Ratschläge der Wirtschaftsweisen seien unsozial und wirtschaftlich schädlich.

SPD sieht Wirtschaftspolitik bestätigt. Linke sehen Empfehlungen der Wirtschaftsweisen als zynisch und unerträglich.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat das Jahresgutachten des Sachverständigenrates (JG2017-18_gesamt_Website) scharf kritisiert. „Die Mehrheit des Sachverständigenrates setzt mit ihren Vorschlägen den sozialen Zusammenhalt und den wirtschaftlichen Fortschritt in Deutschland aufs Spiel“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell am Mittwoch in Berlin. „Was die Ökonomen unter ‚zukunftsorientierter Wirtschaftspolitik‘ verstehen, muss einem Angst und Bange machen.“

„Insgesamt zielen die Vorschläge vor allem darauf, die Handlungsfähigkeit des Staates zu schwächen. Um die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft zu sichern und Städte und Gemeinden lebenswert zu gestalten, ist aber das Gegenteil notwendig“, so Körzell. „Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten. Wir brauchen dringend eine Ausweitung öffentlicher Investitionen in gute Schulen und eine funktionierende, moderne Infrastruktur. Diese lassen sich nicht allein durch Umschichtungen im Haushalt finanzieren.“

Die Wirtschaftsweisen wollten stattdessen weiter Schulden abbauen, gleichzeitig die schon vielfach entlasteten Unternehmen erneut steuerlich beschenken und Vermögende und Erben weiter verschonen. „Das bringt weder Wirtschaftswachstum, noch ist es gerecht“, so Körzell. „Den Solidaritätszuschlag abzuschaffen, nützt vor allem Gutverdienern. Kürzungen bei den Sozialabgaben entziehen den Sozialversicherungen Einnahmen, die im nächsten Abschwung fehlen. Dann wird der Rotstift wieder bei den Leistungen für Arbeitslose und sozial Schwache angesetzt. Aber das riesige Problem sozialer Ungleichheit tut die Mehrheit der Wirtschaftsweisen gleich ganz als Hirngespinst ab.“

Vorschläge, wie beispielsweise das Renteneintrittsalter zu erhöhen, Praktika vom Mindestlohn auszunehmen und die Möglichkeit, sachgrundlose Befristungen von Arbeitsverhältnissen beizubehalten, sowie die Kritik an sinnvollen Elementen der reformierten EU-Entsenderichtlinie zeigten die grundsätzlich arbeitnehmerfeindliche Haltung der Mehrheit des Sachverständigenrates.

 

Wirtschaftsweise: SPD sieht Wirtschaftspolitik bestätigt.

Das heute vorgestellte Sachverständigengutachten der Wirtschaftsweisen sehe ein kräftiges Wirtschaftswachstum von 2,2 Prozent im kommenden Jahr voraus. Damit übertreffe es die ohnehin guten Prognosen der Bundesregierung und bestätige einmal mehr den wachstumsfreundlichen Kurs der SPD-dominierten Wirtschaftspolitik, heißt es von SPD-Seite.

Bernd Westphal, wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion dazu:

„Für die aufgeworfenen wichtigen Zukunftsfragen des Gutachtens kann die SPD gute Konzepte vorlegen. Sowohl haben wir eine Investitionsoffensive für die Digitalisierung – vor allem des Mittelstands – ausbuchstabiert, als auch bereits Vorsorge für den drohenden Fachkräftemangel getroffen. Der gestern in der Fraktion verabschiedete Gesetzentwurf für eine gezielte Anwerbung von Fachkräften aus Drittstaaten greift genau dieses Thema auf. Wir brauchen den Zuzug von Fachkräften. Dieses muss nun transparent und realistisch geregelt werden.

Unser detailliertes Steuerkonzept entlastet vor allem die unteren und mittleren Einkommen und sieht für diese Gruppen eine Abschaffung des Soli vor.  Die Jamaika-Koalitionäre sollten dahinter nicht zurückfallen. Und sie sollten auch die Vorschläge der Wirtschaftsweisen zur Senkung der Sozialbeiträge übernehmen, mit denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer direkt entlastet werden.

Wir begrüßen im Übrigen die Anregungen zur Energiepolitik, die in unseren Diskussionsprozess eingehen werden. Stärker als die Wirtschaftsweisen sehen wir jedoch die Herausforderungen eines inklusiven Wachstums, an dem möglichst viele Bevölkerungsteile partizipieren können. Für uns ist der so titulierte ‚Umverteilungsdiskurs‘ noch nicht abgeschlossen. Die stabile wirtschaftliche Entwicklung eröffnet vor allem Spielräume für die nächsten Tarifrunden.“

Empfehlungen der Wirtschaftsweisen seien zynisch und unerträglich.

„Zur Realität in Deutschland gehört, dass das Statistische Bundesamt aktuell knapp ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland als von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen ausweist und das DIW feststellt, dass die unteren 40 Prozent der Einkommensbezieher seit 1999 Reallohnverluste hinnehmen mussten. Gleichzeitig zeigen die Paradise Papers, dass sich eine enorm privilegierte Schicht wiederholt und oft legal über Steuervermeidungskonstruktionen aus der gesellschaftlichen Verantwortung stehlen kann. Vor dem Hintergrund derart massiver Ungleichheit in der Gesellschaft ist die Empfehlung der sogenannten Wirtschaftsweisen, nicht den ‚Verteilungsdiskurs‘ in den Mittelpunkt zu stellen, einfach nur zynisch und unerträglich“, kommentiert Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, das Jahresgutachten des Sachverständigenrates Wirtschaft.

Ernst weiter:

„Noch im März hat der Sachverständigenrat die Gefahren des viel zu hohen Leistungsbilanzüberschusses wegerklärt. Jetzt plädiert er für eine Verbesserung des Investitionsklimas sowie für höhere Bildungs- und Forschungsausgaben – natürlich ohne die ‚schwarze Null‘ aufzugeben. Der Rat macht sich wieder einmal zum Sprachrohr der Marktradikalen in Deutschland. Eine Erhöhung vermögensbezogener Steuern soll es nicht geben, dafür mehr Ausnahmen vom Mindestlohn und die Beibehaltung der sachgrundlosen Befristung. Kurz: Die Empfehlungen des Jahresgutachtens sind der übliche erwartbare Unsinn von mit Steuergeldern bezahlten neoliberalen Wissenschaftlern, die nie ihre eigene bittere Medizin schlucken müssen. Ökonomisch sinnvoller und sozial gerechter wären eine effektive Besteuerung hoher Einkommen, Vermögen und Erbschaften, eine Erhöhung des Mindestlohns, ein Verbot sachgrundloser Befristungen und des Missbrauchs von Leiharbeit, um das Leben der Mehrheit bei uns im Land ein wenig zu verbessern und erleichtern.“

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