»Wenn man so spart, ist die Stadt nicht zukunftsfähig«.

Berlin muß haushalten. Kürzungen sollen aber sozialverträglich sein. Ein Gespräch mit Oliver Schruoffeneger.

TP: Berlin ist bis über beide Ohren verschuldet. Müßte es nicht eigentlich Bankrott anmelden?

Schruoffeneger: Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht auf Bundeshilfen war faktisch eine Bankrotterklärung. Leider hat das Bundesverfassungsgericht das anders gesehen und uns nicht aus der Klemme geholfen. Wir müssen also sehen, wie wir selber damit klarkommen. Und das heißt: Der Spardruck in Berlin bleibt unvermindert bestehen.

TP: Ist Sparen die einzige Option?

Schruoffeneger: Man muß nicht nur sparen, sondern auch die Einnahmeseite beachten. Wir müssen die Wirtschaftskraft in der Stadt wieder stärken. Wir haben in Berlin eine Exportquote von unter 3000 Euro pro Kopf. In Hamburg liegt die bei über 13000 Euro. Wir müssen also darauf achten, daß sich Unternehmen in der Stadt ansiedeln und der Tourismus gefördert wird.

TP: Was muß man verbrochen haben, um 65 Milliarden Euro Schulden zu haben?

Schruoffeneger: Man muß eine Menge Fehlentscheidungen getroffen haben. Zum Beispiel die, sich um eine Olympiade zu bewerben, obwohl man von vornherein hätte wissen können, daß man sie nicht bekommt. Da sind allein 700 bis 800 Millionen Euro verpulvert worden. Zwei Milliarden Euro sind in den Entwicklungsgebieten verschleudert worden, weil man gedacht hat, daß die Stadt riesige Einwohnerzuwächse erhalten würde – das war völlig unrealistisch. Und so gibt es viele kleine Entscheidungen, die in der Summe auf solche Zahlen anwachsen.

TP: Sind die Zinsen überhaupt noch mit dem zu bezahlen, was auf der Einnahmeseite zu verbuchen ist?

Schruoffeneger: Im Moment zahlen wir aus den Einnahmen eigentlich nur noch das Personal. Alles andere – Zinsen, Investitonen, Sozialleistungen – werden über zusätzliche Mittel des Bundes und über Europamittel – und was sonst noch so reinkommt – bezahlt. Unsere Steuern reichen nur für das eigene Personal.

TP: Wie weit darf das Einsparen von öffentlichen Mitteln gehen?

Schruoffeneger: Man muß gewährleisten, daß die Stadt attraktiv bleibt – sowohl für diejenigen, die hier wohnen, weil die sonst die Stadt fluchtartig verlassen, als auch für die, die als Gäste oder als Unternehmer hierherkommen. Wir brauchen diese Attraktivität, sonst geraten wir in eine Spirale, die nur noch abwärts geht. Man muß bei jeder Entscheidung genau gucken: Wen trifft das? Wenn der Eingriff ganz massiv die Lebensqualitiät für einzelne Bevölkerungsgruppen hier in der Stadt verschlechtert, wird es kritisch.

TP: Sind denn Kürzungen im öffentlichen Bereich noch vertretbar?

Schruoffeneger: Wie gesagt, man muß genau hingucken. Was wir im Moment machen, führt zum Verfall unserer Infrastruktur. Wir haben diverse Schwimmbäder geschlossen, weil sie baulich nicht mehr akzeptabel sind. Aus diesem Grund wurde auch der U-Bahnhof Südstern geschlossen. Die Staatsoper ist im Bühnenbereich in einzelnen Teilen durch die Bauaufsicht eingeschränkt worden. Wenn man so spart, macht man einfach die Zukunftsfähigkeit der Stadt kaputt – das ist natürlich nicht hinnehmbar.

TP: Krankenhäuser, Altenheime und Gefängnisse: Wird bei den Haushaltsplänen, die für diese Bereiche aufgestellt werden, eigentlich die Inflationsrate berücksichtigt?

Schruoffeneger: Nein. Das ist eines der größten Probleme, daß das nicht getan wird. Wir haben in den Knästen seit Jahren gleichbleibende Ansätze, zum Beispiel für Verpflegung und Material. Gleichzeitig wird aber alles teurer. Da haben wir ein Riesenproblem.

TP: Wie sieht es mit dem Bankenskandal aus? Auf wie viele Jahre wird der Steuerzahler hier zur Kasse gebeten?

Schruoffeneger: Faktisch ist in diesem Schuldenberg noch nicht viel Bankenskandal drin. Das sind bisher rund zwei Milliarden von den deutlich über sechzig Milliarden. Aber durch die Risikoabschirmung können in den nächsten Jahren noch bis zu zwanzig Milliarden hinzukommen. Man kann aber nicht sagen, daß die Berliner Misere im wesentlichen durch den Bankenskandal ausgelöst wurde.

TP: Können die Schulden jemals zurückgezahlt werden?

Schruoffeneger: Das ist auf absehbare Zeit nicht vorstellbar, aber auch nicht unbedingt notwendig. Jede öffentliche Kommune ist in irgendeiner Form verschuldet. Und natürlich ist es auch vertretbar, daß Investitionen für die Zukunft teilweise über Zinszahlungen mitbezahlt werden. Man muß aber aufpassen, daß man nicht in einen neuen Teufelskreis gerät, in dem die Zinsen jegliche Entscheidungen verhindern. Und da sind wir kurz davor.

Interview: Dietmar Jochum, TP Berlin

Oliver Schruoffeneger ist haushalts- und entwicklungspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus und Mitglied im Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin

Eine Antwort

  1. Das einzige, was mir dazu einfällt ist, dass im Strafgesetzbuch der Straftatbestand der Steuerverschwendung stehen müsste. Nun gut, dann wären 2/3 unserer Politiker im Knast, an diesen Gedanken könnte ich mich gewöhnen (Ironie off), wer aber aus Selbstherrlichkeit derart leichtsinnig mit Steuergeldern umgeht, sollte mal die Gelegenheit haben darüber nachzudenken.

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