Honecker war ein recht widersprüchlicher Mensch.

Am kommenden Sonntag (19.3.2017) wird der ehemalige SED-Generalsekretär und Staatsratsvorsitzende der ehemaligen DDR, Egon Krenz, 80 Jahre alt. Vor seinem Geburtstag führte Krenz, dessen Frau Erika am 4. März nach schwerer Krankheit verstarb, ein ausführliches Gespräch, das nun an diesem Wochenende in der Tagezeitung junge Welt erscheinen wird.

In dem Gespräch mit junge Welt gibt Krenz selbstkritisch Auskunft über sein politisches Wirken. Im Rahmen seiner Tätigkeiten als Vorsitzender der Freien Deutschen Jugend (FDJ), in der Sozialistischen Einheitspartei (SED) und an der Spitze der DDR hatte er Umgang mit politischen Entscheidungsträgern aus Ost wie West. Auch aus der Zusammenarbeit mit Erich Honecker, dem Krenz in seinen Staats- und Parteifunktionen nachfolgte, berichtet er. »Ich denke, dass Honecker mit seiner frühzeitigen Einschätzung, dass es mit Perestroika und Glasnost nichts werden würde, grundsätzlich richtig lag«, so Krenz im Interview. Gorbatschow selbst habe er 1984 gemeinsam mit Honecker in Moskau als »demagogischen Scharfmacher« kennengelernt: »Honecker bemühte sich in den ersten Monaten nach der Inthronisation von Gorbatschow um eine Verbesserung ihres Verhältnisses.«

Krenz, dem vor seinem 80. Geburtstag in den Medien verschiedentlich »DDR-Demenz« (Berliner Kurier, 14.3.2017) angedichtet wurde, ist nach wie vor politisch aktiv. »Ende des Monats halte ich einen Vortrag in Minsk, ähnlich der Vorlesung im Oktober, als ich an der Staatlichen Universität in St. Petersburg mehr als 300 Studenten Auskunft über das Ende der DDR gab«, berichtet er. Für Memoiren sei es allerdings zu früh: »Ich muss jetzt, nach Erikas Tod, erst zu mir selbst kommen, das braucht seine Zeit. Ich muss mein Leben neu ordnen und organisieren.«

Das Wochenendgespräch mit Egon Krenz erscheint am Samstag, dem 18. März 2017, in der Tageszeitung junge Welt (Wochenendausgabe, 18./19.3.2017).

 

Auszüge aus dem Interview:

Wie lange waren Sie verheiratet?

Am 8. April wären es 56 Jahre gewesen. Am 4. März ist Erika aber verstorben. Erst fünf Wochen zuvor war die tödliche Krebsdiagnose gestellt worden.

(…)

Ich vermute, dass das Ihr Leben wie auch Ihre Haltung zum Krieg geprägt hat.

Aber sicher. Meine Mutter war zwar ziemlich unpolitisch, aber diese Erfahrung, beide Männer in den beiden Weltkriegen verloren zu haben, zeitigte durchaus Folgen. Sie erlebte in Ribnitz die Bodenreform, gegen die sie Vorbehalte hatte. Aber sie empfand Genugtuung darüber, dass jener Gutsbesitzer, der sie 1914 vom Hof gejagt hatte, nun selber davongejagt und enteignet wurde.

(…)

Sie haben Ihren Vater nie kennengelernt. Haben Sie ihn vermisst?

Da ich nie eine Familie erlebt habe, also nicht mit einem Vater aufgewachsen bin, empfand ich dies nicht als Defizit. Man kann nur vermissen, was man kennt. Insofern hat er mir nicht gefehlt.

War das nicht paradox, dass in den sozialistischen Ländern, auch eben bei uns in der DDR, die wir doch die Gleichberechtigung auf die Fahnen und in die Gesetze geschrieben hatten, die Frauen von Funktionären allenfalls schmückendes Beiwerk bei Staatsbesuchen und auf Parteitagen waren. Sie spielten in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle, sie mussten, wie Sie selbst sagten, zurückstecken.

Erika hat immer versucht, sich von solchen Sachen fernzuhalten, weil sie gearbeitet hat. Als ich beispielsweise Mitte der 60er für dreieinhalb Jahre zum Studium nach Moskau ging, hätte sie ein-, zweimal im Jahr auf Besuch kommen können, doch die Besuchszeiten an der Parteihochschule und die Ferien in der DDR waren nicht aufeinander abgestimmt. Aus Pflichtgefühl stand sie vor der Klasse und unterrichtete, statt Sonderurlaub zu beantragen.

Womit haben Sie sie überzeugt?

Die Zeit ist noch nicht reif, um darüber öffentlich zu reden. Vielleicht später einmal in meinen Memoiren.

Woher rührten die Spannungen Honeckers mit Gorbatschow? Nur weil er ihm und seiner Politik misstraute?

Also vorab: Ich denke, dass Honecker mit seiner frühzeitigen Einschätzung, dass es mit Gorbatschow nichts werden würde, grundsätzlich richtig lag. Seine Auffassung speiste sich aus langjährigen Klassenkampferfahrungen. Honeckers Fehler bestand darin, nicht prinzipiell darüber mit Gorbatschow zu sprechen. Er war eben ein recht widersprüchlicher Mensch. Zudem hatte er auch persönliche Vorbehalte gegenüber Gorbatschow.

Gorbatschow ist 1985 zum Generalsekretär gewählt worden.

Nach unserer Ankunft in Moskau zu Tschernenkos Beerdigung informierte uns Gromyko, dass er Gorbatschow vorgeschlagen habe. Gromyko war eine in der DDR-Führung geschätzte, integre Persönlichkeit. Der hatte schon in Potsdam 1945 am Verhandlungstisch mit den Großen drei gesessen und war seit 1957 Außenminister der UdSSR. Dem Politbüro gehörte er seit 1973 an. Deshalb meinten alle, Honecker eingeschlossen, dass man sich auf Gromykos Urteil verlassen könne.

Bleibt Ihr Lebensmittelpunkt hier oben an der Küste?

Ja. Das bin ich auch Erika schuldig und dem Kfz.-Kennzeichen, das sie vor Jahren besorgt hat: NVP – EK 461. Die Initialen stehen für Erika oder/und Egon Krenz, und die Ziffer für unseren Hochzeitstag im April 1961. Das gebe ich doch nicht ab.

Vollständiges Interview nur mit online-abo: https://www.jungewelt.de/artikel/307428.meine-frau-musste-zur%C3%BCckstecken.html

War Widerspruch zur Art der Grenzsicherung möglich? Interview mit Egon Krenz

Ich fühle mich Herrn Krenz persönlich verbunden Interview mit Krenz-Anwalt Dr. Dieter Wissgott

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