Ex-Verfassungsrichter Mahrenholz verstorben.

Ehemaliger Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Ernst Gottfried Mahrenholz verstorben.

Der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Ernst Gottfried Mahrenholz ist am 28. Januar 2021 im Alter von 91 Jahren verstorben.

Er gehörte dem Bundesverfassungsgericht als Richter des Zweiten Senats vom 6. Juli 1981 bis zum 24. März 1994 an. Seit November 1987 war Prof. Dr. Mahrenholz Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts und Vorsitzender des Zweiten Senats.

Herr Prof. Dr. Mahrenholz absolvierte zunächst ein Studium der Theologie, Psychologie und Philosophie an der Universität Göttingen. Anschließend studierte er dort und an der Universität Tübingen Rechtswissenschaften. Nach Ablegung beider juristischer Staatsexamina und der Promotion begann Prof. Dr. Ernst Gottfried Mahrenholz seine berufliche Laufbahn im Jahr 1959 zunächst am Kirchenrechtlichen Institut der EKD. Ab 1960 folgten mehrere Stationen in der niedersächsischen Kommunal- und Landesverwaltung. Im Jahr 1965 wählte ihn der Niedersächsische Landtag zum Mitglied des Rundfunkrats des Norddeutschen Rundfunks und zwei Jahre später zum Direktor des Funkhauses Hannover des Norddeutschen Rundfunks. Von 1970 bis 1974 war Prof. Dr. Mahrenholz Staatssekretär und Leiter der Staatskanzlei des Landes Niedersachsen. In den Jahren 1974 bis 1981 war er Mitglied des niedersächsischen Landtages, bis 1976 zudem niedersächsischer Kultusminister. Ab 1976 war er neben seinem Abgeordnetenmandat als Rechtsanwalt tätig.

Prof. Dr. Mahrenholz hat die Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts maßgeblich geprägt und an zahlreichen wegweisenden Entscheidungen mitgewirkt. Genannt seien hier beispielhaft die Entscheidungen zum Hafturlaub von zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten (BVerfGE 64, 261), zur Stationierung von Mittelstreckenraketen (BVerfGE 68, 1), zur Kriegsdienstverweigerung (BVerfGE 69, 1), zur Parlamentskontrolle der Nachrichtendienste (BVerfGE 70, 324), zur Lagerung chemischer Waffen (BVerfGE 77, 170), zur Rechtsstellung des fraktionslosen Abgeordneten (BVerfGE 80, 188), zur Reichweite der Unschuldsvermutung (BVerfGE 82, 106), zur Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe (BVerfGE 86, 288), zum Schwangerschaftsabbruch (BVerfGE 88, 203) und zum Vertrag von Maastricht (BVerfGE 89, 155).

Die Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft wählte Prof. Dr. Mahrenholz im Jahre 1998 zu ihrem Präsidenten, das Präsidium der Deutschen Sektion der Internationalen Juristen-Kommission im Jahre 1990 zu seinem Vorsitzenden. Herr Prof. Dr. Mahrenholz war Ehrenpräsident der Deutsch-Israelischen Juristenvereinigung.

Der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts lebte zuletzt in Hannover.

Quelle: BVerfG-Pressemitteilung Nr. 10/2021 vom 1. Februar 2021

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil zum Tod von Ernst Gottfried Mahrenholz.

„Ernst Gottfried Mahrenholz ist tot – eine traurige Nachricht und ein Verlust für das Land Niedersachsen. Mein Mitgefühl gilt seinen Angehörigen und engen Freunden. Ich bin ihm häufig begegnet und war immer wieder beeindruckt von seiner großen Menschlichkeit und seinem Engagement. Professor Mahrenholz war ein aufrechter, ein kluger und nachdenklicher Mensch mit hohem moralischem Anspruch, der in seinem langen Leben viel bewirkt hat.

1929 in Göttingen geboren, 2021 in Hannover gestorben, setzte sich Mahrenholz beruflicher Lebensweg aus vielen wichtigen Stationen zusammen. Ob als Referent bei der EKD, als Funkhausdirektor, als Chef der Staatskanzlei, als Minister, als Abgeordneter, als Rechtsanwalt und erst recht als Verfassungsrichter – überall stellte er sein Wirken in den Dienst der Menschen, die grundgesetzlichen Freiheiten und die Demokratie. Prägend für ihn und die Entscheidungen, an denen er mitwirkte oder denen er widersprach, waren immer auch sein christlicher Glaube und gleichzeitig sein großer Respekt vor anderen Religionen.

Dass Ernst Gottfried Mahrenholz vor dem Jurastudium in Tübingen zunächst in Göttingen Theologie, Psychologie und Philosophie studiert hat, war vielleicht ein Grund für seine Bereitschaft, auch Mehrheitsmeinungen stets kritisch zu hinterfragen und sich immer dann, wenn er es für nötig hielt, gegen den Mainstream zu stellen. Viele junge Menschen haben noch sein Minderheitsvotum in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Kriegsdienstverweigerung in Erinnerung. Der Staat, so Mahrenholz damals, sei ein grundrechtsgarantierender Staat, eine wirkliche Gewissensentscheidung von Kriegsdienstverweigerern müsse in einem fairen, neutralen unparteiischen Verfahren ermöglicht werden.

Zeit seines Lebens setzte sich Mahrenholz mit dem Holocaust auseinander und stellte sich immer wieder der Verantwortung der Deutschen für Auschwitz und Shoah. Er war ein Freund Israels, kritisierte aber auch eine zu extensive Siedlungspolitik. Einem Nazi-Täter mit lebenslanger Haft ermöglichte er, nach 24 Jahren einmal seine Familie zu besuchen, auch er verdiene es, als Mensch mit Würde behandelt zu werden. Mahrenholz machte sich seine Entscheidungen nie leicht, er orientierte sich zeit seines Lebens konsequent an den Wertungen des Grundgesetzes.  

Ich würde mir wünschen, dass sich viele junge Juristinnen und Juristen und viele Menschen, die sich in der Politik engagieren, Ernst Gottfried Mahrenholz zum Vorbild nehmen. Gäbe es mehr von seiner Sorte, wäre das gut für unser freiheitliches und solidarisches Miteinander, für die Sicherung unserer Grundrechte und für unseren demokratischen Staat.“

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