DGB-Index Gute Arbeit 2018: Hohe emotionale Belastungen bei der Arbeit mit Menschen.

DGB-Index 2018.
Trotz positiver Konjunktur und guten Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt bewerten die Beschäftigten in Deutschland ihre Arbeitsbedingungen kritisch. Das ist ein Ergebnis des DGB-Index Gute Arbeit 2018, der heute in Berlin vorgestellt wurde. Insbesondere psychische Belastungen, Stress bei der Arbeit sowie die Sorge vor einer fehlenden Alterssicherung treiben die Menschen um.

Besondere psychische und emotionale Belastungen weisen Beschäftigte auf, die mit Menschen arbeiten. 63 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten regelmäßig mit Kunden, Patienten oder Klienten (Interaktionsarbeit). Im Umgang mit den verschiedenen Gruppen sind Konflikte und belastende Erlebnisse weit verbreitet. Zwei Drittel der Betroffenen erhalten vom Arbeitgeber dabei jedoch keine ausreichende Unterstützung.

Reiner Hoffmann, DGB-Vorsitzender: „Seit Jahren sprechen wir von den Chancen der Digitalisierung. Doch offensichtlich kommen die Vorteile der technischen Veränderung bei vielen Beschäftigten nicht an. Im Gegenteil: Psychische Belastungen und Arbeitsstress haben durch den digitalen Wandel zugenommen. Dieser Trend muss umgekehrt werden. Wir brauchen eine humane Arbeitsgestaltung, die den Gesundheits- und Arbeitsschutz stärkt und die Beschäftigten entlastet. Das erreichen wir nur mit einer starken Mitbestimmung.“

Auch im Bereich der Altersvorsorge liefert der Index beunruhigende Daten: 45 Prozent der Beschäftigten erwarten, dass ihre Rente nicht ausreichen wird, weitere 36 Prozent, dass sie „gerade so“ reichen wird. Dazu Reiner Hoffmann: „Wenn fast die Hälfte der Arbeitnehmer dem Ruhestand mit Sorgen entgegenblickt, müssen wir diese Signale ernst nehmen. Mit dem Rentenpakt wurde ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht. Jetzt brauchen wir weitere Maßnahmen, die das Rentenniveau anheben und den Sinkflug der gesetzlichen Rente dauerhaft stoppen. Wir müssen das Vertrauen in die Altersvorsorge wiederherstellen.“

Die Mehrheit aller Beschäftigten arbeitet interaktiv, hat also intensiven Kunden- oder Patientenkontakt, so das Ergebnis des DGB-Index Gute Arbeit. „Dies stellt hohe Anforderungen an ihre sozialen und emotionalen Fähigkeiten, etwa bei der Kindererziehung oder der Alten- und Krankenpflege. Fakt ist aber, dass ausgerechnet diese gesellschaftlich wichtigen Tätigkeiten zu geringe Wertschätzung erfahren“, fasst Frank Bsirske, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die Lage der interaktiv Tätigen zusammen.

In diesen für die Daseinsvorsorge wichtigen Arbeitsfeldern klagen viele Beschäftigte, dass ihre Arbeitgeber sie nicht ausreichend wertschätzen. Fast jeder Fünfte erlebt in der Arbeit häufig psychisch belastende Situationen. Zwei Drittel davon erhalten keine hinreichende Unterstützung ihres Arbeitgebers. „In welcher Welt leben wir denn, dass sich Arbeitgeber – öffentliche wie private – so einen Umgang mit ihren Beschäftigten leisten dürfen und dann klagen, es gäbe nicht genügend Fachkräfte“, so Bsirske. Hinzu kämen Stressfaktoren, wie der hohe Dokumentationsaufwand oder zu wenig Zeitbemessung für die Betreuung und Beratung Einzelner durch fehlendes Personal. „Am deutlichsten wird die fehlende Wertschätzung bei der Bezahlung: 78 Prozent der Befragten empfinden ihr Einkommen bei den durchweg hohen Anforderungen an ihre Tätigkeit mit Menschen als zu gering. Nötig ist daher eine deutliche Aufwertung dieser Berufe und Tätigkeiten, eine Personalbemessung, die einer zugewandten Arbeit mit Klienten und Patienten gerecht wird, und eine deutlich bessere Bezahlung,“ sagte der ver.di-Vorsitzende.

Zum Index

Seit 2007 werden für den DGB-Index Gute Arbeit einmal im Jahr Beschäftigte zu ihren Arbeitsbedingungen befragt. 2018 waren es bundesweit über 8.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aller Branchen, Berufe, Einkommens- und Altersgruppen, Regionen und Betriebsgrößen. Neben den jährlichen Fragen zur Arbeitsbelastung, dem Einkommen, dem Sinn der Arbeit und der Ressourcenausstattung lag der Schwerpunkt in diesem Jahr auf der Interaktionsarbeit, der Arbeit mit und am Menschen.

Der DGB-Index Gute Arbeit 2018 hier zum Download

DGB-Index „Gute Arbeit“: Arbeit braucht mehr Wertschätzung.
Zur Vorstellung des aktuellen DGB Index „Gute Arbeit 2018“, erklärt Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für ArbeitnehmerInnenrechte und aktive Arbeitsmarktpolitik von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Die Ergebnisse des DGB-Index Gute Arbeit 2018 sind alarmierend. Deshalb brauchen wir eine neue Arbeitskultur und dringend mehr Anstrengungen von Bundesregierung und Unternehmen für einen besseren Arbeitsschutz.

Gerade die Beschäftigten, die viel mit Kunden, mit Patientinnen und Patienten oder als Erzieherinnen und Erzieher mit Kindern arbeiten, leiden neben dem alltäglichen Stress durch Zeitdruck oder Hetze häufig auch unter emotionalem Stress. Wenn sie nach der Arbeit nicht abschalten können, weil die Arbeit sie emotional und damit auch psychisch belastet, dann sollte uns das zu denken geben. Kein Wunder, dass die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz immer stärker zunehmen.

Nachhaltig ist das nicht. Denn so macht Arbeit krank. Zudem fehlt gerade den Beschäftigten in Pflege und Sozialwesen die notwendige Wertschätzung ihrer Arbeit. Es kommt nicht von ungefähr, dass sich viele Beschäftigte nicht vorstellen können, bis zur Rente durchzuhalten. Wir brauchen deshalb dringend eine neue Arbeitskultur. Betriebe müssen aktiv dafür sorgen, dass ihre Beschäftigten sich nicht ihre Gesundheit bei der Arbeit ruinieren. Und dazu braucht es auch eine ausreichende Personaldecke.

Gleichzeitig muss die Bundesregierung endlich den Arbeitsschutz stärken. Gefährdungsbeurteilungen müssen die psychischen Belastungen der Arbeit stärker in den Fokus nehmen. Und in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern muss das Arbeitsschutzgesetz mit einer Verordnung konkretisiert werden, damit Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und Betriebs- und Personalräte ein Werkzeug an die Hand bekommen, um gemeinsam geeignete Lösungen gegen jede Form von Stress zu entwickeln. Die Bundesregierung sollte endlich zur Kenntnis nehmen, dass gute und wertschätzende Arbeitsbedingungen deutlich nachhaltiger sind. Die Beschäftigten haben das verdient. Und gute Arbeitsbedingungen schützen die Wirtschaft außerdem vor Fachkräftemangel und die Gesellschaft vor hohen volkswirtschaftlichen Kosten. Handeln ist daher angesagt.“

Fotoquelle und Collage: TP Presseagentur Berlin

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