Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe hat mit Beschluss vom 10.10.2024 den Generalbundesanwalt im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, mehrere Fragen eines Pressevertreters in Bezug auf die Abschiebung des sogenannten „Tiergartenmörders“ Vadim K. zu beantworten (3 K 4458/24).
Am 01.08.2024 fand ein Gefangenenaustausch statt, bei dem unter anderem der im Dezember 2021 durch das Berliner Kammergericht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilte Vadim K. nach Russland überstellt wurde. Rechtliche Voraussetzung für diese Abschiebung war zunächst eine Ausweisungsverfügung der Ausländerbehörde Straubing, in deren Bezirk Vadim K. inhaftiert gewesen war, sowie eine anschließende Entscheidung des Generalbundesanwalts über das Absehen von der weiteren Strafvollstreckung nach § 456a der Strafprozessordnung (StPO). Unmittelbar nach dem Gefangenaustausch hatte sich der Antragsteller als freier Journalist mit mehreren konkreten Fragen zu den Umständen dieses Vorgangs an den Generalbundesanwalt gewandt. Mit seinem am 16.08.2024 gestellten Eilantrag hat er die Verpflichtung des Generalbundesanwalts zur Beantwortung dieser Fragen im Wege vorläufigen Rechtsschutzes begehrt.
Zur Begründung seines Eilantrags hatte der Antragsteller insbesondere geltend gemacht, dass seine Fragen auf konkrete Tatsachen gerichtet seien, die beim Generalbundesanwalt als präsentes dienstliches Wissen vorlägen und über die er sich nicht anderweitig informieren könne. Die Behörde war dem entgegengetreten und hatte sich im Wesentlichen darauf berufen, dass die Abläufe und Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Gefangenenaustausch überwiegend politischer Natur gewesen seien. Das Vollstreckungsverfahren in Bezug auf Vadim K. sei noch nicht abgeschlossen. Zudem sei eine Gefährdung außenpolitischer Belange der Bundesrepublik Deutschland sowie der Sicherheit des Justizvollzugs nicht auszuschließen, wenn Einzelheiten zu den Kommunikationsprozessen veröffentlicht würden. Die Grundlagen der Kommunikation zwischen der Strafvollstreckungsbehörde und den Ausländerbehörden ergäben sich aus dem Gesetz.
Dem ist die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe nur teilweise gefolgt. Sie hat den Generalbundesanwalt im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, unter anderem Auskunft darüber zu erteilen, wann und wie die Behörde Kenntnis von der Ausweisungsverfügung in Bezug auf Vadim K. erlangt habe, was mit der Ausländerbehörde Straubing besprochen worden sei, in welchem Zeitraum Vadim K. in der Justizvollzugsanstalt Straubing inhaftiert gewesen sei, wann und weshalb er von dort nach Offenburg verlegt worden sei, sowie, inwieweit die bayerische und baden-württembergische Landesregierung über das Absehen von der weiteren Strafvollstreckung informiert worden seien. Der weitergehende Antrag des Antragstellers wurde abgelehnt.
Die Frage, ob die Entscheidung des Generalbundesanwalts zur Anwendung des § 456a StPO schriftlich fixiert worden sei, sei bereits durch den Pressesprecher des Bundesministeriums der Justiz dahingehend beantwortet worden, dass es eine entsprechende Verfügung vom 30.07.2024 gegeben habe. Die Frage nach Kontakten zur slowenischen Regierung bezüglich der Freilassung dort inhaftierter russischer Spione betreffe ebenso wie die Frage nach der Einbindung der Bundesländer in den Gefangenenaustausch unmittelbares Regierungshandeln und berühre geheimhaltungsbedürftige Belange, welche dem presserechtlichen Auskunftsanspruch des Antragstellers entgegenstünden. Insoweit sei die Vertraulichkeit besonders schutzwürdig, um künftige Regierungsarbeit im Bereich der Außenpolitik nicht zu gefährden. Hingegen seien mit Blick auf die übrigen Fragen des Antragstellers keine entsprechend schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen geltend gemacht worden. Insbesondere sei der Vorgang in Bezug auf Vadim K. abgeschlossen. Zwar bestehe die Möglichkeit einer Nachholung der Strafvollstreckung, falls dieser nach Deutschland zurückkehren sollte. Dies sei jedoch ein neuer Vorgang, der gesondert gesetzlich geregelt sei. Die Fragen des Antragstellers seien ausschließlich auf Informationen gerichtet, die beim Generalbundesanwalt als auskunftspflichtiger Stelle vorhanden seien. Sicherheitsbedenken in Bezug auf den Strafvollzug seien nicht nachvollziehbar, da unter anderem der Betroffene selbst Kenntnis vom Zeitpunkt seiner Verlegung in andere Haftanstalten habe.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können hiergegen Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einlegen. (SC)
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