„Die Haft ist kein Zuckerschlecken“.

Schonfrist für Berlins neue SPD-Justizsenatorin Gisela von der Aue fällt aus.

Ein TP-Gespräch mit Benedikt Lux.

(Benedikt Lux ist Mitglied der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und Jurastudent).

Frage: Herr Lux, Sie haben kürzlich gesagt, Sie wollen den Gefangenen eine Lobby geben. Haben die Grünen wieder eine Vorliebe für die Gefängnisse entdeckt?

Lux: Das Gefängnis stand schon immer unter unserer besonderen Beobachtung – frei nach Churchill: Guck in den Knast und du kennst den Zustand der Gesellschaft. Die gesellschaftliche Sicht auf den Knast unterliegt zunehmend einem verzerrten Blick. Viele Leute halten das Gefängnis für Hotelvollzug. Ich denke, der erste Schritt, um eine Lobby für den Knast zu machen und den Leuten in den Gefängnissen zu helfen, ist, erst einmal eine wahrhaftige Sicht auf die Gefängnisse zu bekommen. Und das heißt, klarzumachen: Die Haft ist kein Zuckerschlecken und es gibt keinen Hotelvollzug.

Frage: Der Strafvollzug ist ja auch im Koalitionsvertrag der „rot-roten“ Landesregierung geregelt worden.

Lux: Die rot-rote Koalition scheint als einzige Antwort zu haben: Wir bauen für 80 Millionen Euro einen neuen Knast in Großbeeren. Die Grünen waren von Anfang an dagegen. Nicht aus ideologischen Gründen – nach dem Motto: Wir bauen nie Knäste… -, sondern weil wir in Berlin erst einmal die so genannte Zwei-Drittel-Prüfung ausschöpfen wollen. Das Strafgesetz sagt, dass nach zwei Drittel der verbüßten Haftzeit geschaut wird, ob der Gefangene noch gefährlich ist. Wenn man sich die entsprechenden Verfahren vor den Strafvollstreckungskammern anschaut, dann stellt man fest, dass hier kaum etwas passiert. Auch die Verwaltung erfüllt nicht die Mindestpflicht, nämlich ordentliche Vollzugspläne aufzustellen.

Frage: welche Chance sehen Sie, dass Zwei-Drittel-Entlassungen besser realisiert werden?

Lux: Der öffentliche Druck ist das Entscheidende. Auch die Menschen in Freiheit müssen wissen: Nach zwei Dritteln zu entlassen ist häufig sicherer für eine Gesellschaft als die Häftlinge so lange wie möglich im Knast zu behalten. So steigt der Druck, die Gefangenen besser auf ein Leben draußen vorzubereiten. Es müssen frühzeitig Kontakte aufgebaut werden, die nicht in das kriminelle Milieu reichen. Wenn ich fünf Jahre einsitze und mich danach nur an meine alten Gefährten wenden kann, um Geld zu verdienen und zu überleben, ist die Rückkehr in den Bau doch schon fast vorgezeichnet. Fehlende Resozialisierungsbemühungen, Überbelegung, schlechte Motivation unter den Bediensteten, Gewalt und Straftäter, die rückfällig werden – dieser Teufelskreis ist hausgemacht und muss durchbrochen werden.

Frage: Wie wollen Sie das als Oppositionsfraktion tun?

Lux: Wir führen Gespräche mit den Gefangenen, mit Bediensteten, freien Trägern, aber auch mit der Senatorin und den Kolleginnen und Kollegen im Rechtsausschuss. Dort konnten wir ihr das Versprechen abringen, hier etwas zu tun. Die Verwaltung hat eine Bringschuld, und dann wollen wir mal gucken, was sie macht. Auch was die Überbelegung der Knäste betrifft, müssen diese Missstände dringend beseitigt werden. Hier kann nicht bis 2011 oder 2012 abgewartet werden. Deswegen darf man der Senatorin keine Schonfrist geben, auch wenn sie neu ist.

Frage: Was ist von ihr generell zu erwarten?

Lux: Frau von der Aue ist eine sehr fähige Frau, die genau weiß wo es brennt. Schade nur, wenn gerade zu lesen ist, dass sie Selbstmorde in den Haftanstalten nicht mehr öffentlich melden will. Sie soll bloß nicht glauben, eine Verdunkelungsstrategie im Knast verbessere die Haftbedingungen und sorge letztendlich für mehr Sicherheit in der Stadt.

Frage: In den letzten Jahren ist eine Tendenz zu beobachten, Knäste zu privatisieren. Wird hier Resozialisierung überhaupt noch möglich sein?

Lux: Vollzugsaufgaben zu privatisieren ist nicht der richtige Weg, und in Berlin sieht es auch ganz gut aus. Private Gefängnisse können die Resozialisierung nicht gewährleisten. Öffentliche Kontrolle ist in ihnen auch viel, viel schwieriger. Unsere Verfassung schreibt vor, dass staatliche Kernaufgaben – und das ist der Strafvollzug – nicht in private Hände gelegt werden dürfen. Diesen Grundsatz darf man nicht aushöhlen. Möglich ist dagegen, dass die vielen Initiativen in freier Trägerschaft, die ihre Mitarbeit anbieten – wie etwa die Freie Hilfe oder die Straffälligen- und Bewährungshilfe – in den Alltag der Häftlinge einbezogen werden können.

Interview: Dietmar Jochum, TP Berlin

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