Darf Thüringens „AfD“-Fraktionsvorsitzender B. Höcke als Faschist bezeichnet werden… oder doch nicht?

Die Stadt Eisenach untersagte am 25. September 2019 eine beantragte Kundgebung gegen eine „AfD“-Veranstaltung in Eisenach mit dem Kundgebungsthema „Protest gegen die rassistische AfD insbesondere gegen den Faschisten Höcke“.

Diese Kundgebung wurde zwar genehmigt, jedoch unter der Einschränkung, dass die Bezeichnung „Faschist“ im Rahmen der Versammlung untersagt werde.

Die sofortige Vollziehung des Bescheids wurde angeordnet, das heißt, für die Stadt Eisenach stand der Bescheid fest und konnte allenfalls mit zulässigen Rechtsmitteln noch angefochten werden. Das haben die Antragsteller getan.

Sie erhoben Widerspruch, und beim zuständigen Verwaltungsgericht in Meiningen eine Eilentscheidung mit dem Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Auflage „Die Bezeichnung Faschist ist im Rahmen der Versammlung untersagt.“ im Bescheid der Antragsgegnerin vom 25.09.2019 wiederherzustellen.

Bei Anordnung einer aufschiebenden Wirkung wäre eine Entscheidung, hier der Bescheid der Stadt Eisenach, solange nicht rechtswirksam, bevor über das Rechtsmittel abschließend entschieden worden ist.

Zur Begründung trugen die Antragsteller insbesondere vor, bei der Bezeichnung Höckes als „Faschist“ handele es sich um ein Werturteil, welches durch Art. 5 GG als geschützte Meinung anzusehen sei. Es handele sich um eine subjektive Einordnung in einer gesellschaftlich wichtigen Frage, durch die die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik nicht überschritten werde. Vor diesem Hintergrund überwiege das Interesse der Antragsteller an der Durchführung der Versammlung unter dem angemeldeten Thema.

Dabei wiesen die Antragsteller dezidiert darauf hin, die Bezeichnung Faschist setze an realen Handlungen und Äußerungen Höckes an, die auch als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden könnten. Er sei einer der Sprecher der „AfD“ Thüringen und seit der Landtagswahl 2014 deren Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag. Mit der sog. Erfurter Resolution habe er die „AfD“-Strömung „Der Flügel“ begründet. Auch durch eine Reihe von Sozialwissenschaftlern und Historikern werde eine offene Übernahme von faschistischen, rassistischen, antisemitischen und geschichtsrevisionistischen Aussagen des deutschen Nationalsozialismus festgestellt. Im Juli 2018 sei sein Buch mit dem Titel „Nie zweimal in denselben Fluss“ im Manuscriptum-Verlag erschienen. Es handele sich um ein rund dreihundert-seitiges Interview. Dieses Buch bestätige insgesamt eine faschistische Agenda des Herrn Höcke. Nach seiner Auffassung sei letztlich ein neuer Führer erforderlich. Teile der Bevölkerung sollten ausgeschlossen werden, insbesondere Migranten. In rassistischer Diktion wettere er gegen den angeblich „bevorstehenden Volkstod durch den Bevölkerungsaustausch“. Gegenüber Andersdenkenden gelte: „Brandige Glieder können nicht mit Lavendelwasser kuriert werden, wusste schon Hegel“. Bezogen auf die von ihm angestrebte Umwälzung stelle er fest, dass „wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind“ mitzumachen. Er denke an einen „Aderlass“. Diejenigen Deutschen, die seinen politischen Zielen nicht zustimmten, würden aus seinem Deutschland ausgeschlossen werden. Er trete für die Reinigung Deutschlands ein. Mit starkem Besen sollten eine „feste Hand“ und ein „Zuchtmeister“ den Saustall ausmisten. Bezogen auf den Hitler-Faschismus sei diese für ihn vor allem die „katastrophale Niederlage von 1945″. Schlimm sei gewesen, dass Deutschland den Weltkrieg verloren habe. In Dresden habe er eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ gefordert, was heiße, die Zeit des Hitler-Faschismus positiv zu betrachten, was auch insgesamt man aus seiner Rede herauslesen werde können. Dort fände sich auch eine Verherrlichung des Faschismus. Das Holocaust-Denkmal in Berlin bezeichne er als „Schandmal“. Er setze immer wieder an faschistischem Sprachduktus an: „Ich will, dass Magdeburg und dass Deutschland nicht nur eine tausendjährige Vergangenheit haben. Ich will, dass sie noch eine tausendjährige Zukunft haben, und ich weiß, ihr wollt das auch“. Zu Hitler erkläre er, dass „Hitler als absolut böse dargestellt wird“, und dass es nicht so „Schwarz und Weiß“ sei. Im Kontext vieler anderer Aussagen sei immer wieder eine Verharmlosung und Relativierung Hitlers und des Dritten Reiches erfolgt. 

Diese Aussagen hat die Antragstellerin explizit mit Zitatstellen aus dem Buch Höckes und Presseberichterstattung belegt.

Für das Verwaltungsgericht Meiningen hat die Antragstellerin damit „in einem für den Prüfungsumfang im Eilverfahren und angesichts der Kürze der für die Entscheidung des Gerichts verbleibenden Zeit in ausreichendem Umfang glaubhaft gemacht, dass ihr Werturteil nicht aus der Luft gegriffen ist, sondern auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruht, dass es hier um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage hinsichtlich eines an prominenter Stelle agierenden Politikers geht und damit die Auseinandersetzung in der Sache, und nicht – auch bei polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht“.

Das Verwaltungsgericht befand daher den Antrag für zulässig und begründet und stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her.

Damit hat das Gericht nun aber – wie viele fest glauben und verbreiten – noch nicht entschieden, dass Höcke per se als „Faschist“ bezeichnet werden darf, sondern dass es nach vorläufiger Bewertung der vorgebrachten Argumente der Antragsteller im vorläufigen Rechtsschutzverfahren diesen nicht ohne Weiteres untersagt werden dürfe, ihn doch vorerst als „Faschisten“ zu bezeichnen.

Antragsgegnerin in diesem Verfahren ist ausgerechnet die Stadt Eisenach unter ihrer Bürgermeisterin Katja Wolf (Die LINKE).

Ob sie gegen diesen Beschluss in Beschwerde gehen wird oder schon gegangen ist, steht dahin bzw. konnte von der TP Presseagentur bisher nicht in Erfahrung gebracht werden.

Am Ende hätte sich die Stadt Eisenach/Wolf auch den massiven Vorwurf gefallen zu lassen, sich gegen eine vermeintliche „Ehrverletzung“ eines für viele fragwürdigen und völkisch umnachteten Zeitgenossen einzusetzen.

TP Presseagentur Berlin/dj

Fotoquelle (oben): TP Presseagentur

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