„Jeder Einzelfall wird konsequent aufgeklärt und rigoros verfolgt!“.

 Bundesinnenminister Seehofer stellt Lagebericht „Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden“ vor – „Kein strukturelles Problem“ .

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat heute den Lagebericht „Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden“ vorgestellt. Dieser gibt erstmalig einen bundesweiten Überblick über Verdachtsfälle und bestätigte Fälle. Mitgewirkt haben alle Sicherheitsbehörden des Bundes, alle Landesämter für Verfassungsschutz und über diese auch die Landeskriminalämter und Landespolizeibehörden.

Die Sicherheitsbehörden der Länder mit insgesamt rd. 276.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leiteten im Erhebungszeitraum (1. Januar 2017 bis 31. März 2020) Ermittlungen in insgesamt 319 Verdachtsfällen ein. Die Bundessicherheitsbehörden mit insgesamt rd. 109.000 Mitarbeitern meldeten für den gleichen Zeitraum 58 Verdachtsfälle. Der Militärische Abschirmdienst meldet für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung mit rund 260.000 militärischen und zivilen Angehörigen 1.064 Verdachtsfälle. Die Verdachtsfallzahlen für den Geschäftsbereich des BMVg sind allerdings aufgrund abweichender Definition eines Verdachtsfalls nicht direkt vergleichbar.

Auf Grundlage der den Verfassungsschutzbehörden vorliegenden Erkenntnisse wurden 34 Fälle von Angehörigen einer Sicherheitsbehörde weiterführend untersucht, bei denen verdichtete Anhaltspunkte für Rechtsextremismus vorliegen. 22 der 34 erkannten Rechtsextremisten sind in Polizeibehörden tätig, elf weitere in der Bundeswehr. Ein Rechtsextremist ist im Bereich der Zollbehörden zu verorten.

Bundesinnenminister Horst Seehofer: „Die geringe Zahl von nur 34 erwiesen rechtextremistischen Fällen zeigt deutlich: Die ganz überwiegende Mehrheit der Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden steht fest auf dem Boden des Grundgesetzes. Es gibt kein strukturelles Problem. Aufgrund der Vorbildfunkton des Öffentlichen Dienstes sage ich aber sehr deutlich: Jeder bewiesene Fall ist eine Schande. Jeder bewiesene Fall ist ein Fall zu viel, der alle Beschäftigten der Sicherheitsbehörden in Mitleidenschaft zieht. Wir sind uns in der Bundesregierung einig, dass wir jeden Einzelfall konsequent aufklären, und rigoros verfolgen. Es gilt der Grundsatz: Null Toleranz bei extremistischen Aktivitäten.“

Der Bundesinnenminister zieht aus dem Bericht folgende Schlussfolgerungen:

1. Er hat das Bundesamt für Verfassungsschutz beauftragt, die nun vorliegenden Fakten breit zu analysieren, Hintergründe und Motivlagen zu erhellen, die Meldewege zu untersuchen und erforderliche Rechtsänderungen aufzuzeigen. Diese Analyse wird in einer fortgeschriebenen Fassung des Berichts enthalten sein. Der Lagebericht soll zudem in einem nächsten Schritt auf den gesamten öffentlichen Dienst ausgeweitet werden. 2. Der Bundesinnenminister wird dem Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus vorschlagen, eine umfassende Untersuchung zu Erscheinungsformen von Rassismus in allen Bereichen der Gesellschaft in Auftrag zu geben, ohne dies auf eine Berufsgruppe zu beschränken. 3. Außerdem wird das Bundesinnenministerium eine Studie beauftragen zu Motivationslagen von Polizeianwärtern, sich für den Polizeiberuf bewerben sowie zum Polizeialltag und der zunehmenden Gewalt gegen Polizeibeamte.

Nach dem Lagebericht sind von 365 eingeleiteten Verfahren (Länder: 303, Bund: 62) 275 disziplinarrechtliche Verfahren (Länder: 237, Bund: 38) und 71 Verfahren mit dem Ziel der Entlassungen/Nichternennungen in das Beamtenverhältnis auf Probe (Länder: 48; Bund: 23); parallel wurden 292 strafrechtliche Verfahren (Länder: 261, Bund: 31) eingeleitet.

Bei den Sicherheitsbehörden der Länder wurden 52 disziplinarische oder arbeitsrechtliche Maßnahmen verhängt und 48 Entlassungen aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf bzw. die Nichternennung in das Beamtenverhältnis auf Probe durchgesetzt. 67 Verfahren wurden eingestellt (21%).

Die Sicherheitsbehörden des Bundes verhängten elf Maßnahmen und entließen 13 Beamte aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf bzw. ernannten sie nicht zu Beamten. Sieben Verfahren wurden eingestellt, 31 Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.

Im Bereich des BAMAD wurden im Zeitraum 1. Januar 2017 bis Januar 2020 46 einfache Disziplinarmaßnahmen, zehn gerichtliche Disziplinarmaßnahmen sowie 40 Strafverfahren eingeleitet. Von den Strafverfahren wurden 24 Verfahren eingestellt. In den Jahren 2018 und 2019 wurden insgesamt 70 Soldaten wegen rechtsextremistischer Verfehlungen entlassen. Mit Stand 9. April 2020 liefen noch 42 Entlassungsverfahren gegen Soldaten mit Bezug zum Rechtsextremismus.

In den vergangenen Jahren wurden durch die Sicherheitsbehörden verschiedene Maßnahmen eingeleitet, um rechtsextremistische Positionen und Handlungen in den Behörden frühzeitig zu erkennen bzw. solchen Entwicklungen entgegenzuwirken. Die Maßnahmen basieren auf drei zentralen Säulen: Prävention, Detektion und Reaktion. Wichtiges Koordinierungsinstrument ist die beim Bundesamt für Verfassungsschutz eingerichtete und zuletzt gestärkte Koordinierungsstelle zur Aufklärung von Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst.

GdP zum Lagebericht.

„Durch jede Polizistin, jeden Polizisten, unsere Verwaltungsbeamtinnen und -beamten sowie die Tarifbeschäftigten in der Polizei manifestiert sich das Grundgesetz hierzulande. Der Rechtsstaat wird so für Bürgerinnen und Bürger praktisch greifbar“, sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Michael Mertens in Düsseldorf. Wer als Beschäftigter in der Polizei dies in Frage stelle oder sich dem willentlich entziehe, müsse mit aller Konsequenz aus dem Dienst entfernt werden. Eine Alternative dazu, so Mertens, gebe es nicht.
Berlin/Düsseldorf.  Extremistisches Gedankengut und die Arbeit in einer deutschen Sicherheitsbehörde sind für alle Zeiten unvereinbar, stellt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) anlässlich des von Bundesinnenminister Horst Seehofer am Dienstag vorgestellten Lageberichts zu Extremismusfällen bei Polizeien und Verfassungsschutz fest. „Durch jede Polizistin, jeden Polizisten, unsere Verwaltungsbeamtinnen und -beamten sowie die Tarifbeschäftigten in der Polizei manifestiert sich das Grundgesetz hierzulande. Der Rechtsstaat wird so für Bürgerinnen und Bürger praktisch greifbar“, sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Michael Mertens in Düsseldorf. Wer als Beschäftigter in der Polizei dies in Frage stelle oder sich dem willentlich entziehe, müsse mit aller Konsequenz aus dem Dienst entfernt werden. Eine Alternative dazu, so Mertens, gebe es nicht.

Es sei für die GdP schwer erträglich, dass wenige Fehlgeleitete die weit überwiegende Mehrheit der fest auf dem Boden unserer Verfassung stehender Kolleginnen und Kollegen in üblen Misskredit brächten. „Das Kind muss jedoch in aller Deutlichkeit beim Namen genannt werden. Nur wenn wir uns den Fällen und ihren Rahmenbedingungen engagiert annehmen, können wir für die Polizei eine nachhaltige Vertrauenskrise verhindern“, betonte der GdP-Vize. Polizistinnen und Polizisten müssten von jeder Dienststelle gestärkt werden, unangenehme Wahrheiten anzusprechen. Wer antidemokratisches Gedankengut in der Kollegenschaft wahrnehme, habe die Pflicht, diese Hinweise weiterzugeben. Es zeuge von Größe, Defizite einzuräumen, sie zu überwinden, demonstriere Stärke.

Vehement wies Mertens Vorwürfe eines in der Polizei erkennbaren strukturellen Rassismus zurück. „Das hieße ja, die Polizei würde in vollem Bewusstsein, diskriminierende Maßnahmen als gängiges Mittel einsetzen.“ Das sei absurd, unterstrich der Gewerkschafter. Unstrittig, jedoch keinesfalls eine Binsenweisheit, sei dagegen, dass jeder Fall in der Polizei einer zu viel sei.  Der Gewerkschafter schlug vor, den polizeilichen Alltag in den Fokus zu nehmen.

Es könne geklärt werden, welche Ursachen es für extremistisches Handeln und Denken gebe, warum sich Vorurteile gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen verfestigten und der Eine den hohen Belastungen im Dienstalltag standhalte, und der Andere weniger widerstandsfähiger sei. Um sich der Frage des gesamtgesellschaftlichen Alltagsrassismus zu nähern, bekräftigte Mertens den GdP-Vorschlag, eine Kommission aus Vertretern von Gewerkschaften, der Politik, von Kirchen, aus der Wissenschaft sowie der Zivilgesellschaft einzurichten. Es gilt dem GdP-Vize zufolge, rassistische Denkmuster in allen gesellschaftlichen Bereichen zu untersuchen – einschließlich der Polizei. 

Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden.

Statement des Berliner Innensenators Andreas Geisel zum Lagebericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

„Es ist wichtig, dass der Bundesinnenminister den Bericht heute vorgestellt hat. Wir brauchen größtmögliche Transparenz und belastbare Fakten in diesem Bereich. Berlin verzeichnete im Berichtszeitraum 2017 bis 2020 insgesamt 53 Verdachtsfälle. Das sind ohne Zweifel 53 Fälle zu viel. Dass sie bekannt geworden sind, bedeutet auch: Wir schauen sehr genau hin und treten auf allen Ebenen extremistischen Vorfällen konsequent entgegen. Wegschauen hilft nicht. Ich würde mir wünschen, dass alle Bundesländer so offen und transparent damit umgehen wie Berlin.

Wir sind mit dem 11-Punkte-Plan gut aufgestellt. Gegen extremistische Bestrebungen gehen wir mit breitgefächerten Maßnahmen vor. Das reicht von der Zuverlässigkeitsüberprüfung bei Neueinstellungen über die Stelle eines Extremismusbeauftragten bis hin zum einer Studie zu Einstellungsmustern und Wertvorstellungen unter Mitarbeitenden der Polizei Berlin, die von der Senatsinnenverwaltung in Auftrag gegeben wird.  Man kann niemandem hinter die Stirn schauen, aber man kann die Sinne schärfen. Deswegen appelliere ich an alle Beschäftigten in den Sicherheitsbehörden: Schauen Sie nicht weg, wenn sie Zeuge von extremistischen Äußerungen oder Vorfällen werden. Wir können nicht zulassen, dass extremistische Einzelne die hervorragende Arbeit der überwältigenden Mehrheit in Misskredit bringen.“

Mehr Infos über den Berliner 11-Punkte-Plan unter: https://www.berlin.de/sen/inneres/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.970011.php

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

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