Der „politische Professor“ Horst Ehmke ist tot.

 Sigmar Gabriel und Martin Schulz zum Tod von Horst Ehmke.

Am 12. März 2017 ist Horst Ehmke im Alter von 90 Jahren verstorben. Sigmar Gabriel und Martin Schulz würdigen ihn mit folgenden Worten:

„Mit Horst Ehmke ist einer der bekanntesten und bedeutendsten Politiker der Ära Willy Brandt von uns gegangen. Die Sozialdemokratie trauert um einen brillanten und tatkräftigen Politiker, der sowohl die programmatische Ausrichtung der Partei als auch ihre praktische Politik über Jahrzehnte hinweg, vor allem jedoch in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, entscheidend geprägt und mitgestaltet hat.

Horst Ehmke, der aus einem liberalen Danziger Elternhaus stammte, war seit 1947 Mitglied der SPD. Nach seinem Jurastudium machte er sich zunächst einen Namen als Wissenschaftler. Aber der Weg in die Politik war für ihn nach den Erfahrungen von Krieg und Diktatur eine notwendige Konsequenz.

Mit dieser starken, inneren Überzeugung als Antrieb und Kraft wurde er zu einem herausragenden Mitglied unserer sozialdemokratischen Familie: Zunächst wirkte er als Staatssekretär im Justizministerium von Gustav Heinemann und später als dessen Nachfolger maßgeblich an einer umfassenden Strafrechtsreform mit.

Ab 1969 entwickelte er als Kanzleramtsminister im Kabinett von Willy Brandt den unbedingten Gestaltungs- und Reformwillen für ein modernes, demokratisches Deutschland. Dies galt sowohl für innere Reformen, wie die Erneuerung des Familienrechts und der Bildungspolitik, als auch vor allem für die Ostpolitik. Als loyaler Freund und Mitstreiter beriet er Willy Brandt in rechtspolitischen Fragen und vertrat die Politik des „Wandels durch Annäherung“ immer mit voller Überzeugung und mit seinem herausragenden rhetorischen Talent. Wie Willy Brandt wollte Horst Ehmke „Mehr Demokratie wagen“. Sein Ziel war die Demokratisierung aller gesellschaftlichen Bereiche.

Er war ein geistig unabhängiger Intellektueller. Sein Kommunikationstalent, sein unverwechselbarer Wortwitz und seine blitzschnelle Entschluss- und Urteilsfähigkeit waren legendär und ebenso bewundert wie gefürchtet. Horst Ehmke gehörte dem Parlament von 1969 bis 1994 an. Sowohl dem Orientierungsrahmen `85 als auch dem Berliner Programm von 1989 der SPD hat er entscheidende Impulse gegeben.

Horst Ehmke war ein außerordentlich geistreicher Mensch und ein leidenschaftlicher Politiker. Er hat sich um Deutschland und die deutsche Sozialdemokratie verdient gemacht. Wir danken ihm für sein langjähriges Wirken und sind mit unseren Gedanken bei seinen Angehörigen.

Wir werden uns an Horst Ehmke immer in tiefer Dankbarkeit erinnern.“

 

Bundesminister Heiko Maas zum Tod von Horst Ehmke

Zum Tod des Bundesjustizminister a. D. Horst Ehmke kondoliert der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas der Witwe mit folgendem Schreiben, hier in Auszügen:

„Horst Ehmke war nicht nur einer meiner Amtsvorgänger als Bundesjustizminister, sondern auch einer der eindrucksvollsten Politiker der Bundesrepublik. Wegen seines Intellekts und seiner Lust an der politischen Kontroverse, wegen seiner rhetorischen Schlagfertigkeit und seines scharfzüngigen Humors hatte er zahllose Bewunderer und manche Gegner – unberührt ließ er wohl er keinen.

Horst Ehmke war ein „politischer Professor“ im besten Sinne des Wortes; er zeigte, dass Geist und Macht in der Demokratie kein Gegensatz sind. Er war ein Staatsrechtslehrer, der sich nicht nur theoretisch mit Staat und Recht befasste, sondern er war auch bereit, persönlich Stellung zu beziehen, Verantwortung zu übernehmen und politisch zu gestalten.

Horst Ehmke diente unserem Land in vielen hohen Ämtern: als Staatssekretär, Chef des Bundeskanzleramtes und mehrfacher Bundesminister. Als Bundestagsabgeordneter engagierte er sich vor allem als Außenpolitiker und machte sich gleichermaßen verdient um die deutsch-amerikanische Freundschaft und die Entspannungspolitik gegenüber dem Osten – und Sie, verehrte Frau Ehmke, haben großen Anteil daran gehabt, sein Verständnis für die Menschen, die hinter dem Eisernen Vorhang leben mussten, zu schärfen.

In der Amtszeit von Horst Ehmke als Bundesjustizminister wurden 1969 zwei Vorhaben zu Gesetzen, die besonders deutlich zeigen, wie das Recht Ausdruck und Antrieb gesellschaftlicher Modernisierung ist: Die Große Strafrechtsreform schaffte überkommene Straftatbestände wie Ehebruch und Homosexualität ab, weil Strafgesetze Rechtsgüter aber nicht die Moralvorstellungen einer politischen Mehrheit schützen sollen; mit einem weiteren Gesetz wurde die Benachteiligung nichtehelich geborener Kinder beseitigt und damit der seit 1949 im Grundgesetz verankerte Verfassungsauftrag endlich umgesetzt.

Horst Ehmke prägte unser Land und unser Ministerium aber nicht nur durch seine Politik, sondern auch durch seine unkonventionelle Persönlichkeit. In seinen Memoiren erinnerte er sich etwa daran, dass bis zu seinem Amtsantritt Vorlagen an den Staatssekretär mit „erg.“, also „ergebenst“, gezeichnet wurden. Er ließ die Beamten des Justizministeriums wissen: Wenn die Vorlagen gut seien, könne auf das ergebenst künftig verzichtet werden. Dadurch und durch viele andere kleine Gesten hat Horst Ehmke damals für jenen frischen Wind gesorgt, den die Ministerialbürokratie und die alte Bundesrepublik so dringend gebraucht haben.

Ich erinnere mich voller Dankbarkeit und Sympathie an ihn. Sein Name bleibt untrennbar verbunden mit dem gesellschaftlichen Aufbruch der 1960er Jahre und der politischen Modernisierung der Bundesrepublik durch die Kanzlerschaft Willy Brandts. Gemeinsam haben beide Großes für Deutschland geleistet.“

 

Thomas Oppermann zum Tod von Horst Ehmke

„Wir trauern um Horst Ehmke, der am vergangenen Sonntag im Alter von 90 Jahren gestorben ist. Horst Ehmke war ein glänzender Verfassungsjurist, ein brillanter Rhetoriker und ein wichtiger Impulsgeber für die Sozialdemokratie.

Als Seiteneinsteiger von oben hat er sich selbst einmal bezeichnet. Vor seiner politischen Karriere profilierte er sich in der Spiegel-Affäre, indem er als Anwalt das Magazin vorm Bundesverfassungsgericht vertrat.

In der Großen Koalition zeigte sich bereits sein strategisches Talent durch sein Konzept der Abgrenzung zum Koalitionspartner. Unter Willy Brandt war er als Chef des Kanzleramts eine prägende Figur in der sozialliberalen Koalition: Der Jurist gestaltete entscheidend die Ostpolitik mit. Früh setzte er sich für ein unverkrampftes Verhältnis zu den Grünen ein ohne den Gesprächsfaden zu den Liberalen abreißen zu lassen.

Auch nach seinem Ausscheiden aus der Regierung blieb er der SPD treu und unterstützte als stellvertretender Fraktionsvorsitzender den Parteivorsitzenden Hans-Jochen Vogel. Als Außen- und Innenpolitiker blieb er eine wichtige Stimme. Auch nach seiner aktiven Zeit als Politiker war er ein wichtiger Ratgeber. Er wird der Sozialdemokratie fehlen.

Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und seinen Freunden.“

Fotoquelle: By Holger Noß – Own work, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=597171

 

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