Oberverwaltungsgericht NRW, 17 A 1245/11, in Sachen Sami A. vom 15. April 2015.

Gericht:

Oberverwaltungsgericht NRW

Spruchkörper:

  1. Senat

Entscheidungsart:

Urteil

Aktenzeichen:

17 A 1245/11

ECLI:

ECLI:DE:OVGNRW:2015:0415.17A1245.11.00

 

Vorinstanz:

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 8 K 1859/10

 

Tenor:

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das angefochtene Urteil geändert. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen, als ihr vom Verwaltungsgericht stattgegeben worden ist.

Der Antrag des Klägers, die Wirkungen der Ausweisung auf zwei Jahre nach Ausreise zu befristen, wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge einschließlich der dem Beigeladenen im Berufungsverfahren entstandenen Kosten.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

1

Tatbestand:

2

Der 1976 geborene Kläger ist tunesischer Staatsangehöriger und reiste 1997 zu Studienzwecken in das Bundesgebiet ein. Die ihm erteilte Aufenthaltsbewilligung zu Studienzwecken wurde zuletzt am 25. Oktober 2004 für den Studiengang Technische Informatik bis zum 24. Oktober 2005 verlängert.

3

Am 14. Januar 2005 meldete sich der Kläger im Zuständigkeitsbereich der Beklagten an. Am 24. Oktober 2005 beantragte er nach einem Wechsel in den Studiengang Elektrotechnik die Verlängerung seines Aufenthaltstitels zu Studienzwecken.

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Mit Ordnungsverfügung vom 10. März 2006 wies die Beklagte den Kläger gemäß § 54 Nr. 5 und 5a AufenthG aus dem Bundesgebiet aus. Zugleich wurde der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt. Dem Kläger wurde die Abschiebung nach Tunesien angedroht und er wurde verpflichtet, sich einmal täglich zwischen 10:00 Uhr und 12:00 Uhr bei der zuständigen Polizeidienststelle in C.      zu melden. Der tunesische Nationalpass des Klägers wurde gemäß § 50 Abs. 6 AufenthG in Verwahrung genommen. Die sofortige Vollziehung der Ausweisung und der Meldepflichten wurde angeordnet. Der Ordnungsverfügung lag die Annahme zugrunde, dass der Kläger sich Ende 1999/Anfang 2000 in einem Lager der Organisation Al Qaida in Afghanistan einer militärischen Ausbildung unterzogen und zeitweilig der Leibgarde von Usama Bin Laden angehört habe.

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Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und beantragte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen lehnte den Antrag mit Beschluss vom 10. April 2006 – 8 L 409/06 – ab. Die gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde wies der erkennende Senat mit Beschluss vom 22. Oktober 2007 – 17 B 669/06 – zurück. Ein im April 2006 vom Kläger gestellter Asylantrag blieb weitgehend erfolglos. Mit Bescheid vom 21. Juni 2010 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fest, dass in Bezug auf den Kläger hinsichtlich Tunesien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliege.

6

Ein gegen den Kläger eingeleitetes Strafverfahren wegen falscher uneidlicher Aussage in Bezug auf seine Ende 1999/Anfang 2000 unternommene Reise in den Mittleren Osten wurde durch das Amtsgericht E.          mit Beschluss vom 10. August 2009 nach § 153a Abs. 2 StPO nach Zahlung einer Auflage in Höhe von 300,00 Euro endgültig eingestellt.

7

Der Kläger ist seit September 2005 verheiratet. Seine Ehefrau und das im Februar 2007 geborene erste Kind wurden am 26. Januar 2010 unter Beibehaltung ihrer tunesischen Staatsangehörigkeit eingebürgert. Auch die im September 2008, November 2009 und Mai 2014 geborenen weiteren Kinder sind deutsche und zugleich tunesische Staatsangehörige.

8

Am 28. September 2009 beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG und wies unter dem 18. März 2010 darauf hin, dass wegen der familiären Bindungen auch ein dauerhaftes Abschiebungshindernis im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG bestehe.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2010 wies die Bezirksregierung B.        den Widerspruch gegen die Verfügung der Beklagten vom 10. März 2006 zurück und begründete dies u.a. wie folgt:

10

Soweit sich der Widerspruch gegen die Abschiebungsandrohung richte, sei er unzulässig, da der Kläger aufgrund des Asylantrags eine Aufenthaltsgestattung erhalten habe und die Abschiebungsandrohung somit gegenstandslos geworden sei. Soweit sich der Widerspruch gegen die Ausweisung richte, sei er unbegründet.

11

Der Kläger erfülle den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, da gewichtige Tatsachen darauf hinwiesen, dass er mit führenden Personen des Terrornetzwerkes Al Qaida in intensivem Kontakt gestanden und diese Organisation unterstützt habe. Insbesondere habe er sich in einem Ausbildungslager der Organisation einer militärischen Ausbildung unterzogen und zeitweise auch der Leibgarde von Usama Bin Laden angehört. Dies ergebe sich aus den Feststellungen im sogenannten Al-Tawhid-Prozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) E.          – III-VI 13/03 –, dessen Gegenstand Planungen einer deutschen Zelle der islamistischen Gruppierung Al-Tawhid zu Sprengstoffanschlägen in Düsseldorf und Berlin gewesen seien. Die Angeklagten dieses Strafverfahrens seien mit Urteil vom 26. Oktober 2005 zu Freiheitsstrafen zwischen fünf und acht Jahren verurteilt worden. Die Zeugenaussagen und die rechtskräftigen Feststellungen des OLG E.          in diesem Urteil seien Tatsachen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Angabe des Klägers, die Aussage des Hauptbelastungszeugen sei falsch, sei vom OLG E.          widerlegt worden.

12

Für die Annahme des Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG werde nicht verlangt, dass der entsprechende Sachverhalt bewiesen oder belegt sei, es reiche vielmehr, dass aufgrund von Tatsachen eine solche Schlussfolgerung gerechtfertigt sei. Dies sei auf der Grundlage der vorgenannten rechtskräftigen Feststellungen des OLG E.          der Fall. Hinzu komme, dass der Kläger fortdauernd Kontakt zu Personen des islamistischen Spektrums pflege und bei ihm umfangreiches Material zum Thema Islamismus und Jihad sichergestellt worden sei. Der festgestellte Sachverhalt begründe auch eine gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers. Es sei kein in der Vergangenheit abgeschlossener Sachverhalt anzunehmen, der eine Zäsur zu den früheren belegten Aktivitäten des Klägers begründen könne. Insbesondere sei keine nachvollziehbare Grundlage für eine Abkehr von den Zielen der Organisation Al Qaida ersichtlich.  Im Übrigen sei auch der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5a AufenthG erfüllt.

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Da die Ehefrau und die Kinder des Klägers deutsche Staatsangehörige seien, genieße der Kläger besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG. Die Ausweisung sei nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung möglich. Solche lägen nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der Regel in den Fällen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG vor. Außergewöhnliche Sachverhaltsumstände, die ein Abweichen vom Regelfall begründen könnten, seien nicht ersichtlich. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 4 (richtig: Satz 5) AufenthG werde über die Ausweisung eines Ausländers, der besonderen Ausweisungsschutz genieße, in den Fällen des § 54 AufenthG nach Ermessen entschieden. Im Rahmen des eingeräumten Ermessens seien alle wesentlichen Umstände abgewogen worden. Dabei sei insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der auch den Schutz des Artikels 8 EMRK umfasse, beachtet worden. Die Ausweisung sei keine unangemessene Reaktion auf die vom Kläger ausgehende Gefahr. Es bestehe ein sehr hohes öffentliches Interesse an der Bekämpfung des Terrorismus, was sich aus den in Rede stehenden gesetzlichen Tatbeständen ergebe. Die Ehefrau des Klägers sei tunesischer Herkunft. Sie besitze ebenso wie die Kinder neben der deutschen auch die tunesische Staatsangehörigkeit. Angesichts dessen führten die persönlichen Verhältnisse der Familienmitglieder nicht zu einer Unzumutbarkeit einer Fortsetzung der Familieneinheit in Tunesien, zumal die Ehefrau des Klägers sich in der Zeit von 1994 bis 1999 dort aufgehalten habe.

14

Soweit der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis begehre, stehe dem § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG entgegen.

15

Die dem Kläger auferlegte tägliche Meldepflicht und die örtliche Beschränkung auf das Gebiet der Stadt C.      beruhten auf § 54a AufenthG. Angesichts der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit sei es gerechtfertigt, dass er sich täglich bei der Polizeibehörde melden müsse.

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Der Kläger hat am 30. April 2010 Klage erhoben, zu deren Begründung er ausgeführt hat:

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Die Voraussetzungen für eine Ausweisung lägen nicht vor. Er habe sich zu keiner Zeit in Afghanistan aufgehalten und sich immer von Al Qaida und islamistischem Terrorismus distanziert. Die Aussagen des Belastungszeugen T.  B1.        im Al-Tawhid-Prozess vor dem OLG E.          seien falsch. Er – der Kläger – sei im Übrigen nicht Mitglied der Tablighi Jamaat (TJ), die ohnehin nicht terroristisch sei, und habe mit islamistischen Straftätern, die inzwischen verurteilt seien, lediglich zufällige Kontakte gehabt. Insbesondere sei die Annahme falsch, er sei persönlich mit dem Islamisten S. C1.      bekannt. Dementsprechend seien strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn – den Kläger – auch letztlich eingestellt worden. Im Übrigen könne von einer gegenwärtigen Gefahr, die sich aus seiner Person ergebe, nicht ausgegangen werden. Hierfür gebe es keinerlei konkrete Anhaltspunkte. Vielmehr habe er sich in den letzten fünf Jahren mehr als 1600 mal persönlich bei der Polizei in C.      vorgestellt, ohne dass ein Grund für eine von ihm ausgehende Gefährlichkeit habe dargetan werden können. Der entsprechende Verdacht der Sicherheitsbehörden gegen ihn sei allein spekulativ. Er habe sich immer für eine gewaltfreie Islamisierung ausgesprochen und dies gegenüber dem OLG E.          bei seiner Zeugeneinvernahme bekundet. Der angefochtene Bescheid würdige im Übrigen nicht hinreichend, dass er verheiratet und Vater von mehreren Kindern sei. Die Beklagte habe das ihr zustehende Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt und nicht berücksichtigt, dass zu seinen – des Klägers – Gunsten ein Abschiebungsverbot bezüglich Tunesien nach § 60 Abs. 2 AufenthG bestehe. Gerade vor dem Hintergrund, dass eine aktuelle Gefahr von ihm nicht ausgehe, werde die Entscheidung seinen berechtigten Interessen und denen seiner Familie nicht gerecht.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 10. März 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung B.        vom 29. März 2010 in der Fassung der Erklärung der Beklagten vom 27. Januar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

20

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und Bezug genommen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung. Im erstinstanzlichen Verhandlungstermin vom 27. Januar 2011 hat sie erklärt, die Ausweisung werde nicht mehr auf § 54 Nr. 5a AufenthG und auch nicht mehr auf generalpräventive Erwägungen gestützt. In dem weiteren Verhandlungstermin vom 24. März 2011 hat sie die Erwägung, es sei den Angehörigen des Klägers zuzumuten, mit diesem zusammen in Tunesien zu leben, fallengelassen und stattdessen postuliert, das auf der Gefährlichkeit des Klägers beruhende öffentliche Interesse an der Ausweisung mache eine etwaige Trennung von seinen Angehörigen für alle Familienmitglieder zumutbar. Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 31. März 2011 hat sie als weiteren Ausweisungszweck die Herbeiführung der Rechtsfolgen der §§ 11 Abs. 1 und 54a AufenthG genannt. Im Übrigen hat die Beklagte ergänzend vorgetragen, der Kläger halte auch gegenwärtig Kontakt zu fundamentalistischen, insbesondere salafistischen Kreisen.

23

Das beigeladene Land hat keinen Antrag gestellt.

24

Mit Urteil vom 24. März 2011 hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid vom 10. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung B.        vom 29. März 2010 und in Fassung der Erklärungen der Beklagten in den Terminen zur mündlichen Verhandlung am 27. Januar 2011 und 24. März 2011 sowie des Schriftsatzes der Beklagten vom 31. März 2011 aufgehoben, soweit der Kläger ausgewiesen und ihm aufgegeben wurde, sich täglich bei der Polizei in C.      zu melden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

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Die angefochtene Entscheidung könne hinsichtlich der Ausweisung keinen Bestand haben. Dies gelte ungeachtet des Umstandes, dass die Kammer mit der Beklagten und dem Beigeladenen davon ausgehe, dass im Fall des Klägers die Voraussetzungen des Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG vorlägen. Das Gericht „schließ(e) sich insoweit der Beweisführung im Urteil des OLG E.          vom 26. Oktober 2005 an“, das überzeugend dargelegt habe, dass und warum es aufgrund der Aussage des Zeugen B1.        davon ausgehe, dass sich der Kläger im Jahr 1999 in einem Ausbildungslager der Al Qaida in Afghanistan aufgehalten habe. Das OLG E.          habe im Einzelnen dargelegt, dass und warum es den gegenteiligen Beteuerungen des Klägers keinen Glauben geschenkt habe. Hiervon abzuweichen, böten dessen pauschalen und völlig unsubstantiierten Angaben auch nach Ansicht der Kammer keine Veranlassung, zumal nicht im Ansatz erklärlich sei, aus welchem Motiv der Kläger allein und ohne jegliche Unterstützung in Karatschi geblieben sein solle, während die weiteren Mitglieder bis auf den Reiseleiter, der sich nach Lahore begeben habe, sämtlich nach Afghanistan weitergereist seien. Die Kammer sei überzeugt, dass der Kläger im Jahre 1999 an einer militärischen Ausbildung bei der Al Qaida in Afghanistan teilgenommen und im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG eine terroristische Vereinigung unterstützt habe.

26

Weiterhin sei von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit im Sinne der vorgenannten Vorschrift auszugehen. Diese sei durch die absolvierte militärische Ausbildung, aber auch im Hinblick darauf indiziert, dass der Kläger aufgrund seines Studiums über umfangreiche technische Kenntnisse verfüge, die im Rahmen einer terroristischen Tätigkeit nutzbar gemacht werden könnten. Auch wenn er sich seit seiner Rückkehr ins Bundesgebiet im Jahre 2000 nicht nachweisbar für terroristische Ziele eingesetzt habe, spreche wegen der typischerweise konspirativen Verhaltensweisen von Terroristen eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine Verbindung zu der Organisation, die er in der Vergangenheit nachweislich unterstützt habe, weiterbestehe, und zwar auch dann, wenn diese innere Verbundenheit nicht erkennbar zum Ausdruck gekommen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe eine Aufrechterhaltung der durch den Ausländer gegebenen Gefährdung deshalb in aller Regel angenommen, solange es an einer glaubhaften Distanzierung von der Organisation und ihren Zielen fehle. Diese Wertung finde ihre Entsprechung in der Regelung des § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG. Für eine solche Distanzierung sei dem Verhalten des Klägers nichts zu entnehmen. Vielmehr bestünden gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass er über den Aufenthalt in Afghanistan hinaus Verbindungen zu terroristischen Kreisen aufrechterhalten habe. Es sei schwer vorstellbar, dass der Kläger die Bekanntschaft mit einer Vielzahl wegen terroristischer Gewaltakten verurteilter Ausländer und deutscher Konvertiten einräume, aber insoweit stets geltend mache, diese Bekanntschaften beruhten auf zufälligen Begegnungen. Ein Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts gegen den Kläger sei trotz vorhandener Anhaltspunkte nur mangels hinreichender Nachweisbarkeit von Straftaten eingestellt worden. Auch ansonsten sei eine glaubwürdige Distanzierung des Klägers von den ihm anzulastenden Unterstützungshandlungen nicht zu erkennen. Die Kammer schließe sich der Bewertung der Beklagten und des Beigeladenen hinsichtlich der Betätigung des Klägers in fundamentalistischen und salafistischen Kreisen in C.      an. Insgesamt gäben die Aktivitäten des Klägers im Bundesgebiet nach seiner Rückkehr aus Afghanistan jedenfalls keinen konkreten Anlass zu der Annahme, er habe sich von den Zielen des Terrorismus entfernt und von ihm gehe verlässlich eine Gefährlichkeit nicht mehr aus.

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Ungeachtet des Umstandes, dass damit ein schwerwiegender Grund für die Ausweisung des Klägers vorliege, sei die von der Beklagten wegen der familiären Lebensgemeinschaft des Klägers mit einer deutschen Ehefrau und drei deutschen Kindern zu Recht als Ermessensentscheidung vorgenommene Ausweisung rechtswidrig. Die Entscheidungsfindung der Beklagten genüge nicht den Anforderungen des § 40 VwVfG NRW; sie erweise sich jedenfalls im Ergebnis als unverhältnismäßig. Insbesondere fehle es an einer konkreten Befassung mit den Belastungen, die sich für die Familie aus der mit der Ausweisung festgeschriebenen Möglichkeit ergäben, die Familieneinheit gegen den Willen der Familienmitglieder aufzuheben. Es hätte „nahegelegen“ darzulegen, dass den Aufenthalt des Klägers regelnde Nebenbestimmungen nicht so gestaltet werden könnten, dass die von ihm ausgehende Gefahr angesichts der Bedeutung des Familienlebens hinnehmbar sei.

28

Unbegründet sei die Klage, soweit der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beziehungsweise deren Verlängerung begehre. Die Annahme des Vorliegens des Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG gehe einher mit dem Titelerteilungsverbot nach § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Anhaltspunkte, die es rechtfertigten, auf der Grundlage des Satzes 2 dieser Vorschrift von diesem Verbot abzusehen, seien nicht erkennbar.

29

Auf den Antrag des Klägers und auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 03. September 2013 die Berufungen zugelassen.

30

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor:

31

Soweit in dem angefochtenen Urteil die Auffassung vertreten werde, in seiner Person lägen die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG vor, werde dies wesentlich auf die Feststellung in dem Urteil des OLG E.          vom 26. Oktober 2005 gestützt, dass er eine „militärische Ausbildung“ durchlaufen habe. Gegen diese Feststellung in dem Urteil des OLG E.          bzw. die daraus gezogenen Folgerungen bestünden erhebliche Bedenken. Die Glaubwürdigkeit des seinerzeitigen Zeugen B1.        sei, was diesen Punkt seiner Aussage angehe, nicht belegt. Dieser habe sich in dem vorgängigen, gegen ihn selbst gerichteten Strafverfahren vor dem gleichen Strafsenat des OLG E.          anders geäußert. Seine Angaben in den Beschuldigtenvernehmungen während des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens habe er ständig grundlegend geändert. Detailangaben in Bezug auf ihn – den Kläger – und den Mitreisenden U.          fehlten. B1.        sei bei der Vernehmung auch nicht damit konfrontiert worden, aus welchen Gründen er seine Äußerungen im Hinblick auf seine Begleiter wesentlich geändert habe. In dem das gegen B1.        gerichtete Strafverfahren abschließenden Strafurteil des OLG E.          vom 26. November 2003 sei nicht erwähnt, dass B1.        sich mit ihm – dem Kläger – nach Afghanistan begeben habe. Vielmehr werde dort ausgeführt, B1.        habe sich entschlossen, nicht in Pakistan zu bleiben, sich von der Gruppe zu trennen und allein nach Afghanistan weiter zu reisen. Ferner heiße es dort, B1.        habe sich – abgesehen von Ahmed dem Pakistani – von der übrigen Reisegruppe getrennt und für wenige Tage mit Ahmed im Haus des B2.   gewohnt. Im Urteil vom 26. Oktober 2005 habe das OLG E.          zudem in Kauf genommen, dass B1.        zu einem als „nebensächlich“ erachteten Komplex nicht die Wahrheit gesagt habe. Soweit die Beklagte diesem Urteil entnehme, er – der Kläger – habe S.     C2.          gekannt, ergebe sich dies nicht aus den Feststellungen. Er – der Kläger – sei von kleiner Statur (165 cm) und habe schon deswegen nicht zum Kreis der potentiellen „Verteidiger“ des großgewachsenen Bin Laden zählen können.

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Fest stehe, dass ihm trotz der intensiven und lange währenden Überwachung seiner Person keinerlei Anhaltspunkte für terroristische, salafistische oder islamistische Tätigkeiten nachgewiesen worden seien. Ausweislich der Stellungnahme des Innenministeriums NRW vom 31. August 2013 an die Präsidentin des Landtages NRW lägen den Sicherheitsbehörden trotz intensiver Beobachtung keine gerichtsfesten Hinweise vor, wonach er – der Kläger – gezielt Personen aus seinem Umfeld radikalisiere. Er gehöre nicht zu den Salafisten, sondern sei bekennender Anhänger des mittleren Weges „Wassatiya“ und lehne Gewalt zur Verbreitung des islamischen Glaubens ab.

33

Mit Schriftsatz vom 09. April 2015 hat die Beklagte mitgeteilt, dass die Wirkungen der streitgegenständlichen Ausweisung auf zehn Jahre ab Ausreise befristet werden.

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Der Kläger beantragt,

35

  • 36
  1. das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Versagungsentscheidung in ihrer Ordnungsverfügung vom 10. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung B.        vom 29. März 2010 zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären, hilfsweise aus humanitären Gründen zu erteilen sowie

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  • 38
  1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,hilfsweise,unter Abänderung der Befristungsentscheidung im Schriftsatz der Beklagten vom 9. April 2015 die Wirkungen der Ausweisung auf zwei Jahre ab Ausreise zu befristen.

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Die Beklagte beantragt,

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  • 41
  1. das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klage vollumfänglich abzuweisensowie

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  • 43
  1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

44

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG liege vor. Insoweit seien die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil zu den Unterstützungshandlungen und zur gegenwärtigen Gefährlichkeit des Klägers zutreffend. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts seien die angestellten Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden. Diese berücksichtigten die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes des Klägers und seine schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet, die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen und die in § 60a Abs. 2 AufenthG genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung. Danach sei die Ausweisung verhältnismäßig.

45

Das Beigeladene beantragt,

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  • 47
  1. das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klage vollumfänglich abzuweisensowie

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  • 49
  1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

50

Es verweist auf die Feststellungen des OLG E.          in seinem Urteil vom 26. Oktober 2005, wonach die Angaben des dortigen Zeugen B1.        glaubhaft und er selbst glaubwürdig sei. Die Aussage des B1.        in seiner Be-schuldigtenvernehmung vom 05. Dezember 2002 stehe nicht im Widerspruch zu seinen vorangegangenen Einlassungen. Im Ergebnis könnten hinsichtlich der Einlassungen des B1.        keine unerklärlichen Widersprüche oder wesentlichen Veränderungen des Aussageinhalts festgestellt werden. Verschiedene Angaben von ihm bezüglich seiner Mitreisenden hätten im Nachgang der Ermittlungen zur Al-Tawhid-Zelle Bestätigung gefunden. Zudem hätten T.     B1.        und der Reiseleiter L.    übereinstimmend erklärt, dass sich der Kläger mit T.     B1.        , U.          und B3.      von L.    in Karatschi getrennt habe. Ob der Kläger gegenüber L.    die beabsichtigte Weiterreise nach Afghanistan offenbart oder aber ausredehalber einen Verbleib in Karatschi behauptet habe, könne dahinstehen. Ein Aufenthalt B4.         , B5.       und U1.           im fraglichen Zeitraum in Afghanistan stehe jedenfalls fest.

51

Der Kläger sei in die salafistische Szene eingebunden und habe Kontakte zu Personen aus dem salafistischen Umfeld. Augenfällig sei, dass aus dem „Kreis der Schüler“ des Klägers regelmäßig Personen hervorgingen, die sich im Grenzgebiet Afghanistan/Pakistan bzw. Syrien terroristischen Vereinigungen anschlössen bzw. einschlägig in Erscheinung träten. Die weiterhin bestehende Einbindung des Klägers in salafistische-jihadistische Strukturen belege seine gegenwärtige Gefährlichkeit.

52

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen S1.     B6.     L.    zu den Umständen der von ihm gemeinsam mit dem Kläger und weiteren Personen unternommenen Reise nach Pakistan Ende 1999/Anfang 2000. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

53

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie der im Übrigen beigezogenen Akten Bezug genommen.

54

Entscheidungsgründe:

55

Die Berufung der Beklagten ist begründet, der Berufung des Klägers bleibt der Erfolg versagt. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 10. März 2006 in der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgeblichen Fassung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.

56

  1. Die unter Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides vom 10. März 2006 verfügte Ausweisung gemäß § 54 Nr. 5 AufenthG ist rechtmäßig.

57

  1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben. Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal „Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt“ als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat).

58

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 – 1 C 9.12 –, BVerwGE 147, 261 ff. = juris, Rdn. 12 m.w.N.

59

  1. a) Der Senat sieht es als erwiesen an, dass der Kläger Ende 1999 / Anfang 2000 die terroristische Organisation Al Qaida unterstützt hat, indem er sich in einem von ihr betriebenen Lager in Afghanistan einer militärischen Ausbildung unterzogen und zeitweilig der Leibgarde von Usama bin Laden angehört hat. Die diesbezügliche Überzeugung des Senats gründet auf einer Zusammenschau der in Form von polizeilichen Vernehmungsprotokollen vorliegenden Aussagen des T.     B1.        und der Bekundungen des Zeugen S1.     B6.     L.    im Rahmen seiner Vernehmung durch den Senat.

60

  1. aa) Der Beweiswert der Protokolle über die polizeilichen Vernehmungen des T.     B1.        ist begrenzt. Als Urkunden, §§ 98 VwGO, 415 ff. ZPO, beweisen sie lediglich, dass die dort niedergelegten Aussagen getätigt worden sind, nicht aber, ob sie inhaltlich zutreffend sind. Letzteres ist vielmehr eine Frage der dem Senat obliegenden Beweiswürdigung. Denn Grundlage der Wahrheitsfindung ist in einem solchen Fall nur die Urkunde und nicht der Eindruck der behördlichen Verhörsperson von der Glaubwürdigkeit des Vernommenen; das Gericht darf sich von der Beweiswürdigung der Behörde nicht leiten lassen. Aussagen zur Glaubhaftigkeit der Aussage oder – erst recht – zur Glaubwürdigkeit des außergerichtlich vernommenen Zeugen bedürfen daher einer zusätzlichen Grundlage.

61

Vgl. BVerwG; Urteil vom 28. Juli 2011 – 2 C 28.10 –, BVerwGE 140, 199 = juris, Rdn. 19 m.w.N.

62

  1. bb) Die Würdigung der Aussagen des T.     B1.        durch das OLG E.          in seinen Urteilen vom 26. November 2003 – III-VI 7/03 – und vom 26. Oktober 2005 – III-VI 13/03 – bindet den Senat nicht. Im Gegensatz zu jenem Gericht, das den T.     B1.        zunächst als Angeklagten und später als Zeugen umfangreich gehört hat, hat der Senat sich keinen persönlichen Eindruck von ihm verschaffen können, da er seit seiner im November 2005 erfolgten Ausreise unbekannten Aufenthalts ist. Hinzu kommt, dass das den Mittelpunkt des vorliegenden Verfahrens bildende Geschehen – die Ende 1999 / Anfang 2000 durchgeführte Reise in den Mittleren Osten – in den vom OLG E.          entschiedenen Strafverfahren nur einen für den Anklagevorwurf unerheblichen Randaspekt darstellte. Dies mag der Grund dafür sein, dass die beiden strafgerichtlichen Urteile insoweit von zum Teil unterschiedlichen Sachverhaltsannahmen ausgehen, ohne dass das später ergangene Urteil diese Divergenzen auch nur thematisieren würde. Schließlich hat die Würdigung der Aussagen des T.     B1.        durch das OLG E.          für den Senat auch deshalb nur einen begrenzten Erkenntniswert, weil sie sich maßgeblich darauf stützt, dass die – die Anklagevorwürfe betreffenden – Aussagen durch „eine Vielzahl weiterer Zeugen- und Sachbeweise“ bestätigt werden; diese sind für das vorliegend in Rede stehende Geschehen ohne Relevanz.

63

  1. cc) Im Ergebnis geht indes auch der Senat davon aus, dass die Aussagen des T.     B1.        in Bezug auf die Ende 1999 / Anfang 2000 durchgeführte Reise in den Mittleren Osten (1) zutreffend sind. Maßgeblich hierfür ist, dass diese Aussagen eine mittelbare Bestätigung durch die Bekundungen des Zeugen S1.     B6.     L.    im Rahmen seiner Vernehmung durch den Senat erfahren (2).

64

(1)  Ausgehend von den Angaben des T.     B1.        ergibt sich folgender, im Urteil des OLG E.          vom 26. Oktober 2005 – III-VI 13/03 – festgestellter Sachverhalt:

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Der Kläger sowie die Mitreisenden U.          und B3.      waren von Beginn an fest entschlossen, alsbald von Pakistan aus nach Afghanistan weiterzureisen, um dort ein Lager der Al Qaida aufzusuchen (S. 30). Den Zeugen L.    , der die Reise nach Pakistan organisierte und sich um die Beschaffung der Visa kümmerte, informierten sie hierüber jedoch nicht. Auch den T.     B1.        hatten sie über die wahren Motive ihrer ihm gegenüber angedeuteten Weitereise nach Afghanistan im Unklaren gelassen. In Mekka traf T.     B1.        auf einen B7.  N.    , der ihm empfahl, zur Vertiefung seiner Religionskenntnisse statt nach Pakistan nach Afghanistan zu reisen. Hierüber informierte er den Kläger, U.          und B3.      . Zusammen entschloss man sich, zwar mit dem Zeugen L.    noch nach Karatschi zu reisen, sich dort aber von diesem zu trennen, um sich nach Afghanistan zu begeben. In Karatschi wurde dem Zeugen L.    sodann mitgeteilt, dass man ihn nicht weiter nach Raiwind (Lahore) begleiten werde, worüber der Zeuge L.    verärgert war. Ohne diesen wurden die vier Personen von Quittah aus nach Afghanistan eingeschleust und gelangten nach Kandahar (S. 31). B3.      begab sich zu einem von der Al Qaida unterhaltenen Wohnkomplex am Flughafen von Kandahar, wo er im unmittelbaren Umfeld des dort aufhältigen Bin Laden tätig war (S. 32). T.     B1.        , U.          und der Kläger begannen einen auf 45 Tage angelegten militärischen Grundlehrgang im Al-Qaida-Lager „Al Farouk“. Nach vorzeitigem Abbruch infolge eines Unfalls und Genesung (S. 33) wurde T.     B1.        als Leibwächter für Bin Laden rekrutiert. Nach zwei bis drei Wochen bat er um Entbindung von dieser Aufgabe, um sein Religionsstudium fortzusetzen (S. 146). Der Kläger, der auch eine Funktion in der Leibgarde Bin Ladens wahrgenommen hatte, war mit einer Panzerfaust der Marke RPG ausgestattet. Diese Feststellungen des OLG E.          stehen in Einklang mit den Angaben des T.     B1.        in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 05. Dezember 2002.

66

(2) Die Glaubhaftigkeit dieser Angaben drängt sich dem Senat im Lichte der Aussagen des von ihm vernommenen Zeugen S1.     B6.     L.    auf.

67

Dieser hat bekundet, er sei mit dem Kläger sowie mit B1.        , U.          und B3.      , die er allesamt aus der Moschee in Krefeld gekannt habe, im Jahr 1999 zu einem Treffen der Tablighi Jamaat (TJ) nach Hamburg gereist. Die vier jungen Leute hätten großes Interesse am Glauben gezeigt und schnell ihre Bereitschaft erklärt, ihren Glauben in Pakistan zu vertiefen. In Hamburg sei beschlossen worden, als Gruppe nach Pakistan in das Zentrum der TJ in Lahore zu reisen, wo das eigentliche religiöse Programm habe stattfinden sollen. Er – der Zeuge – habe dort 40 Tage bleiben wollen; die jungen Leute hätten einen viermonatigen Aufenthalt geplant. Von der in der Regel zunächst erforderlichen Absolvierung eines 40-Tage-Programms in Deutschland habe die TJ abgesehen. Nach einem zwei- bis dreitägigen Zwischenstopp in Karatschi, bei dem die örtliche TJ die Tickets für den Weiterflug nach Lahore besorgt habe, sei die fünfköpfige Reisegruppe von TJ-Leuten mit einem Minibus zum Flughafen gefahren worden zwecks Weiterfluges nach Lahore. Nachdem sie im Flughafengebäude angekommen seien und ihre Gepäckstücke auf eine Transportkarre gestellt hätten, habe einer der jungen Leute dem Zeugen mitgeteilt, dass sie ihn nicht nach Lahore begleiten, sondern in Karatschi bleiben würden. Er habe entgegnet, dass er die Verantwortung für die Reisegruppe trage, und versucht, sie zu veranlassen, zumindest für 40 Tage mit nach Lahore zu kommen. Dies hätten sie jedoch abgelehnt. Einen Grund für den Verbleib in Karatschi hätten sie nicht genannt. Das Gespräch sei kurz gewesen, da der Abflug unmittelbar bevorgestanden habe. Er sei dann allein nach Lahore geflogen.

68

Die Angaben des Zeugen L.    sind glaubhaft. Soweit sie die in Deutschland getroffene Absprache bezüglich der Dauer des geplanten Aufenthalts in Pakistan betreffen, stehen sie im Einklang mit den – vom Zeugen nachvollziehbar dargelegten – Ausbildungsregeln der TJ. Diese sehen vor, dass einem ersten „Test“ in Form eines 40-tägigen Ausbildungskurses und –programmes in Deutschland eine viermonatige Grundausbildung in religiösen Auslandsausbildungszentren (Pakistan, Indien, Bangladesh) folgt. Erst danach finden 40-tägige Auslands-„Auffrisch-ungskurse“ statt. Der Glaubhaftigkeit der Angabe, die vier Mitreisenden hätten einen viermonatigen Aufenthalt geplant, steht nicht die auf drei Monate befristete Geltungsdauer der dem Kläger und U.          erteilten Visa entgegen. Denn es war – wie der Zeuge L.    nachvollziehbar erläutert hat – unproblematisch und gängige Praxis, ein Visum bei Bedarf vor Ort mit Hilfe der TJ-Organisation verlängern zu lassen. Den Dispens vom Erfordernis eines 40-Tage-Programms in Deutschland hat der Zeuge L.    nachvollziehbar mit dem gezeigten besonderen religiösen Interesse der vier jungen Leute erklärt. Nachvollziehbar ist zudem seine Bekundung, es sei der gemeinsame Plan gewesen, nach Lahore zu reisen. Dies ist die Heimat des Zeugen L.    , der im Anschluss an den von ihm geplanten 40-tägigen Aufenthalt zu religiösen Zwecken seine dort lebende Familie besuchen wollte. Zudem findet sich in Lahore das pakistanische religiöse Zentrum (Hauptstelle) der TJ, während die Organisation in Karatschi lediglich einen „Filialbetrieb“ unterhält. Der Zeuge L.    hat anschaulich geschildert, dass er sich für die vier jungen Leute verwandt und sich demgemäß für sie „verantwortlich“ gefühlt hat.

69

Außerordentlich plastisch und greifbar war seine Schilderung der Trennungssituation im Flughafengebäude von Karatschi vor seinem Weiterflug nach Lahore. Der Senat konnte die von dem Zeugen dargelegte Drucksituation, die durch die im letztmöglichen Augenblick erfolgte Mitteilung der übrigen vier Reiseteilnehmer, nicht mit nach Lahore fliegen, sondern in Karatschi bleiben zu wollen, entstanden war, unmittelbar nachempfinden. Die vier Mitreisenden hatten dem Zeugen L.    bis zum letzten Moment ihre Bereitschaft vorgespiegelt, entsprechend der bereits in Deutschland getroffenen Planung gemeinsam mit ihm nach Lahore zu reisen. Dies manifestierte sich in dem Kauf der fünf Flugtickets für den Weiterflug, der gemeinsamen, von der TJ durchgeführten Fahrt zum Flughafen von Karatschi und dem Transport sämtlichen Reisegepäcks in das Flughafengebäude. Diese Strategie verhinderte von vornherein jede Möglichkeit einer vernünftigen Diskussion. Überzeugend schilderte der Zeuge auch seinen aus seiner Verantwortung für die Gruppe erwachsenen, erfolglos gebliebenen Kompromissvorschlag, die vier jungen Leuten sollten zumindest für einen 40-Tage-Aufenthalt mit nach Lahore als dem religiösen Zentrum der TJ in Pakistan reisen.

70

Der Senat erachtet den Zeugen L.    uneingeschränkt als glaubwürdig. Sein Aussageverhalten war gekennzeichnet durch Sachlichkeit, Vermeidung jeglicher Spekulation und das erkennbare Bemühen, die lang zurückliegenden Ereignisse zutreffend zu erinnern. Demgemäß präsentieren sich seine Schilderungen als eingängig und nachvollziehbar.

71

Ausgehend von den glaubhaften Angaben des Zeugen L.    und seiner Glaubwürdigkeit ist der Senat zu der vollen Überzeugung gelangt, dass sich die Ereignisse so, wie von dem Zeugen L.    geschildert, zugetragen haben.

72

Dies gilt auch unter Berücksichtigung der diesbezüglich abweichenden Angaben des Klägers. Dieser hat angegeben, auf dem Treffen der TJ in Hamburg seien er, U.          , B1.        und B3.      motiviert worden, eine auf ca. 40 Tage angelegte Reise nach Pakistan zu unternehmen. Er sei zunächst noch nicht entschlossen gewesen. Der Zeuge L.    habe allerdings weiter versucht, ihn hierfür zu gewinnen. Gegen diese Zuweisung der Initiative an den Zeugen L.    und die TJ spricht jedoch das von dem Zeugen L.    geschilderte Ausbildungssystem der TJ, wonach regelmäßig erst nach einem erfolgreich absolvierten 40-tägigen Deutschlandprogramm eine viermonatige (Grund-) Ausbildung im Ausland erfolgt. Den Dispens von dem 40-Tage-Deutschlandprogramm hat der Kläger nicht thematisiert.

73

Der Kläger behauptet ferner, es habe keine Absprache mit dem Zeugen L.    dahingehend gegeben, dass die gesamte Reisegruppe von Karatschi aus weiter nach Lahore fahren werde; vor Reiseantritt habe der Reiseverlauf im Einzelnen nicht festgestanden. Indes sprechen bereits organisatorische Gründe wie auch die allgemeine Lebenserfahrung offenkundig dagegen, dass die zentralen Eckpunkte einer solchen Reise, zu denen insbesondere der grundsätzliche Routenverlauf gehört, nicht näher geplant gewesen sein sollen. Dies gilt umso mehr, als die Reise von dem anlässlich des Deutschlandtreffens der TJ in Hamburg eingeholten Placet der Organisation abhängig und den vier jungen Leuten ein „Verantwortlicher“ in der Person des Zeugen L.    zugeordnet war. Dem liegt zugrunde, dass derartige Reisen nicht allein den religiösen Bedürfnissen der Gläubigen, sondern auch den missionarischen Interessen der Organisation TJ zu dienen bestimmt sind. Letztere zielen auf eine möglichst breite Mobilisierung, die eine entsprechende Effizienz des Ressourceneinsatzes erfordert. Demgemäß streitet auch die Begrenztheit der vor Ort vorhandenen Kapazitäten für das Erfordernis einer Planung.

74

Der glaubhaften Schilderung der Trennungssituation am Flughafen in Karatschi durch den Zeugen L.    ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Er hat sich darauf beschränkt, den Vorgang in Abrede zu stellen und an seiner Sachdarstellung einer durch die TJ veranlassten Verteilung der Reiseteilnehmer auf verschiedene Pilgergruppen in Karatschi festzuhalten. Seine Behauptung, man habe unter Einbeziehung des Zeugen L.    darüber gesprochen und die Trennung akzeptiert, ist völlig farblos und lässt jeden Ansatz einer Darstellung der im Rahmen dieser angeblichen Diskussion vertretenen Positionen und Argumente vermissen. Auch fehlt es an jedweder Angabe dazu, ob und in welcher Weise man sich über eine gemeinsame Rückreise nach Abschluss der religiösen Ausbildung verständigt hat.

75

Auf der Basis der Schilderung des Zeugen L.    ist der Senat davon überzeugt, dass die von seinen Begleitern provozierte Trennungssituation „auf den letzten Drücker“ im Flughafengebäude von Karatschi zum einen dem Ziel diente, sich von dem Zeugen L.    mit dem geringstmöglichen (Diskussions-) Aufwand zu trennen und jegliche Reaktionsmöglichkeit zu vereiteln. Zum anderen sollte auf diesem Weg erreicht werden, dass sich die Gruppe dem Blickfeld der TJ-Verantwortlichen in Karatschi entziehen konnte. Im Ergebnis mussten diese davon ausgehen, dass die Gruppe in Lahore sei, während der Zeuge L.    sie in Karatschi wähnte. Dieses Täuschungsmanöver (Kauf der Flugtickets für den Flug nach Lahore, Fahrt zum Flughafen Karatschi mit Gepäck, das dort auf einen Transportkarren gestellt wird, Trennungsmitteilung im letzten Moment) lässt keinen anderen Schluss zu als den, dass die vier Personen damit einen von ihnen gefassten Plan, der gerade nicht eine religiöse Ausbildung in Pakistan beinhaltete, verfolgt und umgesetzt haben. Denn wenn es ihnen tatsächlich um eine religiöse Ausbildung gegangen wäre, hätte alles für eine Weiterreise nach Lahore in der Obhut des Zeugen L.    gesprochen; einen Grund für die – angebliche – Präferenz des Ausbildungsstandorts Karatschi hat der Kläger nicht genannt.

76

Der Senat ist unter dem Eindruck der Aussage des Zeugen L.    weiter davon überzeugt, dass die vorgängigen Angaben des T.     B1.        zu der Trennung, der Weiterreise und dem Aufenthalt der aus ihm – T.     B1.         –, dem Kläger, U.          und B3.      bestehenden Gruppe glaubhaft sind und tritt daher den diesbezüglichen Ausführungen des OLG E.          in dem Urteil vom 26. Oktober 2005 – III-VI 13/03 – (UA S. 137 ff.) bei. Soweit der Zeuge L.    vorliegend abweichend von seiner Aussage vor dem OLG E.          angegeben hat, nicht der Kläger, sondern U.          habe als Sprecher der Gruppe ihm mitgeteilt, sie würden nicht mit ihm nach Lahore weiterreisen, ist zum einen die Person des Sprechers unerheblich; maßgeblich ist vielmehr, dass der Zeuge L.    bei beiden Vernehmungen gleichlautend angegeben hat, dass eine Person als Sprecher der Gruppe aufgetreten sei. Zum anderen hat der Zeuge L.    angemerkt, dass die Ereignisse lang zurücklägen und er älter geworden sei, was ein punktuelles Erinnerungsdefizit in Bezug auf ein unerhebliches Randdetail nachvollziehbar erscheinen lässt.

77

Hinzu tritt, dass die Angaben des T.     B1.        in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren (Urteil des OLG E.          vom 26. November 2003 – III-VI7/03 –) wie auch in dem Strafverfahren gegen B2.   E1.     u.a. (Urteil des OLG E.          vom 26. Oktober 2005 – III-VI 13/03 –) sich in Bezug auf die die dortigen Anklagevorwürfe betreffenden Personen und Geschehnisse durchweg als zutreffend erwiesen haben und nichts dafür ersichtlich ist, dass er – T.     B1.         – einen Grund gehabt haben könnte, den Kläger (wie auch U.          und B3.      ) zu Unrecht zu belasten. Die knappe Erklärung des Klägers, der Zeuge B1.        sei „krank“, ist völlig unsubstantiiert und lässt im Übrigen offen, warum die angebliche Erkrankung ausschließlich die Aussageinhalte in Bezug auf die Reise nach Pakistan und Afghanistan beeinflusst haben sollte.

78

Weiterhin hat der Kläger im vorliegenden Verfahren erneut konkrete Angaben zu seinem behaupteten mehrmonatigen Aufenthalt in Pakistan vermissen lassen. In seiner informatorischen Anhörung vor dem erkennenden Senat setzte sich – trotz entsprechender Nachfragen – das Defizit der Schilderung individueller Erlebnisse und Begebenheiten fort. Die Ereignisse und Abläufe in Karatschi – so der Kläger – seien die gleichen gewesen wie bei den kleinen religiösen Wochenendreisen innerhalb Nordrhein-Westfalens. Dabei hätten die Reisen bzw. die religiösen Betätigungen „überall auf der Welt“ den gleichen Ablauf (fünf Gebete, dazwischen Vorträge und Gespräche, bei denen es immer um dieselben sechs Punkte [insbesondere Monotheismus, die Einzigartigkeit Gottes, die Motivierung nichtpraktizierender Muslime] gehe, sowie Kontaktaufnahme mit Muslimen auf der Straße, um sie zur Praktizierung ihres Glaubens zu motivieren). Diesen Angaben lässt sich nichts entnehmen, was nachvollziehbar auf den behaupteten längerfristigen Aufenthalt in Karatschi schließen ließe. Sämtlichen diesbezüglichen Nachfragen wich der Kläger mit allgemeinen Angaben aus.

79

Gänzlich unverständlich bleiben die Ausführungen des Klägers zu seinem in der Widerspruchsbegründung erwähnten Anerbieten, eine Bescheinigung der großen Moschee in Karatschi über seinen Aufenthalt im TJ-Zentrum vorzulegen. Er gab insoweit an, er gehe davon aus, dass man eine solche Bescheinigung beschaffen könne, er habe aber keinen diesbezüglichen Versuch unternommen, denn er wisse nicht, wie er das auf schriftlichem Wege tun solle. Er gehe aber davon aus, dass er vor Ort die betreffende Einrichtung auffinden würde und dort eine Bescheinigung erhalten könne. Angesichts der für den Kläger mehr als deutlichen Relevanz einer Substantiierung seiner Angaben zu dem behaupteten Aufenthalt in Karatschi bleibt völlig unverständlich, dass er nicht einmal einen (belegbaren) Versuch unternommen hat, z.B. unter Einschaltung der Verantwortlichen der TJ in Deutschland oder mit Hilfe anderer, nach Karatschi reisender Pilger, einen solchen, von ihm selbst als beschaffbar bezeichneten Nachweis zu erhalten.

80

Betreffend die Verlängerung des Aufenthalts in Karatschi soll es – so der Kläger – keine Probleme gegeben haben. Er habe keine konkrete Zeitdauer angeben müssen. Kurz vor der Abreise sei ihm seitens der TJ eine Bestätigung ausgestellt worden, dass er während der Zeit seines Aufenthalts Gast der TJ gewesen sei. Damit habe er trotz abgelaufenen Visums ungehindert ausreisen können. Diesen Angaben steht die vom Zeugen L.    geschilderte Konzeption und Struktur der Ausbildungsprogramme der TJ entgegen. Diese bedürfen der Organisation und Planung. Der Zeuge L.    hat ausgeführt, dass „nach vier Monaten … Schluss“ sei. Ein etwaiger Verlängerungswunsch mit entsprechender Visumverlängerung könne geltend gemacht werden, im Regelfall werde jedoch erwartet, dass man nach vier Monaten in sein Heimatland zurückkehre. Dies ist ohne Weiteres nachvollziehbar, erfolgen doch diese auf praktische Religionsausübung ausgerichteten Programme auch im Interesse der TJ, zahlreichen Ausbildungswilligen eine Teilnahme an diesen Programmen zu ermöglichen, damit diese sodann missionarisch tätig werden. Damit lässt sich der vom Kläger suggerierte „open end“–Aufenthalt gerade nicht vereinbaren.

81

Im Lichte der glaubhaften Angaben des Zeugen L.    und der unsubstantierten Angaben des Klägers zu seinem behaupteten Aufenthalt in Karatschi ist der Senat der Überzeugung, dass der Kläger sich nicht mehrere Monate dort in verschiedenen Moscheen aufgehalten hat. Die Trennung auf dem Flughafen Karatschi von dem Zeugen L.    verfolgte ein anderes Ziel als das der religiösen Aus-und Fortbildung in Pakistan.

82

Vor diesem Hintergrund und mangels eines Anhaltspunktes dafür, dass T.     B1.        ein Interesse gehabt haben könnte, den Kläger zu Unrecht zu belasten, sowie der Erweislichkeit seiner Aussagen im Übrigen gewinnt der Senat weiter die Überzeugung, dass die Schilderung des T.     B1.        , wonach der Kläger mit ihm, U.          und B3.      nach Afghanistan gereist ist, dort eine militärische Ausbildung absolviert hat und zeitweilig in der Leibgarde Bin Ladens tätig gewesen ist, zutrifft. Dies gilt auch in Ansehung der Entwicklung seiner Aussage zu dem vorliegend relevanten Geschehen in dem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren, die in der Beschuldigtenvernehmung am 05. Dezember 2002 ihren Abschluss gefunden hat. Insoweit kann dahinstehen, aus welchen Gründen B1.        zunächst einen Aufenthalt in Afghanistan gänzlich in Abrede gestellt und ihn sodann nur in Bezug auf seine eigene Person eingeräumt hat. Denn die erstmals in der Beschuldigtenvernehmung vom 05. Dezember 2002 präsentierte finale Version eines Afghanistanaufenthalts sämtlicher Mitglieder der Krefelder Reisegruppe passt nahtlos zu der Aussage des Zeugen L.    , da die inszenierte Trennung von ihm nur Sinn macht bei Zugrundelegung des Motivs, Spuren zu verwischen und anderen als religiösen Dingen nachzugehen.

83

Ausgehend von diesen Tatsachen i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG rechtfertigt sich ohne weiteres die Schlussfolgerung, dass der Kläger eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt – Al Qaida –, unterstützt hat.

84

  1. b) Auch ist von der nach § 54 Nr. 5 AufenthG erforderlichen „gegenwärtigen Gefährlichkeit“ des Klägers auszugehen. Sie ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass er seinen erwiesenen Aufenthalt in Afghanistan zwecks militärischer Ausbildung in einem Lager der Al Qaida und Tätigkeit in der Leibgarde Bin Ladens nach wie vor wahrheitswidrig in Abrede stellt und durch die Legende einer religiösen Ausbildung in Karatschi zu kaschieren sucht. Dieses Verhalten schließt eine glaubhafte Distanzierung von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln zwangsläufig aus und lässt ihn als eine akute erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit erscheinen, da die jederzeitige Möglichkeit einer Nutzbarmachung der erworbenen militärischen Fertigkeiten besteht.

85

  1. Wegen des dem Kläger aufgrund seiner familiären Verhältnisse zukommenden besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG wird dieser nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und nur nach Ermessen ausgewiesen, § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 5 AufenthG.

86

  1. a) Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in dem hier einschlägigen Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vor, § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Anhaltspunkte für die Annahme eines Ausnahmefalles sind nicht ersichtlich.

87

  1. b) Entgegen dem angefochtenen Urteil sind die – zuletzt mit Schriftsatz vom 31. März 2011 fortgeschriebenen – Ermessenserwägungen der Beklagten, die einer gerichtlichen Prüfung im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO unterliegen, nicht zu beanstanden. Die Ausweisung berücksichtigt die in § 55 Abs. 3 AufenthG genannten Umstände und wahrt die Grenzen vorrangigen Rechts.

88

Dies gilt namentlich für die Bewertung der Beklagten, die Ausweisung des Klägers stelle keine unangemessene Reaktion auf die von ihm ausgehende Gefahr dar, da die mit der Ausweisung für ihn und seine Familie verbundenen Nachteile nicht außer Verhältnis zu dem bezweckten Erfolg stünden.

89

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde und die Gerichte, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des – weiteren Aufenthalt begehrenden – Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Besteht eine Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen dem Ausländer und seinem Kind und kann diese Gemeinschaft nur in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht werden, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück.

90

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Oktober 1992– 2 BvR 1365/92 –, InfAuslR 1993, 10 = juris Rdn. 3, vom 10. August 1994 – 2 BvR 1542/94 –, InfAuslR 1994, 394 = juris Rdn. 10, vom 1. August 1996 – 2 BvR 1119/96 –, InfAuslR 1996, 341 = juris Rdn. 5, vom 31. August 1999– 2 BvR 1523/99 –, InfAuslR 2000, 67 = juris Rdn. 7 und vom 30. Januar 2002 – 2 BvR 231/00 –, InfAuslR 2002, 171 = juris Rdn. 22.

91

Entsprechendes gilt für den durch Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Schutz des Familienlebens.

92

Hiervon ausgehend hat die Beklagte sämtliche nach Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK zu berücksichtigenden familiären Umstände in ihre Ausweisungsentscheidung eingestellt: Gelebte familiäre Gemeinschaft mit deutsch-tunesischer Ehefrau und deutsch-tunesischen (Klein-) Kindern, qualifizierter Kinderbetreuungsbeitrag des Klägers, erhebliche Trennungsbelastung für die Kinder, weitgehende Unterstützungslosigkeit der Ehefrau im Falle der Trennung, wirtschaftliche Auswirkungen der Trennung.

93

Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung mitgeteilte Geburt seines vierten Kindes am 27. Mai 2014 führt zu keiner qualitativen Änderung der zu berücksichtigenden und von der Beklagten in die Abwägung umfassend eingestellten familiären Belange.

94

Nicht zu beanstanden ist die Annahme der Beklagten, trotz der erheblichen Auswirkungen, die im Falle einer Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung für die im Bundesgebiet verbleibende Familie zu erwarten seien, könne es nicht hingenommen werden, dass das vom Kläger ausgehende Gefährdungsrisiko von der Gemeinschaft in Kauf zu nehmen sei. Diese Wertung trägt der besonderen Sensibilität des gefährdeten Schutzgutes und der durch die hartnäckigen Verschleierungsbemühungen des Klägers indizierten mangelnden Bereitschaft zur Distanzierung von seinem sicherheitsgefährdenden Verhalten und seiner damit einhergehenden Gefährlichkeit in adäquater Weise Rechnung. Bei dieser Sachlage ist es dem Kläger und seiner Familie nicht unzumutbar, im etwaigen Falle einer Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung, der gegenwärtig noch das Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG entgegensteht, in eigener Verantwortung darüber zu entscheiden, ob die Familie sich trennt oder gemeinsam nach Tunesien übersiedelt.

95

Der Hinweis in dem angefochtenen Urteil, dass der Kläger ohnehin auf unabsehbare Zeit wegen des rechtskräftig festgestellten Abschiebungsverbots im Bundesgebiet verbleiben müsse, lässt unberücksichtigt, dass der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E.          vom 29. März 2010 (Seite 21 zweiter Absatz) zutreffend ausführt, eine Ausweisung könne ihren ordnungsrechtlichen Zweck auch dann erreichen, wenn sie nicht zur Abschiebung des Ausländers, sondern „nur“ zu einer Verschlechterung seiner aufenthaltsrechtlichen Position im Bundesgebiet führe. Der Tragfähigkeit dieser Erwägung steht – anders als das Verwaltungsgericht meint – nicht entgegen, dass dem Kläger in Hinblick auf § 5 Abs. 4 AufenthG ohnehin kein Aufenthaltstitel erteilt werden darf.

96

Auf die vom Verwaltungsgericht des Weiteren bemäkelte Ermessenserwägung in Bezug auf § 54a Abs. 1 AufenthG kommt es nicht an, da der spezialpräventive Ausweisungsgrund die Verfügung selbständig trägt und die vom Verwaltungsgericht angenommene Möglichkeit der Begründung einer Meldeverpflichtung auf einer anderweitigen rechtlichen Grundlage die Erforderlichkeit der Ausweisung als Maßnahme der Aufenthaltsbeendigung nicht in Frage stellen würde.

97

  1. Falls dem Kläger – wovon das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in dem ihn betreffenden Widerrufsbescheid vom 17. Juli 2014 (dort Seite 3 vorletzter Absatz ff.) auszugehen scheint – derzeit auch ohne entsprechenden konstitutiven Akt (arg. § 4 Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz AsylVfG) subsidiärer Schutz i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylVfG zukommen sollte, stünden seiner Ausweisung die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29. April 2004 bzw. deren Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes nicht entgegen. Zwar ist die Ausweisung von Personen, denen ein subsidiärer Schutzstatus „zuerkannt“ worden ist, in der Richtlinie 2011/95/EU – wie auch in der vorgehenden Richtlinie 2004/83/EG – nicht geregelt. Die Richtlinie legt u.a. fest, unter welchen Voraussetzungen die einem subsidiär Schutzberechtigten „zuerkannte“ Rechtsstellung aberkannt, beendet oder die Verlängerung abgelehnt (Art. 19) bzw. der Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels eingeschränkt werden kann (Art. 24 Abs. 2). In das in Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU verankerte Recht dürfte aber die Ausweisung eingreifen. Denn sie führt zum Erlöschen eines erteilten Aufenthaltstitels (§ 51 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 5 AufenthG) und begründet vorliegend – über § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG hinaus – ein ausnahmsloses Titelerteilungsverbot nach § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG.

98

Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU sieht u.a. vor, einem subsidiär Schutzberechtigten einen verlängerbaren Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Aus Vorstehendem – Ausweisung des Klägers nach § 54 Nr. 5 AufenthG – folgt unabhängig vom Erwägungsgrund 37 Richtlinie 2011/95/EU offenkundig, dass vorliegend zwingende Gründe der öffentlichen Ordnung einer Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels entgegenstehen. Greift die Ausweisung somit nicht in das in Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU verankerte Recht ein, steht ihr die Richtlinie 2011/95/EU nicht entgegen.

99

  1. Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 09. April 2015 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des (zulässigen) Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung der Beklagten zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf zwei Jahre begehrt, zu prüfen hat, ist nicht zu beanstanden.

100

Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG werden die Wirkungen der Ausweisung auf Antrag befristet. Seit Inkrafttreten der Änderung des § 11 Abs. 1 AufenthG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) haben Ausländer einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit Erlass einer Ausweisung zugleich deren in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen befristet. Die Entscheidung über die Länge der Frist ist eine rechtlich gebundene Entscheidung, die nicht im Ermessen der Ausländerbehörde steht.

101

Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 – 1 C 19.11 –, BVerwGE 143, 277 = juris Rdn. 34 und 37.

102

Auf diese Weise ermöglicht es der Gesetzgeber der Ausländerbehörde, dem öffentlichen Interesse an der Ausweisung eines Ausländers mit einer zeitlich abgestuften Reaktion gerecht zu werden und gleichzeitig seinen geschützten privaten Belangen entsprechend dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen.

103

So bereits BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1979 – 1 BvR 650/77 –, BVerfGE 51, 386 = juris Rdn. 36.

104

Hat eine Ausländerbehörde eine zu lange Frist festgesetzt, hat das Gericht über die konkrete Dauer einer angemessenen Frist selbst zu befinden und die Ausländerbehörde zu einer entsprechenden Befristung der Ausweisung zu verpflichten.

105

Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2013 – 1 C 13.12 –, InfAuslR 2013, 334 = juris Rdn. 27.

106

Die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu den hier maßgeblichen spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Höchstfrist muss sich aber in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots sowie der Titelerteilungssperre für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu treffen.

107

Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 2014 – 1 C 2.13 –, InfAuslR 2014, 223 = juris Rdn. 12 m.w.N.

108

Nach diesen Beurteilungsmaßstäben,

109

s.a. Senatsurteil vom 15. Oktober 2014 – 17 A 86/13 –,

110

hält auch der erkennende Senat, bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung,

111

vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 – 1 C 9.12 –, InfAuslR 2013, 418 = juris Rdn. 41,

112

eine Frist von zehn Jahren ab Ausreise für erforderlich und ausreichend, um dem Gefahrenpotential des Klägers unter Berücksichtigung seiner familiären Belange adäquat Rechnung tragen zu können. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

113

Die Ausweisung des Klägers dient spezialpräventiven Zwecken. Er hat – wie dargelegt – die Terrororganisation Al Qaida unterstützt. Dieses Engagement hat er bis heute geleugnet und zu verschleiern gesucht. Damit besteht naheliegend die Gefahr, dass der Kläger – auch mit den in seinen Studiengängen in Deutschland erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten – die terroristische Szene und Gewalt unterstützt und/oder selbst terroristische Gewalttaten ausübt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei bedrohten Rechtsgütern mit einer hervorgehobenen Bedeutung (hier: Leben und körperliche Unversehrtheit) für die im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende (Wiederholungs-) Gefahr eher geringe Anforderungen gelten.

114

Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 – 1 C 19.11 –, BVerwGE 143, 277 = juris Rdn. 16.

115

Zwar ist der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland strafrechtlich nur unerheblich aufgefallen. Diesem Aspekt kommt jedoch kein relevantes Gewicht zu, da zum einen der Kläger unter dem Druck des laufenden Ausweisungsverfahrens steht und zum anderen eine unauffällige Lebensführung typischerweise zum Erscheinungsbild eines „Schläfers“ gehört.

116

Insbesondere spricht entscheidend gegen einen vor Ablauf des verfügten Befristungszeitraums eintretenden Fortfall der vom Kläger ausgehenden (Wiederholungs-) Gefahr sein mit Legendenbildung verbrämtes Leugnen seiner erwiesenen Unterstützung der Terrororganisation Al Qaida. Dies zwingt zu der Annahme, dass der Kläger im Verborgenen zu seinen Unterstützungshandlungen steht und jederzeit zu neuer Unterstützung bereit ist.

117

Kommt demnach eine Befristung der Ausweisungswirkungen auf Null nicht in Betracht, ist auf der anderen Seite aber auch kein Raum für eine zehn Jahre überschreitende Befristung. Über diesen Zeitraum hinaus lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen in der Regel kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden.

118

Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 1 C 14.12 –, InfAuslR 2013, 141 = juris Rdn. 14.

119

Eine Ausnahme von dieser Regel ist im Falle des Klägers nicht gegeben. Weder das Gewicht des in Rede stehenden Ausweisungsgrundes noch sein wahrnehmbarer Werdegang ermöglichen eine belastbare Prognose seiner Persönlichkeitsentwicklung in einer zeitlichen Distanz von mehr als einem Jahrzehnt nach Ausreise, deren Zeitpunkt seinerseits noch nicht absehbar ist.

120

Hiervon ausgehend hält der Senat dafür, dass angesichts der vom Kläger ausgehenden schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit eine Fernhaltung vom Bundesgebiet für die Dauer von zehn Jahren angemessen ist. Dieser Zeitraum trägt einerseits der Intensität und Gewichtigkeit der von ihm ausgehenden Gefahr Rechnung und hält sich andererseits in den zuvor dargelegten Grenzen einer prognostischen Einschätzung.

121

Eine Reduzierung dieses Zeitraumes ist auch mit Blick auf die durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützte familiäre Situation des Klägers nicht veranlasst. In Anbetracht des vom Kläger ausgehenden erheblichen Gefahrenpotentials ist es ihm und seinen Angehörigen zuzumuten, darüber zu entscheiden, ob sie die familiäre Lebensgemeinschaft vor Ablauf des genannten Zeitraumes in Tunesien fortsetzen bzw. wiederaufnehmen wollen.

122

III.  Die in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides gemäß § 54a Abs. 1 Satz 1 a.E. AufenthG erfolgte Anordnung einer täglichen Meldepflicht ist gleichermaßen rechtmäßig. Die von § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorgegebene Verpflichtung des Ausländers, sich mindestens einmal wöchentlich zu melden, ist gesetzliche Folge einer vollziehbaren Ausweisung gemäß § 54 Nr. 5 AufenthG. Insoweit wendet sich der Kläger gegen die ihm weitergehend auferlegte Frequenz der täglichen Meldung auf der zuständigen Polizeidienststelle in C.      . In Anbetracht der erheblichen Gefährlichkeit des Klägers ist die von der Beklagten angeordnete tägliche Meldepflicht verhältnismäßig. Dies gilt auch in Ansehung der vom Kläger geltend gemachten, durch die hohe Meldefrequenz bedingten Schwierigkeiten, eine Arbeit aufzunehmen.

123

Gegen die auf § 54a Abs. 2 AufenthG beruhende räumliche Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Beklagten als zuständiger Ausländerbehörde hat der Kläger nichts vorgebracht und keinen diesbezüglichen Änderungsantrag gestellt.

124

  1. Die unter Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides erfolgte Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Klägers ist gleichermaßen nicht zu beanstanden. Sowohl der vom Kläger begehrten Aufenthaltserlaubnis zum Zusammenleben mit seiner deutschen Ehefrau (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) und seinen deutschen Kindern (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG) als auch der hilfsweise begehrten Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (§ 25 Abs. 5 AufenthG) steht von vornherein der zwingende Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG entgegen.

125

  1. Die unter Ziffer 5 des angefochtenen Bescheides verfügte Inverwahrung-nahme des tunesischen Nationalpasses des Klägers (§ 50 Abs. 6 a.F., nunmehr Abs. 5 AufenthG) erweist sich gleichermaßen als rechtmäßig.

126

Nach § 50 Abs. 5 AufenthG soll der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden. Durch die in dieser Vorschrift vorgesehene Regelverwahrung des Passes durch die Ausländerbehörde soll verhindert werden, dass der ausreisepflichtige Ausländer durch Vernichtung seines Passes oder durch die Behauptung des Passverlustes seine Ausreise oder Abschiebung zu verhindern oder verzögern sucht.

127

Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16. November 2010 – 11 S 2328/10 –, juris, Rdn. 6; OVG Meck.-Vorpom., Beschluss vom 16. Juni 2010 – 2 M 101/10 –, juris, Rdn. 4.

128

Dabei muss die Ausländerbehörde nach überwiegender Ansicht aufgrund der Ausgestaltung als Sollvorschrift nicht im Einzelfall darlegen, dass eine solche Gefahr tatsächlich besteht, sondern darf und muss nur in atypischen Ausnahmefällen von der amtlichen Verwahrung absehen.

129

Vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 50 Rdn. 54 m.w.N. aus der Rspr.; a.A. z.B. Dienelt, in: Renner, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 50 AufenthG Rdn. 23: konkrete Anhaltspunkte für solche Gefahr erforderlich.

130

Ein solcher Ausnahmefall ist anzunehmen, wenn ein überwiegendes Interesse des betroffenen Ausländers daran besteht, über den Pass verfügen zu können und dadurch die Ausreise oder Abschiebung nicht gefährdet wird.

131

Vgl. OVG Meck.-Vorpom., Beschluss vom 16. Juni 2010 – 2 M 101/10 –, juris, Rdn. 4; VG Hamburg, Beschluss vom 29.10.2012 – 15 E 2848/12 –, juris, Rdn. 6 m.w.N.

132

Weder hat der Kläger ein derartiges Interesse, z.B. eine glaubhaft gemachte Absicht der freiwilligen Ausreise, dargelegt noch ist ein solches im Übrigen erkennbar.

133

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Mit der Antragstellung im Berufungsverfahren hat sich das Beigeladene einem Kostenrisiko ausgesetzt; seine in diesem Rechtszug entstandenen Kosten sind demgemäß erstattungsfähig.

134

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

135

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 VwGO nicht vorliegen.

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