Karlsruhe (ots) - Die Bundesanwaltschaft hat heute (1. Oktober 2018) aufgrund von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 28 .September 2018 den 28-jährigen deutschen Staatsangehörigen Sten E. den 20-jährigen deutschen Staatsangehörigen Martin H., den 30-jährigen deutschen Staatsangehörigen Marcel W., den 27-jährigen deutschen Staatsangehörigen Sven W., den 28-jährigen deutschen Staatsangehörigen Hardy Christopher W. und den 30-jährigen deutschen Staatsangehörigen Tom W. durch Beamte des Landeskriminalamtes Sachsen (PTAZ) und Beamte der Polizeidirektion Chemnitz sowie mit Unterstützung Mobiler Einsatzkommandos anderer Bundesländer in Sachsen und Bayern festnehmen lassen. Zudem werden mehrere Wohnungen sowie weitere Räumlichkeiten in Sachsen durchsucht. An dem Einsatz sind insgesamt über 100 Beamte der sächsischen Polizei beteiligt. Die sechs Festgenommenen sind unter anderem dringend verdächtig, gemeinsam mit dem 31-jährigen deutschen Staatsangehörigen Christian K. die rechtsterroristische Vereinigung "Revolution Chemnitz" gegründet und sich mit Ausnahme des Beschuldigten Hardy Christopher W. in ihr als Mitglieder der Beschuldigte Christian K. als Rädelsführer beteiligt zu haben (§ 129a Abs. 1 und Abs. 4 StGB). Der Beschuldigte Christian K. war bereits am 14. September 2018 von der Staatsanwaltschaft Chemnitz wegen besonders schweren Landfriedensbruchs festgenommen worden und befindet sich seither in Untersuchungshaft. Nach den bisherigen Erkenntnissen gehören die Beschuldigten der Hooligan-, Skinhead- und Neonazi-Szene im Raum Chemnitz an und sollen sich als führende Personen in der rechtsextremistischen Szene Sachsens verstanden haben. Spätestens am 11. September 2018 haben sich die Beschuldigten den Ermittlungen zufolge zu der Gruppierung "Revolution Chemnitz" zusammengeschlossen, wobei der Beschuldigte Christian K. eine zentrale Führungsposition übernommen haben soll. Nach den bisherigen Ermittlungen verfolgen die Beschuldigten auf der Grundlage ihrer rechtsextremistischen Gesinnung ein "revolutionäres", auf die Überwindung des demokratischen Rechtsstaates gerichtetes Ziel. Zu diesem Zweck sollen sie gewalttätige Angriffe und bewaffnete Anschläge auf Ausländer und politisch Andersdenkende beabsichtigen. Zu den politisch Andersdenkenden zählen die Beschuldigten den Erkenntnissen zufolge auch Vertreter des politischen Parteienspektrums und Angehörige des gesellschaftlichen Establishments. Vor diesem Hintergrund sollen sie sich bereits darum bemüht haben, sich halbautomatische Schusswaffen zu besorgen. Bereits am 14. September 2018 sollen die Beschuldigten Sten E., Christian K., Martin H., Marcel W. und Sven W. bewaffnet mit Glasflaschen, Quarzhandschuhen und einem Elektroimpulsgerät gemeinsam mit weiteren gewaltbereiten Anhängern anderer rechtsextremer Gruppen auf der Schlossteichinsel in Chemnitz mehrere ausländische Mitbürger angegriffen und verletzt haben. Eines der Opfer wurde durch den Wurf einer Glasflasche am Hinterkopf verletzt. Der Übergriff sollte den Ermittlungen zufolge ein "Probelauf" für ein von den Beschuldigten für den 3. Oktober 2018 geplantes, in seinen Einzelheiten aber noch nicht näher aufgeklärtes Geschehen sein. Die Bundesanwaltschaft hatte bereits am 21. September 2018 Ermittlungen unter anderem wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet und zugleich die besondere Bedeutung des Falles angenommen. Im Zuge der weiteren Ermittlungen haben sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Vereinigung eine terroristische Zielsetzung verfolgt. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesanwaltschaft am 28. September 2018 ihre Ermittlungen um den Tatvorwurf der Gründung einer terroristischen Vereinigung erweitert. Zudem hat sie wegen des Geschehens vom 14. September 2018 das von der Staatsanwaltschaft Chemnitz wegen des Verdachts des besonders schweren Landfriedensbruchs geführte Ermittlungsverfahren übernommen. Die sechs Festgenommenen sowie auch Christian K. werden im Laufe des heutigen und morgigen Tages dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der ihnen die Haftbefehle eröffnen und über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheiden wird.
Reaktionen:
Gegen rechte und andere Terroristen mit aller Konsequenz vorgehen.
Zu der heutigen Festnahme mehrerer Männer wegen des Verdachts auf Bildung einer rechten Terrorgruppe erklärte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Harbarth:
„Es ist eine gute Nachricht, dass die Sicherheitsbehörden die Verdächtigen in Chemnitz festnehmen konnten. Nun müssen wir die weitere Aufklärung abwarten. Die Ereignisse in Chemnitz zeigen aber in jedem Fall, dass wir gegenüber rechtsgerichteten und anderen Terroristen mit Konsequenz vorgehen müssen.“
Rechtsextremes Lager macht mobil.
Zur Festnahme mutmaßlicher Rechtsterroristen in Chemnitz erklärt der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion Konstantin Kuhle:
„Die Festnahme sechs mutmaßlicher Rechtsterroristen in Chemnitz zeigt, wie hoch das Gewaltpotenzial in der rechtsextremen Szene ist. Während wir uns wochenlang mit Wortklaubereien über Hetzjagden beschäftigen mussten, hat das rechtsextreme Lager mobil gemacht. Den Sicherheitsbehörden ist zuallererst zu danken, dass Schlimmeres verhindert werden konnte. Doch darf das nicht die einzige Reaktion bleiben. Die Fraktion der Freien Demokraten fordert vehement eine Reform der Sicherheitsarchitektur in Deutschland. Die Pannen bei der Aufklärung der NSU-Morde, aber auch die Versäumnisse im Fall Amri machen eine Neuaufstellung der Sicherheitsbehörden dringend notwendig. Dafür muss vor allem die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern verbessert werden.“
"Gute Nachricht: Sächsische Ermittlungsbehörden haben rechter Terrorgruppe '#RevolutionChemnitz' schnell Handwerk gelegt. (…) Schlechte Nachricht: Wir blicken in Abgrund des Rechtsradikalismus, der auch wieder vor Mord nicht mehr zurückzuschrecken scheint", so @HerdenTim. (red) pic.twitter.com/ezfGJywcAv
— tagesthemen (@tagesthemen) October 1, 2018
Thomas OppermannVerifizierter Account @ThomasOppermann auf Twitter:
„Die Festnahme von 8 mutmaßlichen Rechtsterroristen in Chemnitz zeigt zweierlei:
1. Dass die irre Debatte um die Echtheit des Videos von #Antifa Zeckenbiss fehlgeleitet war.
2.dass es gut ist, wachsame Behörden zu haben, die die Gefahr von rechts erkennen.“
Schrillendes Alarmsignal über das Ausmaß von Gewaltbereitschaft und Enthemmung.
Zu den Ermittlungen gegen mutmaßliche Rechtsterroristen erklärt Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:
„Die Festnahmen mutmaßlicher rechtsradikaler Terroristen sind ein schrillendes Alarmsignal über das Ausmaß von Gewaltbereitschaft und Enthemmung. Ein zugekniffenes rechtes Auge und die von Maaßen, Seehofer und Kretschmer angezettelte Verharmlosungsdebatte über Begrifflichkeiten nach den Ausschreitungen in Chemnitz, waren für diese Verfassungsfeinde willkommener Rückenwind.
Spätestens nach der massiven Mobilisierung der Rechten in Chemnitz Ende August ist klar, dass rechter Terror nach dem schrecklichen Vorbild des NSU eine reale Gefahr ist. Diese rechten Gruppierungen hassen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, sie sind bundesweit organisiert und bereit zur Gewalt gegen Andersdenkende und Menschen anderer Herkunft.
Statt rechtspopulistische Rhetorik zu übernehmen, sollten vor allem CDU und CSU in Bund und Ländern endlich ihre Negierungs- und Zauderhaltung aufgeben und mit klarer Haltung gegen Rechtsextremismus in jeder Form vorgehen. Wer das Ganze weiterhin als ostdeutsches Randproblem abtun will, verkennt den Ernst der Lage – denn die rechte Szene radikalisiert sich bundesweit, wie wir zuletzt in Dortmund erleben mussten.“
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