„Gut gemeint, aber schlecht gemacht“.

HU-Präsidentin verkündet Rücktritt von ihrem Amt zum Ende des Jahres.

Gestern hat sie noch die EU-Vizepräsidentin Margrethe Vestager in der Humboldt-Uni zu Berlin begrüßt. Heute hat sie ihren Rücktritt zum Jahresende angekündigt: HU-Präsidentin Prof. Dr. Sabine Kunst. Als Grund nannte sie die Novelle des Berliner Hochschulgesetzes. Die Berliner CDU gibt dem rot-rot-grünen Senat die Schuld daran: „Der Rücktritt von Sabine Kunst als Präsidentin der Humboldt-Universität ist ein Tiefschlag für die Wissenschaftsstadt Berlin. Er ist zugleich das Ergebnis der jüngsten wissenschaftspolitischen Fehlentscheidungen des rot-rot-grünen Senats. Dass die Präsidentin einer Exzellenzuniversität ihr Amt niederlegt, weil sie die jüngste Novelle des Hochschulgesetzes nicht mittragen kann, ist eine schallende Ohrfeige für SPD, Linke und Grüne.“

Kunst äußerte sich heute wie folgt:

Sehr geehrte Humboldtianerinnen, sehr geehrte Humboldtianer,

ich trete zum Ende des Jahres von meinem Amt als Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin zurück. Dieses habe ich gegenüber der Kuratoriumsvorsitzenden ordnungsgemäß erklärt.

Lassen Sie mich Ihnen im Folgenden meine Entscheidung erläutern:

Die Humboldt-Universität zu Berlin gehört verdientermaßen zu den deutschen Exzellenzuniversitäten. Die Mitglieder der Universität haben die dahinter stehende Leistungsfähigkeit mühsam errungen und 2019 im Exzellenzwettbewerb bestätigt bekommen. Dafür war und ist die Gewinnung der besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nötig. Genau wie die Berufung der Profiliertesten. 

Gleichzeitig sind in den vergangenen Jahren Unzufriedenheit und Kritik an den schwierigen und unsicheren Karrierewegen in der Wissenschaft gewachsen. Es gibt auch an der Humboldt-Universität eine breite Unterstützung für „Ich bin Hanna“ und eine hohe Unzufriedenheit mit den unwägbaren Zukunftsaussichten zum Beispiel in den Emmy-Noether-Arbeitsgruppen oder auch bei den ERC-Awards. 

Ich kann das gut verstehen und sehe die dringende Notwendigkeit von Veränderungen. 

Die Novelle des BerlHG führt zwingend zu einer Transformation der „Faculty“ und der Personalstrukturen der Universität. Mit den Änderungen in §110 wird sich die Zahl von unbefristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitern über die nächsten Jahre hinweg deutlich erhöhen. Darauf sind unsere aktuellen Strukturen aber nicht ausgerichtet. Die Lösung der damit verbundenen Zielkonflikte, wird eine Aufgabe der nächsten fünf bis zehn Jahre werden. Es gilt also, eine langfristige Strategie zu entwickeln, praktikable Modelle für Veränderungen auf den verschiedenen Ebenen der Universität, für die gegenwärtig aber keine Gegenfinanzierung in Sicht ist. Für diese Herausforderungen braucht es – so meine Überzeugung – einen neuen Blick auf das, was für die Universität nötig ist.

Persönlich halte ich die wissenschaftspolitischen Weichenstellungen des BerlHG für gut gemeint, aber schlecht gemacht. Die Änderungen in ihrer Gesamtheit gefährden die exzellente Weiterentwicklung der Humboldt-Universität und letztendlich den Wissenschaftsstandort Berlin. Auf der Grundlage meiner Erfahrungen und Überzeugungen kann ich diese politische Entscheidung nicht mit tragen und trete deshalb von meinem Amt zurück. Es ist an den Wissenschaftspolitiker:innen im Land aber auch im Bund, verantwortlich, die  Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Weiterentwicklung des Berliner und des deutschen Wissenschaftssystems zu gestalten und die Hochschulen mit den Herausforderungen der Neuausrichtungen nicht allein zu lassen.

Unsere letzten Verhandlungen mit der Politik haben für die Universität eine Budget-Aufstockung von 3,5 Prozent für die nächsten fünf Jahre gesichert. Ein gutes Ergebnis, was für die gegenwärtig vorhandenen Strukturen – nicht aber für eine tiefgreifende Transformation im Sinne des BerlHG – reichen könnte. Zusätzliche Ressourcen sind aber erst für die zweite Hälfte der 20iger Jahre vorstellbar, weshalb man mit einem qualitativ und quantitativ gesicherten Wandel der Universitätsstrukturen wahrscheinlich erst 2023 beginnen kann. Dann wird auch ein neuer Struktur- und Entwicklungsplan zu verabschieden sein und bei der Gelegenheit ließen sich neue Organisationsstrukturen beschließen, die eine neue Universität mit z.B. Departments zur Regel machen.

Die Humboldt-Universität zu Berlin ist jetzt gut aufgestellt. Umfangreiche Reformen sind abgeschlossen  oder in der Umsetzung. Es gibt mit den Kollegen Dr. Kronthaler, Prof. Dr. Pinkwart und Prof. Dr. Schneider ein neu und gut aufgestelltes Präsidium. Die Humboldt-Universität ist an den Aktivitäten der BUA gut und ausgewogen beteiligt. Das Projekt ist in den Fakultäten angekommen und wird dort von den Forschenden in zunehmendem Maße getrieben, vor allem im Kontext der Berliner Zukunftsthemen mit Social Cohesion and Global Health. Die Vorbereitungen für neue Zukunftstechnologien laufen an – zum Beispiel mit dem Quanten Computing Cluster, das berlinweit von Prof. Rauschenbeutel koordiniert wird. Die Oxford-Initiative hat unter der Leitung von Prof. Issever als Academic Director Fahrt aufgenommen. Die Hauptstadtuniversität HU ist in der Mitte unserer Stadt präsent – mit ihren Open Humboldt-Aktivitäten im Humboldt Forum, beim Wissenschaftscampus mit dem MFN, am Campus Nord mit der Charité zusammen, in den Projektentwicklungen für das Palais am Festungsgraben usw. Es gibt einen von der HU gestalteten Bahnhof der Wissenschaften, der Humboldt-Themen an jedermann vermittelt u.v.a. mehr.

Es ist also vieles erreicht und sicher wird es den Humboldtianer:innen gelingen, auch die neuen Herausforderungen zu meistern. Da bin ich mir ganz sicher. Jetzt gilt es, das neue Gesetz visionär umzusetzen. Dafür gibt es ganz sicherlich viele Möglichkeiten, die die Humboldt-Universität zu Berlin aus ihren Reihen entwickeln wird. Ein neuer anderer Blick durch eine neue Hochschulleitung wird das schaffen.

Ich danke für das in mich gesetzte Vertrauen und verbleibe mit den besten Wünschen.

Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. phil. Dr. h. c. Sabine Kunst
Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

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