Sonntagsöffnungen im Land Berlin waren rechtswidrig.

Die Festsetzung flächendeckender verkaufsoffener Sonntage in Berlin aus Anlass der Internationalen Grünen Woche, der Berlinale, der Internationalen Tourismus-Börse Berlin und der Berlin Art Week im Jahre 2018 waren rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in zwei Klageverfahren entschieden.

Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales hatte im November 2017 und im August 2018 verkaufsoffene Sonntage festgelegt, an denen alle Verkaufsstellen im Land Berlin in der Zeit von 13:00 bis 20:00 Uhr öffnen durften. Dabei handelte es sich um Sonntage im Jahr 2018, die im zeitlichen Kontext zur Internationalen Grünen Woche, zur Berlinale, zur Internationalen Tourismus-Börse Berlin sowie zur Berlin Art Week standen. Dagegen klagte eine Dienstleistungsgewerkschaft. Sie begehrte in beiden Verfahren die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Festlegungen. An Ausnahmen von der grundgesetzlich geschützten Sonntagsruhe seien hohe Anforderungen zu stellen. Die Ladenöffnung am Sonntag dürfe selbst nicht prägend sein, sondern müsse als Annex zu einer Anlassveranstaltung wahrgenommen werden. Das sei angesichts der Größe der Verkaufsfläche im Land Berlin und ihrer Verteilung im ganzen Stadtgebiet nicht der Fall gewesen. Der Beklagte war hingegen der Ansicht, dass ein verkaufsoffener Sonntag bereits dann festgelegt werden könne, wenn eine Veranstaltung eine Vielzahl von Touristen nach Berlin anziehe und für die Stadt als Ganzes bedeutend sei. Dies folge aus der besonderen Struktur und der touristischen Rolle Berlins.

Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin stellte in beiden Verfahren fest, dass die beanstandete Festlegung der verkaufsoffenen Sonntage im Jahr 2018 jeweils nicht im Einklang mit dem Berliner Ladenöffnungsgesetz gestanden habe. Das Gesetz verlange für die Festlegung einer Sonntagsöffnung im gesamten Stadtgebiet ein öffentliches Interesse. Das habe jeweils nicht vorgelegen. Denn der Anlass der verkaufsoffenen Sonntage sei jeweils nicht berlinweit zu bemerken gewesen, sondern nur auf einer im Verhältnis zur Gesamtgröße Berlins kleinen Fläche. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sei die im Grundgesetz geschützte Sonntagsruhe zu beachten. Es bedürfe daher eines sachlichen Grundes für eine Ausnahme hiervon. Bloße wirtschaftliche Umsatzinteressen der Verkaufsstelleninhaber sowie ein alltägliches „Shopping-Interesse“ potenzieller Käufer reichten dafür grundsätzlich nicht aus. Darüber hinaus habe das Bundesverwaltungsgericht in seiner so genannten „Anlassrechtsprechung“ weitere, aus der Sonntagsruhe folgende verfassungsrechtliche Vorgaben ausgeformt. Diese müsse das Land Berlin bei der Anwendung des Begriffs „öffentliches Interesse“ berücksichtigen. Danach dürften sich Sonntagsöffnungen lediglich als Annex zu einem durch die Anlassveranstaltung ausgelösten Besucherstrom darstellen. Diese Rechtsprechung sei hier anzuwenden; Berlin könne insoweit keine Sonderstellung für sich in Anspruch nehmen. Das gelte jedenfalls dann, wenn – wie hier – Anknüpfungspunkt der Sonntagsöffnung gerade besondere Veranstaltungen gewesen seien.

Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung in beiden Verfahren sowohl die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg als auch die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Urteile der 4. Kammer vom 5. April 2019 (VG 4 K 527.17 und VG 4 K 322.18)

  • 6 Berliner Ladenöffnungsgesetz (Auszug):

(1) Die für die Ladenöffnungszeiten zuständige Senatsverwaltung legt im öffentlichen Interesse ausnahmsweise die Öffnung von Verkaufsstellen an jährlich acht, nicht unmittelbar aufeinanderfolgenden Sonn- oder Feiertagen in der Zeit von 13.00 bis 20.00 Uhr durch Allgemeinverfügung fest. […]

(2) Verkaufsstellen dürfen aus Anlass besonderer Ereignisse, insbesondere von Firmenjubiläen und Straßenfesten, an jährlich zwei weiteren Sonn- oder Feiertagen von 13.00 bis 20.00 Uhr öffnen. Die Verkaufsstelle hat dem zuständigen Bezirksamt die Öffnung unter Angabe des Anlasses zwei Wochen vorher in Textform anzuzeigen. […]

(3) […]

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

Sonntagsöffnungen: Gerichtsurteil war Schuss vor den Bug/Appell an Arbeitssenatorin.

Nachdem das Berliner Verwaltungsgericht dem Senat die gelbe Karte in Sachen „verkaufsoffener Sonntag“ gezeigt hat, appellierte die Gewerkschaft ver.di an die zuständige Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Elke Breitenbach, vor der Festlegung von künftigen Sonntagsregelungen das Urteil zu beherzigen und mit Augenmaß umzusetzen.

Das Gericht hatte über Sonntagsöffnungen 2018 entschieden. Der Senat hatte seit Jahren Ereignisse wie die Grüne Woche bzw. Berlinale als Vorwand benutzt, um den Sonntagsschutz aushöhlen. Nunmehr entschieden die Richter, dass diese Anlässe keine Sonntagsöffnung rechtfertigten. Die beabsichtigten Sonntagsöffnungen stünden „nicht im Einklang mit dem Berliner Ladenöffnungsgesetz“, da kein öffentliches Interesse vorhanden gewesen sei. Ein bloßes Shopping-Interesse reiche nicht aus. Nach Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sei die im Grundgesetz geschützte Sonntagsruhe zu beachten, heißt es im Urteil weiter.

Erika Ritter, Landesfachbereichsleitern bei ver.di, Landesbezirk Berlin-Brandenburg, appellierte in einem Brief an die Arbeitssenatorin, man werde die vorgesehene Regelung für das zweite Halbjahr 2019 genau unter die Lupe nehmen und scheue auch vor einer erneuten Klage nicht zurück. ver.di habe ein hohes Interesse an Rechtsklarheit.  Umfragen zeigten, dass 73 % der Bundesbürger sich gegen Sonntagsöffnungen aussprächen.

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