages muss umgesetzt werden

Tom Koenigs, Sprecher für Menschenrechtspolitik von Bündnis 90/Die Grünen, gab gegenüber der TP Presseagentur folgendes Statement ab:

„In der Colonia Dignidad wurden über Jahrzehnte schwerste Verbrechen – Mord, Folter, Sklaverei und andere Menschenrechtsverletzungen – begangen. Die Entscheidung des Landgerichts Krefeld gegen einen der Täter ist ein Schritt in die richtige Richtung. Immer noch sind allerdings mehrere ehemalige Führungsmitglieder der Colonia Dignidad straflos auf freiem Fuß. Deutschland hat die abscheulichen Verbrechen in der Colonia Dignidad lange ignoriert. Es wird höchste Zeit, dass Bundesregierung und die Justiz ihrer Verantwortung gerecht werden und gemeinsam mit den chilenischen Behörden und den Opferverbänden die Aufarbeitung vorantreiben. Die Opfer und deren Angehörigen brauchen Unterstützung. Dies wurde mit dem einstimmigen Beschluss des Bundestags vom Juni 2017 auch von allen Fraktionen anerkannt. Dieser Beschluss muss nun umgesetzt werden.“

http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw26-de-colonia-dignidad/511714

Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) zur Entscheidung des Landgerichts Krefeld über die Urteilsvollstreckung in Sachen Hartmut Hopp.

Berlin, 14. August 2017 – Das ECCHR begrüßt die überfällige Entscheidung der zweiten Großen Strafkammer des Landgerichts Krefeld vom heutigen Tage, das Urteil chilenischer Gerichte gegen Hartmut Hopp in Deutschland zu vollstrecken.

Damit leistet die deutsche Justiz eine erste minimale Unterstützung der chilenischen Justiz in der Aufarbeitung der Verbrechen der Colonia Dignidad, insbesondere der Vergewaltigung und des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen.

Wolfgang Kaleck, ECCHR-Generalsekretär, sagt hierzu: „Die Staatsanwaltschaft Krefeld muss jetzt auch das separate Ermittlungsverfahren gegen Hartmut Hopp verstärkt fortführen. Neben den Taten innerhalb der Colonia Dignidad geht es um seine Rolle als Kontaktperson zum chilenischen Geheimdienst DINA während der Militärdiktatur.“ Folterungen und das Verschwindenlassen von Oppositionellen fanden auch auf dem Gelände der Colonia Dignidad statt.

ECCHR-Kooperationsanwältin Petra Isabel Schlagenhauf kommentiert: „Die Entscheidung des Landgerichts Krefeld gegen Hartmut Hopp wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch in der Colonia Dignidad begrüße ich sehr. Sie lässt darauf hoffen, dass in diesem Teilbereich der in der Colonia Dignidad begangenen Verbrechen die Aussicht für die Opfer besteht, dass Gerechtigkeit geschieht. Sie bestätigt außerdem, dass die Verurteilung von Hartmut Hopp in Chile in einem rechtsstaatlichen Verfahren erfolgt ist.“

Hartmut Hopp hat sich bereits der chilenischen Justiz durch Flucht entzogen. Angesichts dessen, dass Hartmut Hopp eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren droht, muss die zuständige Staatsanwaltschaft eine mögliche Flucht von Hartmut Hopp verhindern.

Mehr Informationen zum Strafverfahren gegen Hartmut Hopp unter: ECCHR/Colonia Dignidad

Der Vorsitzende der Opferorganisation netzwerkB, Norbert Denef, nahm gegenüber der TP Presseagentur wie folgt Stellung zu der Entscheidung des Landgerichts Krefeld:

„Im vorliegenden Fall hat das Auswärtige Amt wegen unterlassener Hilfeleistung Schuld auf sich geladen. Deshalb sollte der deutsche Staat Verantwortung übernehmen und nicht den Versuch unternehmen, sich einer angemessen Entschädigung den Opfern gegenüber zu entziehen.

Seit 55 Jahren verhindert der Deutsche Staat die Aufarbeitung der Verbrechen in der „Colonia Dignidad“.

Hartmut Hoop wurde in den vergangenen 5 Jahren von deutschen Politikern geschützt.

Nun spielt man uns ein juristisches Lügentheater vor, welches weitere Jahre in Anspruch nehmen wird.

Seit 55 Jahren warten die Opfer auf Hilfe, Unterstützung und eine angemessene, würdevolle Entschädigung. Nur dies würde ihnen eine Erfahrung von Gerechtigkeit vermitteln.

Deutschland sollte sich nicht mehr wie bisher hinter leeren Worten verstecken sondern das Lügentheater beenden und sich aufmachen, die Opfer zu entschädigen!“

Was geschah wirklich in der „Colonia Dignidad“ in Chile?

Ich habe solche Straftaten nicht vollbracht.

Entscheidung im Fall des früheren Arztes der „Colonia Dignidad“ wichtiges Signal für die Opfer.
Hartmut Hopp soll Haftstrafe in Deutschland verbüßen.

Zu der Krefelder Entscheidung erklärte auch der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand:

„Die heutige Entscheidung des Landgerichts ist ein wichtiges Signal für mehr Gerechtigkeit nach Jahren des Leugnens und der Verharmlosung durch die Täter. Es ist schon lange an der Zeit, dass ein Haupttäter wie Hartmut Hopp nicht länger auf freiem Fuß in Deutschland bleibt. Hopp wurde 2013 in Chile wegen Vergewaltigung von vier Minderjährigen unter zwölf Jahren und sexuellen Missbrauchs von 16 Minderjährigen zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und einem Tag verurteilt. Für die Opfer ist das heute ein wichtiger Schritt, der zeigt, dass sich letztlich kein Täter sicher fühlen kann. Es ist zugleich der Beleg, dass die Zusammenarbeit der Justizorgane in Chile und Deutschland inzwischen besser funktioniert.

Gleichzeitig darf man nicht übersehen, dass es weitere Täter gibt, die noch unbehelligt leben und die Opfer weitgehend vergessen sind. Aus gutem Grund hat der Deutsche Bundestag am 29. Juni 2017 einstimmig einen Antrag zum Themenkomplex „Colonia Dignidad“ verabschiedet. Den Opfern eine Stimme geben, konkrete Unterstützung für sie leisten, Aufarbeitung der Verbrechen und eine bessere Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung durch die Justizorgane in Chile und Deutschland – das sind die wichtigsten Ziele dieses fraktionsübergreifenden Beschlusses.

Es ist ein starkes politisches Signal, dass aus dem Parlament – und zwar fraktionsübergreifend und versehen mit einer Frist bis zum 30. Juni 2018 – konkrete Maßnahmen von der Bundesregierung eingefordert werden. Im Parlament werden wir nicht ruhen, bis es konkrete Ergebnisse gibt.“

Strafrechtliche Aufarbeitung der Colonia Dignidad geht voran.

Christian Flisek, zuständiger Berichterstatter für Recht und Verbraucherschutz der SPD-Bundestagsfraktion, erklärt:

„Die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Krefeld hat die Vollstreckung des in Chile ergangenen Urteils gegen Hartmut Hopp nun für zulässig erklärt. Wie von der SPD-Bundestagsfraktion in einem überfraktionellen Antrag Ende Juni 2017 gefordert, wird die strafrechtliche Aufarbeitung der Colonia Dignidad mit dieser Entscheidung vorangetrieben.

Die Entscheidung des Landgerichts Krefeld zeigt, dass der politische und gesellschaftliche Druck der vergangenen Jahre Wirkung zeigt. Hartmut Hopp muss für seine Handlungen endlich zur Rechenschaft gezogen werden. Zahlreiche Gespräche mit Opfern der Colonia Dignidad haben bestätigt, wie wichtig ein solcher Schritt nicht nur für die strafrechtliche Aufarbeitung, sondern auch für die emotionale Aufarbeitung der schrecklichen Verbrechen der Colonia Dignidad ist.

Hartmut Hopp gehörte zur Führungsriege der Colonia Dignidad und gilt als rechte Hand des 2010 verstorbenen Sektenführers Paul Schäfer. In der Sekte Colonia Dignidad, 350 km südlich der chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile, wurden über Jahrzehnte hinweg systematisch schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen, darunter Sklaverei, Kindesmissbrauch und Folter.

Am 25. Januar 2013 verurteilte der Oberste Gerichtshof Chiles neben Hartmut Hopp fünf weitere Führungsmitglieder der Sekte zu mehrjährigen Haftstrafen wegen sexuellen Missbrauchs an chilenischen Kindern. Hopp hatte sich jedoch bereits im Mai 2011 unter Umgehung einer Ausreisesperre in die Bundesrepublik Deutschland abgesetzt. Chile hat Deutschland 2014 um die Übernahme der Vollstreckung der Haftstrafe ersucht. Dieser Antrag wurde von der Staatsanwaltschaft Krefeld im vergangenen Jahr befürwortet und lag seitdem dem Landgericht Krefeld zur Entscheidung vor.“

Flucht von verurteiltem Arzt der Sektensiedlung Colonia Dignidad verhindern

„Nach der Anerkennung der rechtsstaatlichen Urteile gegen Hartmut Hopp, den ehemaligen Arzt der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad in Chile, durch das Landgericht Krefeld müssen die zuständigen Justizbehörden in Nordrhein-Westfalen dringend Maßnahmen gegen eine mögliche Flucht des Straftäters ergreifen“, fordert Heike Hänsel, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag.

Hänsel weiter:

„Nachdem Hopp im Jahr 2013 in Chile höchstinstanzlich wegen Beihilfe zum vielfachen sexuellen Missbrauch Minderjähriger verurteilt worden war, hatte er sich schon einmal – offenbar mit Hilfe nach wie vor gut funktionierender Netzwerke – aus Chile nach Deutschland abgesetzt. Angehörige von Verschwundenen und ermordeten politischen Gefangenen in Chile sind daher höchst besorgt, dass die deutschen Behörden Hopp die Möglichkeit bieten, sich nun erneut seiner Strafe zu entziehen, zudem Vertraute in Krefeld über eine gute Infrastruktur verfügen. Ich sehe hier dringenden Handlungsbedarf.“

http://www.wz.de/lokales/krefeld/landgericht-krefeld-sektenarzt-hopp-gehoert-in-haft-1.2495168

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