Persönliche Erklärung Schäfer-Gümbels zu seinem Rücktritt.

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin.

„Alles hat seine Zeit“.

Persönliche Erklärung.

Ich will etwas verändern, besser machen, gestalten. Dieser Anspruch prägt mein gesamtes politisches Leben. Ich werde dieses Jahr 50 und muss entscheiden, an welcher Stelle ich meine Kraft und Energie in Zukunft zum größtmöglichen Nutzen einbringe.

Ich bin im Landtagswahlkampf 2018 mit meinem Hessenplan angetreten, um dieses Bundesland zum Besseren zu verändern. Ich war bereit dazu, wie nie zuvor. Viele meiner engsten Mitarbeiter, meine Frau, viele Wegbegleiter und auch so mancher Beobachter haben das gespürt. Aber ziemlich genau vor einem Jahr habe ich bereits eine klare Entscheidung getroffen: Für den Fall eines Scheiterns bei der Landtagswahl am 28. Oktober 2018 würde es meinerseits keinen weiteren Anlauf als Spitzenkandidat der SPD Hessen geben.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die hessische SPD einen guten Weg für unser Land vorgeschlagen hat. Bestimmt haben wir auch Fehler gemacht, in jedem Fall aber war der Sturm aus Berlin zu stark. Bereits am Tag nach der verlorenen Landtagswahl habe ich Andrea Nahles informiert, dass ich keinen vierten Anlauf unternehmen werde. Mit Blick auf die knappen und unklaren Verhältnisse im Landtag bei der Regierungsbildung am 18. Januar 2019 habe ich allerdings von unmittelbaren öffentlichen Erklärungen abgesehen. Aber meine Entscheidung stand zu diesem Zeitpunkt schon fest.

Mir ist persönlich immer klar gewesen, dass aus dem Wahlergebnis personelle, organisatorische und inhaltliche Konsequenzen gezogen werden müssen:

  • Inhaltliche Neuaufstellung, von der Partei des sozialen hin zur Partei des sozialökologischen Ausgleichs
  • Partei- und Organisationsreform
  • Personelle Neuaufstellung, eine Aufstellung ohne mich.

Ich erlaube mir einen kurzen Rückblick: Am 8. November 2008 hat die SPD Hessen mich in schwierigster Zeit zum Spitzenkandidaten vorgeschlagen. Alle erinnern sich an die Umstände. Das klare Ziel war der langfristige Neuaufbau der hessischen SPD.

Diesen Neuaufbau habe ich über Jahre und trotz der historischen Niederlage beharrlich betrieben. Als neuer Landes- und Fraktionsvorsitzender habe ich diese Aufgabe angenommen und anerkanntermaßen erfolgreich geschafft. Das Bild über uns und das Wahlergebnis 2013 haben das eindrucksvoll bestätigt. Zu Regierungsverantwortung und damit dem Mandat zur Veränderung, zum Gestalten hat das jedoch nicht geführt.

Auch die Landtagswahl am 28. Oktober 2018 hat nicht das von uns gewünschte Ergebnis gebracht. Über die Ursachen lässt sich viel sagen und spekulieren. Am Ende ist aber immer der Spitzenkandidat für das Ergebnis verantwortlich. Zumal ich alle Freiheiten hatte, den Wahlkampf zu führen und die Rückendeckung meiner Partei. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.

Ich bin seit 10 Jahren Oppositionsführer. Wir haben zum Beispiel während der Humanitätskrise uns auch in dieser Rolle Verdienste erworben. Aber es bleiben eben eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten. Erst recht, wenn man dreimal – ernsthaft wohl eher zweimal – angetreten ist, um Ministerpräsident von Hessen zu werden. Mein Wille zu gestalten ist davon ungebrochen.

Für mich ist eines immer klar gewesen: Eine neue Aufgabe muss zu mir und meinen Prinzipien passen. 

Heute darf ich mitteilen, dass am vergangenen Freitag der Ständige Ausschuss der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mich einmütig als neues Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor zum 1. Oktober 2019 nominiert hat. Die Entscheidung über die endgültige Berufung trifft der Aufsichtsrat am 9. April 2019.

Ich freue mich riesig auf die neue Aufgabe, sie ist auf eine bestimmte Weise auch eine „Rückkehr“ zu meinen beruflichen Erstwünschen. In vielen Portraits ist niedergelegt, dass ich bei Aufnahme meines Studiums der Agrarwissenschaften Entwicklungshelfer werden wollte. Dieser Wunsch wurde auch in meiner Verantwortung als entwicklungspolitischer Sprecher der SPD Landtagsfraktion zwischen 2003 und 2008 deutlich. Für mich schließt sich hier der Kreis.

Die Frage, wie man den Grundsatz „Global denken, lokal handeln“ beispielsweise bei der Bekämpfung von Fluchtursachen oder anderen Feldern der internationalen Zusammenarbeit mit Blick auf meine vielen Asienaktivitäten umsetzt, durchzieht mein politisches Denken und Wirken.

Entwicklungszusammenarbeit hilft Menschen, aus Armut, prekären Wohn- und Lebensverhältnissen und sozialer Marginalisierung herauszukommen und Strukturen für wirtschaftliche Entwicklung und Demokratisierung aufzubauen oder weiterzuentwickeln. Mit diesem Anliegen habe ich vor 21 Jahren  meinen beruflichen Weg begonnen – als Referent bei der Stadt Gießen.

Andererseits spielt Arbeit und die Bedeutung für jeden Einzelnen für mich immer eine große Rolle, auf unterschiedlichen Ebenen. Sie erinnern sich beispielsweise an meine unzähligen Praxistage vom Kindergarten bis zur Polizei, von der Zimmerei bis zum Chemieunternehmen.

Arbeit ist Teil der Identitätsbildung eines jeden einzelnen Menschen und deshalb ist die Gestaltung von nachhaltigen Beschäftigungsverhältnissen, der Abbau von Befristung, Frauenförderung oder Fort- und Weiterbildung eine so wichtige Aufgabe. Die Verantwortung als Arbeitsdirektor und für das Personalwesen ist eine der wirklich strategischen Herausforderungen für einen großen internationalen Arbeitgeber in der heutigen Zeit, in der sich Ansprüche an die Sinnhaftigkeit einer Aufgabe und an die Vereinbarkeit von Karriere und Familie im Begriff sind massiv zu wandeln.

Hier verbinden sich meine große Passion für die Entwicklung junger Talente und mein Interesse, in großen Zusammenhängen und Wirkungen agieren zu können. Die GIZ als DAS große staatliche Unternehmen der  Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland erscheint mir dafür eine äußerst reizvolle wie herausfordernde Plattform zu sein. Die kombinierte Herausforderung aus Internationaler Entwicklungszusammenarbeit und konkreter Gestaltung der Arbeitsverhältnisse, ist eine Aufgabe, die ich angehen möchte.

Davor stehen eine endgültige Entscheidung des Aufsichtsrates und Vertragsverhandlungen. Die Mitglieder des Ständigen Ausschusses unter Leitung von Staatssekretär Jäger sind in beiden Fragen zuversichtlich und ich bin es auch.

Eine neue Aufgabe zieht eine Reihe von Konsequenzen nach sich. Klar ist, dass ich mit dem Beginn der Aufgabe aus dem Hessischen Landtag ausscheide. Bis zu diesem Zeitpunkt werde ich als Fraktionsvorsitzender die Landtagsfraktion führen.

Ich werde auf dem Landesparteitag am 2. November nicht erneut als Landesvorsitzender der hessischen SPD kandidieren. Bis dahin werde ich als Landesvorsitzender die Landespartei führen und die notwendigen Entscheidungen zur personellen und organisatorischen Neuaufstellung vorantreiben.

Ich werde auch als stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD auf dem Bundesparteitag im Dezember nicht erneut antreten. Genauso werde ich als Vorsitzender des Kulturforums ausscheiden.

Für mich ist dies nur ein Abschied von Ämtern, nicht aber von Menschen, Ideen und dem Kampf für eine bessere Welt. Ich werde ganz sicher kein unpolitischer Mensch! Ich werde mich weiterhin mit meiner Kraft und mit vollem Herzen in und für die Sozialdemokratie engagieren.

Ich bin davon überzeugt, dass ich mit der neuen Aufgabe auch neue Kompetenzen und Erfahrungen gewinne. Wo mich das Leben und meine Arbeit hinführen, kann niemand vorhersehen, aber heute ist nicht der Tag des Abschieds.

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