Test von Gesichtserkennungstechnik am Bahnhof Berlin Südkreuz beginnt heute.

Deutscher Anwaltverein: Gesichtserkennung in Bahnhöfen greift massiv in Grundrechte ein.

Im Rahmen des gemeinsamen Pilotprojekts „Sicherheitsbahnhof Berlin Südkreuz“ von Bundesministerium des Innern, Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Deutscher Bahn AG testet die Bundespolizei ab heute für einen Zeitraum von sechs Monaten Systeme zur automatisierten Gesichtserkennung.

Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière dazu: „Unsere öffentlichen Plätze müssen sicher sein! Videoüberwachung leistet hier einen wichtigen Beitrag, indem sie abschreckt und bei der Aufklärung von Straftaten hilft. Außerdem führt der Einsatz von Videotechnik dazu, das Sicherheitsbefinden unserer Bürgerinnen und Bürger nachhaltig zu stärken. Auch das ist wichtig. Der technische Fortschritt darf bei unseren Sicherheitsbehörden nicht Halt machen. Gute Polizeiarbeit braucht mehr als Personal und Befugnisse. Sie braucht auch gute Ausrüstung und intelligente Technik. Durch den Einsatz intelligenter Gesichtserkennungssysteme können zukünftig wesentlich bessere Ergebnisse für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger erzielt werden.  Deshalb freut es mich sehr, dass wir am Bahnhof Südkreuz jetzt unter realen Bedingungen testen, was auf der Grundlage der heute vorhandenen Technik möglich ist.“

Für den Test wurden von der Bundespolizei drei Hersteller unterschiedlicher Systeme im Bereich der Gesichtserkennungstechnik ausgewählt. Die softwarebasierten Systeme nutzen die am Bahnhof Berlin Südkreuz bereits vorhandene moderne Videotechnik und sollen die Gesichter von Personen, die in den entsprechend gekennzeichneten Testbereichen am Bahnhof erfasst werden, mit einer eigens für die Erprobung erstellten Datenbank aus Lichtbildern Freiwilliger abgleichen.

Am 24. August 2017 wird sich Bundesinnenminister de Maizière persönlich ein Bild von der Erprobung am Bahnhof Berlin Südkreuz machen. Bei diesem Vor-Ort-Termin wird das Pilotprojekt offiziell vorgestellt. Interessierten Pressevertretern werden Ablauf und Verfahren des sechsmonatigen Tests umfänglich erläutert und die Technik zur automatischen Gesichtserkennung anhand von Testläufen präsentiert.

Die DB AG baut in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium des Innern und der Bundespolizei ihre Videoanlagen kontinuierlich aus. Derzeit werden ca. 900 Bahnhöfe mit über 6.000 Videokameras überwacht. In rund 50 großen Bahnhöfen werden die Videobilder live ausgewertet. Auch die Bundespolizei kann diese Bilder verfolgen. Zugriff auf die aufgezeichneten Videodaten haben allein die Strafverfolgungsbehörden sowie die Bundespolizei. Der Bahnhof Berlin Südkreuz wurde erst kürzlich mit moderner Videotechnik ausgestattet.

Der Test der Gesichtserkennungssysteme wurde in einer gemeinsamen Projektgruppe von Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Bundesministerium des Innern vorbereitet. Die DB AG nimmt an diesem Test nicht teil. Für den Test der Gesichtserkennungssysteme wurde ein Datenschutzkonzept erarbeitet, dass umfassende Hinweise auf die Tests, leichte Ausweichmöglichkeiten für übrige Bahnreisende und umfassende Löschpflichten für die aufgezeichneten Daten im Rahmen des Tests für die Gesichtserkennungssoftware vorsieht. Der Test wird ausschließlich mit Freiwilligen durchgeführt. Von den freiwilligen Testpersonen werden Lichtbilder angefertigt, aus denen eine Datenbank zum Abgleich erstellt wird.

In einem zweiten Testszenario soll die Erprobung sogenannter intelligenten Videoanalysesysteme für die Behandlung und Auswertung verschiedener Gefahrenszenarien in gemeinsamer Verantwortung von Bundesministerium des Innern, Bundespolizei, Bundeskriminalamt und DB AG erfolgen. Dabei sollen u.a. hilflose liegende Personen oder verdächtige Gegenstände automatisiert durch die Systeme erkannt und gemeldet werden. Dieses zweite Testszenario findet zu einem späteren Zeitpunkt statt.

Quelle: Bundesinnenministerium

Ein Sprecher der Berliner Innenverwaltung gegenüber der TP Presseagentur:

„Wir verfolgen das Projekt der Bundespolizei mit Interesse. Bisher werden damit allerdings nur Hoffnungen formuliert, deren technische Umsetzbarkeit noch unsicher ist. Seriöse Aussagen kann man folglich erst dann treffen, wenn belastbare Erkenntnisse vorliegen. Unabhängig vom Thema Gesichtserkennung halten wir eine Videotechnik für durchaus sinnvoll, die in der Lage ist, an Flughäfen oder Bahnhöfen auf Gepäckstücke hinzuweisen, die längere Zeit nicht bewegt worden sind.“

Gesichtserkennungstechnik ist kein Ersatz für Polizei

Die Gesichtserkennungssoftware greift tief in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ein. Sie können sich nicht anonym in der Öffentlichkeit bewegen. Was soll dieses Pilotprojekt erreichen, wenn die Technologie als solche schon rechtliche Bedenken auslöst? Ich denke an die Kritik der Datenschutzbeauftragten des Bundes“, sagte heute Frank Tempel, für die Linksfraktion im Bundestag stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses, zum Start des Pilotprojekts zur Gesichtserkennungssoftware am Bahnhof Berlin-Südkreuz.

Tempel weiter:

„In London wird diese Technik seit Jahren verwendet. Für mehr Sicherheit hat sie nicht gesorgt. Der Einsatz von Polizisten vor Ort ist und bleibt die effizienteste Maßnahme, um Straftaten vorzubeugen.“

»Gesichtserkennungstechnik ist kein Ersatz für Polizei«, kommentiert Frank Tempel, für die Fraktion DIE LINKE stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses, den Start des Pilotprojekts zur Gesichtserkennungssoftware am Bahnhof Berlin-Südkreuz. https://www.linksfraktion.de/presse/pressemitteilungen/detail/gesichtserkennungstechnik-ist-kein-ersatz-fuer-polizei/

Publié par Fraktion DIE LINKE. im Bundestag sur mardi 1 août 2017

 

HELLO CCTV

www.disclose.tv

Publié par Disclose.tv sur lundi 29 mai 2017

Deutscher Anwaltverein: Gesichtserkennung in Bahnhöfen greift massiv in Grundrechte ein.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) warnt vor dem Einsatz von Gesichtserkennungssystemen an öffentlichen Plätzen und bezweifelt, dass dies den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Nach Ansicht des DAV-Präsidenten Ulrich Schellenberg gibt es keine Rechtsgrundlage für diese Maßnahme. Anlass für die Kritik ist der Start des Pilotprojekts zur Gesichtserkennung am Bahnhof Südkreuz in Berlin.

„Wenn massenhaft Gesichter von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern an Bahnhöfen gescannt werden, dann greift der Staat schwerwiegend in Grundrechte ein“, sagte der DAV‑Präsident Ulrich Schellenberg zum Start des Gesichtserkennungsprojekts am Dienstag in Berlin. „Dieses Scannen führt zu einem nicht hinnehmbaren Gefühl des Überwachtwerdens und der Einschüchterung“. Das Bundesverfassungsgericht habe in mehreren Entscheidungen ausdrücklich vor derartigen Effekten gewarnt. So beispielsweise in dem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung oder im Urteil zum automatisierten Erfassen von Kfz-Kennzeichen.

An dem Testlauf sind das Bundesinnenministerium, die Deutsche Bahn, die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt beteiligt. Die rechtlichen Bedenken des DAV richten sich nicht gegen den sechsmonatigen Testbetrieb, jedoch gegen den späteren Einsatz der Gesichtserkennung im Echt-Betrieb.

Brisante Mischung aus Sicherheitsgesetzen und Gesichtserkennungstechnik

„Die Gesichtserkennung und die jüngsten Sicherheitsgesetze stellen eine verfassungsrechtlich brisante Kombination dar“, sagte Schellenberg. So sollen nach dem neuen Pass- und Personalausweisgesetz künftig Polizeibehörden, das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Landesämter für Verfassungsschutz, der Militärische Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst im automatisierten Verfahren biometrische Passbilder abrufen dürfen. „Dieses Zusammenspiel aus technischen und rechtlichen Neuerungen stellt den Schutz der Freiheitsrechte vor neue Gefahren“, betonte der DAV-Präsident.

Fehlende Rechtsgrundlage 

Nach Ansicht des DAV gibt es derzeit keine Rechtsgrundlage, die eine Gesichtserkennung an öffentlichen Orten rechtfertigt. „Angesichts dieser neuen technischen und rechtlichen Möglichkeiten stellt sich die Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage das massenhafte Scannen von Gesichtern gerechtfertigt wird“, so der DAV-Präsident. „Eine wasserdichte Norm, die diesen Angriff auf die informationelle Selbstbestimmung rechtfertigen kann, gibt es nicht“, so Schellenberg.

Darüber hinaus gibt es nach Ansicht des DAV zahlreiche offene Fragen: Wann soll das System anschlagen? Bei zur Fahndung ausgeschriebenen Personen, bei Fußball-Ultras auf dem Weg zum Auswärtsspiel, bei sogenannten Gefährdern?

Foto: DAV‑Präsident Ulrich Schellenberg

Fotoquelle: Andrea Vollmer, Berlin

Eine Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*