Urteilsbegründung sehr ausführlich und detailreich.

TP-Interview mit Generalstaatsanwalt Christoph Schaefgen nach dem Urteil im Politbüro-Prozeß.

TP: Herr Schaefgen, sind sie mit dem Urteil zufrieden?

Schaefgen: Ich bin zunächst einmal darüber befriedigt, daß ein Schuldspruch getroffen worden ist, durch den festgestellt worden ist, daß auch Staatsführer, Männer, die höchste Verantwortung in einem Staate tragen, sich strafbar machen können und daß das Grenzregime als solches – so wie es von diesen Angeklagten zu verantworten ist – als kriminelle Handlung, soweit Tote zu beklagen sind, festgestellt worden ist.

TP: Finden Sie die ausgesprochenen Strafen zu niedrig?

Schaefgen: Über die Strafmaßhöhe möchte ich mich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht äußern. Nicht gerechnet habe ich damit, daß für die Angeklagten Kleiber und Schabowski ein minderschwerer Fall des Totschlages angenommen wird. Die Urteilsbegründung war sehr ausführlich und detailreich. Sie gibt Anlaß, gründlich darüber nachzudenken und erst danach sich darüber zu äußern, wie die Staatsanwaltschaft sich verhalten wird.

TP: Haben Sie mit einem Haftbefehl für Krenz gerechnet?

Schaefgen: Wenn eine Strafe in dieser Größenordnung ausgesprochen wird, ist immer damit zu rechnen, ohne Rücksicht darauf, um welche Person es sich dabei handelt.

TP: Geht Krenz jetzt sofort in Haft?

Schaefgen: Selbstverständlich.

TP: Es war doch von vornherein schon klar, daß eine hohe Strafe bei Krenz herauskommt. Ist das lange Zuwarten des Gerichts mit dem Haftbefehl nicht nur eine Rechtfertigung dafür, daß es hier rechtsstaatlich zugegangen ist?

Schaefgen: Das Gericht hatte ja seinerzeit eine Begründung dafür gegeben, warum auf Antrag der Staatsanwaltschaft nach dem Plädoyer nicht gleich verhaftet worden ist. Das ist nicht zu beanstanden.

TP: Das Gericht hat aber auch in dem Haftverschonungsbeschluß von 1996 und in der Ablehnung des Antrages auf Aufhebung desselben nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft Ende Juli argumentiert, daß Krenz sich bisher immer dem Verfahren gestellt habe und daher von einer Fluchtgefahr nicht auszugehen ist.

Schaefgen: Das Gericht hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht „schlußberaten“, und selbstverständlich kann, nachdem das Gericht zu einer Überzeugung über die angemessene Strafe gekommen ist, die Frage des Erlasses eines Haftbefehls auch neu gestellt werden.

Fragen: Dietmar Jochum, TP Berlin, 25.8.1997

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