Todestag der Ermordung von Walter Lübcke jährt sich zum ersten Mal.

Heute jährt sich der Todestag der Ermordung des ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke zum ersten Mal.

Laut Bundesanwaltschaft, die bereits am 29. April beim Staatsschutzsenat des Oberlandesgericht Frankfurt/Main Anklage erhoben hatte, soll der Tatverdächtige Stephan E. am Abend des 1. Juni 2019 nach Wolfhagen-Istha gefahren sein, um den damaligen amtierenden Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke zu töten. Diesen Tag habe der Angeschuldigte Stephan E. bewusst gewählt, weil er hoffte, wegen der alljährlich stattfindenden „Weizenkirmes“ unerkannt zu bleiben. Gegen 23:20 Uhr habe er sich im Schutze der Dunkelheit dem Wohnhaus von Lübcke genähert, der zu diesem Zeitpunkt auf der Terrasse saß. Stephan E. schlich sich an ihn heran und schoss ihm aus kurzer Entfernung mit einem Revolver der Marke Rossi in den Kopf. Walter Lübcke verstarb noch in derselben Nacht an den Folgen dieses Kopfschusses.

Ausschlaggebend für die Tat soll die von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit getragene völkisch-nationalistische Grundhaltung von Stephan E. gewesen sein.

Am 14. Oktober 2015 habe er gemeinsam mit dem Mitbeschuldigten Markus H. eine Bürgerversammlung in Lohfelden besucht, die die dort geplante Unterbringung von Flüchtlingen zum Gegenstand gehabt hatte. Seit der Bürgerversammlung projizierte Stephan E. seinen Fremdenhass zunehmend auch auf Walter Lübcke, der dort die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung verteidigt hatte. Spätestens seit dem Geschehen in der Silvesternacht 2015/2016 in Köln und dem islamistischen Attentat in Nizza im Juli 2016 hatte er den Entschluss gefasst, Lübcke zu töten, um diesen für dessen – aus Sicht von Stephan E. verfehlte – Haltung in der Flüchtlingspolitik abzustrafen. Es kam ihm zudem darauf an, durch die Ermordung ein öffentlich beachtetes Fanal gegen die von ihm abgelehnte gegenwärtige staatliche Ordnung zu setzen. Zur Vorbereitung seiner Tat hatte er bereits zu diesem Zeitpunkt begonnen, die Lebensumstände seines späteren Tatopfers auszuspähen. Hierzu war er wiederholt zum Wohnhaus von Lübcke in Wolfhagen-Istha gefahren, wobei er bereits bei zwei Fahrten, zum Zeitpunkt der „Weizenkirmes“ in 2017 und 2018, die spätere Tatwaffe mit sich führte.

Markus H. habe den Mordanschlag des Stephan E. unter anderem durch gemeinsame Schießübungen in Wäldern und Schützenvereinen in den Jahren 2016 bis 2018 gefördert. Hierdurch habe Stephan E. seine Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit Schusswaffen, auch in Bezug auf die spätere Tatwaffe, unter Anleitung und Mitwirkung des waffenerfahrenen Markus H. weiter verbessern können. Daneben bestärkten gemeinschaftliche Unternehmungen der beiden Personen den Angeschuldigten Stephan E. in seinem Entschluss, Walter Lübcke zu töten. Durch die gemeinsame Teilnahme an verschiedenen Demonstrationen des rechten politischen Spektrums und die Durchführung des gemeinsamen Waffentrainings vermittelte er dem Mitangeschuldigten Stephan E. Zuspruch und Sicherheit für dessen Tat.

Zwar sei Markus H. nicht in die konkreten Anschlagspläne eingeweiht gewesen, jedoch hielt er es spätestens ab Juli 2016 für möglich, dass Stephan E. aus seiner rechtsextremistischen Weltanschauung heraus einen politischen Entscheidungsträger töten würde, um diesen für seine persönliche Mitwirkung an der – aus Sicht beider Angeschuldigter verfehlten – Flüchtlingspolitik abzustrafen und hierdurch ein öffentlichkeitswirksames Zeichen zu setzen.

Der zuständige 5. Strafsenat (Staatsschutzsenat) des OLG Frankfurt/Main, bei dem die Anklage eingegangen ist, hat heute das Hauptverfahren eröffnet.

Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Stephan E. und Markus H. wegen der Tötung des Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke bzw. Beihilfe zu dieser Tat.

In dem Strafverfahren gegen den 46-jährigen Stephen E. und den 44 Jahre alten Markus H. hat der 5. Strafsenat (Staatsschutzsenat) des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) heute das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof zur Hauptverhandlung zugelassen. Darüber hinaus hat der Senat angeordnet, dass beide Angeklagten weiter in Untersuchungshaft bleiben.

Dem Angeklagten Stephan E. wird vorgeworfen, in der Nacht vom 1. auf den 2.6.2019 den Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke erschossen zu haben. Dem Angeklagten Markus H. wird zur Last gelegt, zu dieser Tat Beihilfe geleistet zu haben, indem er Stephan E. in seinem Tatentschluss bestärkte. Beide Angeklagten sollen diese Taten in rechtsradikaler, fremdenfeindlicher Gesinnung begangen haben.

Stephan E. ist des Weiteren angeklagt, am 6.1.2016 in Lohfelden einen aus dem Irak stammenden Bewohner einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge niedergestochen zu haben, um diesen zu töten. Auch zu dieser Tat soll Stephan E. aufgrund seiner fremdenfeindlichen Einstellung motiviert gewesen sein.

Die Hauptverhandlung wird am 16.6.2020 um 10:00 Uhr im Sitzungssaal 165, Gerichtsgebäude C, Konrad-Adenauer-Straße 20, 60313 Frankfurt am Main, beginnen und am 18. und 30.6.2020 fortgesetzt werden. Als weitere Termine für die Hauptverhandlung sind derzeit folgende Tage vorgesehen: 02., 03., 27., 28. und 30.7.2020, 05., 07., 10., 13., 19. und 27.8.2020 sowie sodann bis Ende Oktober 2020 jeder weitere Dienstag und Donnerstag.

Staat muss entschlossener gegen rechte Gewalt vorgehen.

Zum Jahrestag des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke hat heute der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Stephan Thomae erklärt:

„Der schreckliche Mord an Walter Lübcke macht deutlich, welch große Gefahr von Rechtsextremen ausgeht. Wir brauchen eine konsequentere Aufklärung, um rechtsextreme Strukturen offenzulegen und gezielter zu verfolgen. Denn auch ein Jahr nach dem Mord an Lübcke ist noch nicht geklärt, ob es Hintermänner gab oder gar ein rechtsextremistisches Netzwerk wie die NSU dahintersteckt. Zudem gibt es Hinweise auf eine Verbindung zwischen Sicherheitsbehörden und rechtsterroristischen Kreisen. Rechtsextremismus in all seinen Ausprägungen ist viel zu lange stiefmütterlich behandelt worden. Der Staat muss entschlossener gegen rechtes Gedankengut und rechte Gewalt vorgehen. Die Bundesregierung sollte daher eine umfassende Strategie vorlegen. Es ist notwendig, die Justiz besser auszustatten, Rechtsextreme konsequent zu entwaffnen und rechtsextreme Vereinigungen schneller zu verbieten. Zudem muss die Analysefähigkeit der Sicherheitsbehörden ausgebaut sowie ein Präventionskonzept gegen digitale Radikalisierung entwickelt werden.“

Rechtsextremismus entschieden bekämpfen.

Zu 1. Todestag der Ermordung von Walter Lübcke erklärte der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei:

„Vor einem Jahr ist Dr. Walter Lübcke ermordet worden. Aus Hass und Hetze wurde eine furchtbare Tat. Diese Tat und auch die Anschläge von Halle und Hanau erinnern uns daran, dass vom Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus derzeit die größte Gefahr für unser friedliches Zusammenleben und unsere freiheitliche demokratische Grundordnung ausgeht. Wir tun deshalb alles dafür, dass diese menschenverachtende Ideologie künftig keine Blutspur des Terrors durch Deutschland zieht. Wir stärken unsere Sicherheitsbehörden, haben das Waffenrecht verschärft, ziehen Täter von Hasskriminalität in sozialen Netzwerken zur Rechenschaft und schützen Opfer. Auf diesem Weg im Kampf gegen den Rechtsextremismus und die Feinde unserer offenen Gesellschaft werden wir mit aller Entschlossenheit weitergehen.“

„Es sind die Höckes, die einen Stephan Ernst zur Tat motivieren“.

Katja Kipping, Vorsitzende der Links-Partei zum Jahrestag der Ermordung Walter Lübckes:

„Ein Jahr nachdem ein rechter Täter Walter Lübcke ermordet hat, muss man leider sagen: die Gefahr rechter Morde ist bei weitem nicht gebannt. Noch immer agieren rechtsradikale Gruppen teilweise sehr offen, teilweise im Untergrund. 

Das heißt, Menschen, die gegen Nazis aktiv sind, werden massiv bedroht. Für viele migrantische Communities ist die Angst vor rechter Gewalt nicht erst seit Hanau ein ständiger Begleiter geworden. 

Deshalb muss dieser Jahrestag auch eine klare Aufforderung an Staatsanwaltschaft und Polizei sein, rechte Gewalt immer ernst zu nehmen! Rechte Gewalt muss als solche benannt werden, Einzeltäterthesen und schwammige Definitionen schützen die Täternetzwerke. 

Und rechte Gewalt beginnt nicht beim Mord. Bedrohungen, ob on- oder offline, müssen als Wegbereiter der eskalierenden Gewalt geahndet werden. Dazu gehört auch, die Ideologen der radikalen Rechten als Mittäter zu benennen. Es sind die Höckes, die einen Stephan Ernst zur Tat motivieren.“

„Null Toleranz für Hass und Hetze“.

Walter Lübcke galt und gilt vielen Menschen, die sich gegen Hass und Hetze und für ein demokratisches und vielfältiges Deutschland einsetzen, als Vorbild. Die SPD-Bundestagsfraktion tritt antidemokratischem, rassistischem und nationalistischem Gedankengut entschieden entgegen.

Ute Vogt, innenpolitische Sprecherin, und Uli Grötsch, zuständiger Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion erklärten dazu:

„Mutmaßlicher Täter war ein den Behörden bekannter Rechtsextremist. Ein etwaiges Netzwerk des Täters und die Umstände der Tat sind nach wie vor ungeklärt. Laut aktueller Kriminalstatistik kommt die größte Gefahr in diesem Land nach wie vor von Rechtsextremisten – und sie wächst. Schon einmal lag in Deutschland die Gefahr fortgesetzten rechten Terrors auf der Hand. Es ist unsere Aufgabe als Demokraten, langfristig und mit allem Nachdruck gegen Hass und Hetze in allen Bereichen des täglichen Lebens vorzugehen. Wir setzen aktuell mit Hochdruck das Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität um. Einerseits schützen wir damit Kommunalpolitikerinnen und -politiker besser. Andererseits müssen soziale Netzwerke künftig strafbare Inhalte wie Volksverhetzung sowie Aufforderungen zu Straftaten oder deren Billigung melden, damit sie konsequent strafrechtlich verfolgt werden.

Die SPD tritt auf allen Ebenen antidemokratischem, rassistischem und nationalistischem Gedankengut entschieden entgegen. Wir müssen als Gesellschaft gemeinsam den Nährboden austrocknen, auf dem dieser Extremismus gedeiht. Zu einer umfassenden Strategie gegen gewaltbereite Rechtsextremisten gehören auch Prävention und Deradikalisierung. Um auf allen Ebenen gegenzusteuern, wollen wir die Strukturen der Präventionsarbeit mit einem Gesetz zur Demokratieförderung und Extremismusprävention langfristig sichern.

Sowohl in der analogen als auch in der digitalen Welt gilt Null-Toleranz gegen Rechtsextremisten. Wir werden – parallel zum neu eingerichteten Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus – auch weitere gesetzgeberische Schritte zur Bekämpfung des Rechtsextremismus prüfen und auf den Weg bringen. Das sind wir nicht zuletzt allen Opfern des Rechtsextremismus und ihren Hinterbliebenen schuldig.“

Fotoquelle: Regierungspräsidium Kassel

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