Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung 2017 und Reaktionen darauf.

„Suchtpolitik darf nicht bei den Suchtkranken selbst enden. Wir müssen uns viel mehr als bisher um die Kinder suchtkranker Menschen kümmern“

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, hat heute im Haus der Bundespressekonferenz den Drogen- und Suchtbericht 2017 vorgestellt. Drogen- und Suchtbericht 2017 Der jährlich erscheinende Bericht gibt eine umfassende Übersicht über die Aktivitäten der Bundesregierung im Drogen- und Suchtbereich.

Die Drogenbeauftragte Marlene Mortler:Der Drogen-und Suchtbericht 2017 macht deutlich, wie viel in dieser Legislaturperiode in der Drogen- und Suchtpolitik erreicht werden konnte. Ich denke dabei an das „Cannabis als Medizin-Gesetz“, das Verbot neuer psychoaktiver Stoffe, die Schockbilder auf Zigarettenverpackungen und die Novellierung des Substitutionsrechts. Ich kenne in Europa auch kein anderes Land, das so entschlossen auf die Herausforderung Crystal Meth reagiert hat wie Deutschland.“

Klar sei aber, dass die Arbeit nicht weniger werde. Globale Trends stellten auch Deutschland vor neue Herausforderungen. Das beginne bei digitalen Angeboten, die zu einem Abrutschen in virtuelle Welten führen könnten und reiche bis zur zunehmenden Zahl synthetischer Drogen auf dem Markt, die von vielen mit immer größerer Sorglosigkeit parallel konsumiert würden.

Der diesjährige Bericht widmet dem Jahresschwerpunkt der Drogenbeauftragten „Kinder aus suchtbelasteten Familien“ ein Sonderkapitel.

Mortler: „Suchtpolitik darf nicht bei den Suchtkranken selbst enden. Wir müssen uns viel mehr als bisher um die Kinder suchtkranker Menschen kümmern. Wenn wir die betroffenen Kinder nicht unterstützen, entwickelt ein Drittel von ihnen selbst eine Suchterkrankung und ein weiteres Drittel eine andere psychische Störung. Um Kindern Suchtkranker zu helfen, müssen alle ihre Hausaufgaben machen: Bund, Länder und Kommunen. Wir brauchen funktionierende Netzwerke und klare Ansprechpartner in den Städten und Gemeinden – und das nicht nur punktuell, sondern flächendeckend. Wir müssen die Länder gewinnen, den Aufbau dieser Strukturen finanziell zu unterstützen. Und der Bund muss die Frage beantworten, wie die Sozialsysteme zum Wohle dieser Kinder noch besser zusammmenwirken können.“

Der Drogen- und Suchtbericht führt außerdem die aktuellen Zahlen, Daten und Fakten rund um den Drogen- und Suchtmittelkonsum in Deutschland zusammen.

„Besonders erfreulich sind die Trends beim Tabak- und Alkoholkonsum Jugendlicher. Die Bereitschaft Jugendlicher und Heranwachsender Cannabis zu probieren, ist in den vergangenen Jahren dagegen gestiegen. Das ist auch deshalb so problematisch, weil der Wirkstoffgehalt von Cannabis heute etwa fünf Mal so hoch liegt wie noch vor 30 Jahren und deshalb die gesundheitlichen Auswirkungen gerade auf junge Menschen massiv gewachsen sind. Mir ist wichtig, dass wir der interessengetriebenen Verharmlosung von Cannabis in der nächsten Wahlperiode endlich die Fakten entgegensetzen – in den Schulen, in der betrieblichen Suchtprävention, überall da, wo junge Menschen sind. Hierfür werden wir in den kommenden Jahren einen Millionenbetrag in die Hand nehmen müssen“, so Mortler.

Enttäuschende Bilanz der Drogenbeauftragten

„Marlene Mortlers Bilanz als Drogenbeauftragte ist enttäuschend. Seit ihrem Amtsantritt ist die Zahl der Toten durch illegale Drogen um 30 Prozent gestiegen. Die meisten Drogentoten kommen dabei aus ihrem Heimatland Bayern. Höchste Zeit für einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik: Drogenkonsumenten brauchen Information und Aufklärung. Wer abhängig ist, benötigt Hilfe und keine Strafe“, erklärt Frank Tempel, stellvertretender Vorsitzender und drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag anlässlich der heutigen Vorstellung des Drogen- und Suchtberichts 2017.

Tempel weiter:

„Selbst die Neuregelung zum medizinischen Cannabis hat sich als Rohrkrepierer erwiesen. Jeder zweite Patient, dem Cannabis durch den Arzt verschrieben wird, bekommt keine Kostenerstattung. Die Anträge dafür sind viel zu bürokratisch. Die Preise für Cannabisblüten explodieren und in den Apotheken gibt es Lieferengpässe bis in den Oktober hinein. Was nützt ein Gesetz auf dem Papier, wenn es in der Praxis nicht funktioniert? Die Bundesregierung verschließt vor diesen Problemen die Augen. Mit Franjo Grotenhermen ist seit gestern Abend ein renommierter Arzt im Bereich Cannabis-Medizin wieder im Hungerstreik. Das sollte den Regierenden Mahnung und Anstoß zum Handeln sein.“

Stillstand in der Drogenpolitik

Anlässlich der heutigen Vorstellung des Drogen- und Suchtberichtes der Bundesregierung für das Jahr 2017 erklärt Dr. Harald Terpe, Sprecher für Drogen- und Suchtpolitik von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

Mortlers Bilanz der vergangenen vier Jahre fällt mager aus. Die Konsumzahlen sind gleichbleibend hoch. Allein dies zeigt schon, dass das die bestehende Prohibition nicht wirkt. Gerade weil viele Substanzen nicht harmlos sind, braucht es eine effektive Regulierung mit Verbraucher- und Jugendschutz, wie wir dies mit unserem Cannabiskontrollgesetz vorgeschlagen haben. Pauschale Verbote, die in der Praxis nicht durchgesetzt werden können und einen riesigen Schwarzmarkt schaffen, bewirken das Gegenteil. Die Union hingegen setzt weiterhin auf dieses tote Pferd und verweigert eine unabhängige Evaluation der aktuellen Drogenpolitik.

Bei den legalen Drogen Alkohol und Tabak herrscht Stillstand. Gut gemeinte Appelle und das Vertrauen in Selbstverpflichtungen der Industrie reichen nicht aus, um riskantes Konsumverhalten zu reduzieren. Werbebeschränkungen für Tabak und Alkohol müssen endlich eingeführt und umgesetzt werden.

Völlig untergegangen ist auch das Dauerproblem Medikamentenabhängigkeit, obwohl dies nach Tabak die zweithäufigste Form der Abhängigkeit ist. Ambulante Entzugsprogramme von Ärzten und Apothekern müssen dafür dringend ausgebaut werden, damit Betroffene leicht zugängliche Unterstützung erhalten. Das gilt gerade auch für die große Gruppe der Betroffenen ab 65 Jahren. Mortler hat solche Initiativen hingegen ins Leere laufen lassen. Hier muss in der nächsten Legislaturperiode dringend etwas getan werden.

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