Rede von Bundeskanzlerin Merkel in Kiel zum Tag der Deutschen Einheit.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
sehr geehrte Herren Präsidenten des Bundestags, des Bundesrats und des
Bundesverfassungsgerichts,
sehr geehrte Damen und Herren Ministerpräsidenten,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Kabinett und aus den Parlamenten,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Bürgerinnen und Bürger!

Thomas Mann, der aus Lübeck stammende Schriftsteller, bescheinigte den Deutschen im Mai 1945, wenige Wochen nach dem Ende des Zivilisationsbruchs der Shoa und des Zweiten Weltkriegs, in seiner berühmten Rede „Deutschland und die Deutschen“ ein „befremdetes Maß von Unfreiheit, Unmündigkeit [und] dumpfer Untertänigkeit“. Er erklärte dies damit, dass Deutschland „nie eine Revolution gehabt“ habe.

Leider, meine Damen und Herren, konnte Thomas Mann nicht erleben, dass gut 44 Jahre nach seinen deprimierenden Gedanken tatsächlich eine gelungene deutsche Revolution stattfinden sollte – eine friedliche deutsche Revolution noch dazu, eine Revolution im Geiste der Freiheit.

Drei Jahrzehnte nach dieser Revolution erinnern wir heute an den 3. Oktober des Jahres 1990. Dieser erste Tag der Deutschen Einheit unseres in Frieden und Freiheit wiedervereinten Landes markierte den Abschluss einer Entwicklung, die mit der Bürgerrechtsbewegung in Polen und anderen Staaten des ehemaligen Ostblocks ihren Anfang genommen und mit dem neuen Wind, der aus Moskau wehte, Fahrt aufgenommen hatte.

Die friedliche Revolution kam zustande, weil sich im Herbst 1989 Menschen in allen Regionen der DDR erhoben, ihre Angst überwanden und gleichsam die Spielregeln des Untertanen- und Unrechtsstaates außer Kraft setzten.

Genau deshalb möchte ich in dieser Stunde zunächst ganz besonders an die Opfer der SED-Diktatur denken, an die, die ihr Leben bei Fluchtversuchen verloren hatten, wie auch an die, die benachteiligt, verfolgt, inhaftiert worden waren. Sie sollten wir nie vergessen, auch an einem Tag der Freude wie heute nicht.

Im Herbst vor 30 Jahren nun versammelten sich Tausende Menschen zu Friedensgebeten in Kirchen und erhoben Forderungen nach Gewaltenteilung, Pressefreiheit und demokratischen Wahlen. Andere gaben ihre bisherige Existenz auf und riskierten die Flucht über Ungarn und die Tschechoslowakei. Hunderttausende wagten sich auf die Straße, demonstrierten friedlich für Freiheit und Demokratie – und brachten die Mauer zu Fall.

Die Revolution konnte erfolgreich sein, weil mutige Bürgerinnen und Bürger auch die SED-Strukturen vor Ort entmachteten; Bürgerinnen und Bürger, die die lokalen Repräsentanten der DDR in großen und kleinen Städten in einen Dialog zwangen, dem diese nichts entgegensetzen konnten. Der friedliche Umsturz in der DDR konnte gelingen, weil sich viele Frauen und Männer, Junge und Alte, Arbeiter und Intellektuelle die Mündigkeit, die Thomas Mann so vermisst hatte, nicht mehr länger vorenthalten lassen wollten.

Zugleich, meine Damen und Herren, markierte der 3. Oktober 1990 einen Beginn: den Beginn der großen Kraftanstrengung, die neu gegründeten Bundesländer in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht mit der bisherigen Bundesrepublik zu vereinen.

In den 29 Jahren, die seither vergangen sind, wurde unglaublich viel erreicht. In West und Ost sind die Menschen mit ihrem Leben insgesamt zufriedener als zu jedem anderen Zeitpunkt nach der Vereinigung.

Aber wir wissen auch, dass das nicht die ganze Wahrheit ist. Denn zur Bilanz nach 29 Jahren deutscher Wiedervereinigung gehört auch, dass sich die Mehrheit der Ostdeutschen in der Bundesrepublik als Bürger zweiter Klasse fühlt, wie repräsentative Umfragen zeigen. Danach halten weniger als 40 Prozent der Ostdeutschen die Wiedervereinigung für gelungen, bei Menschen unter 40 sind es sogar nur rund 20 Prozent. Weniger als die Hälfte ist mit der Demokratie in Deutschland zufrieden.

Das bedeutet: Neben dem, was gelungen ist, müssen wir alle – in Politik und Gesellschaft – lernen zu verstehen, dass und warum die deutsche Einheit für viele Menschen in den ostdeutschen Ländern nicht nur eine positive Erfahrung ist.

Wir alle – in Politik und Gesellschaft – müssen lernen zu verstehen, dass nicht schon allein mit einer verbesserten wirtschaftlichen Lage auch die Identifikation mit unserer Demokratie einhergeht.

Wir müssen lernen zu verstehen, was es für den einzelnen Menschen bedeutete, als auf die Last der Teilung die Wucht der Einigung folgte.

Schon einmal, meine Damen und Herren, haben wir hier in Kiel den Tag der Deutschen Einheit gefeiert, im Jahr 2006. Damals habe ich in meiner Rede davon erzählt, wie ich den Tag der Deutschen Einheit 1990 erlebt habe. Ich möchte darauf heute noch einmal kurz zurückkommen.

Das Wetter in Berlin an jenem Tag vor 29 Jahren war herrlich. Ich machte mich auf zur Feier in der Philharmonie. Alle waren in Festtagsstimmung. Auf einmal mischte sich bei mir Freude mit Sorge, mit so etwas wie Beklemmung. Denn gerade hatte ich entdeckt, dass man über Nacht die DDR-Volkspolizisten in Westberliner Uniformen gekleidet hatte. Die Gesichter aber verrieten noch genau, jedenfalls für mich, woher sie kamen. Alle NVA-Offiziere, alle Volkspolizisten über Nacht in anderen Kleidern – aber über Nacht auch in einem anderen Denken und Fühlen?

Für mich begann die deutsche Einheit also mit einem Kulturschock. An vieles, an fast alles hatten wir gedacht. Aber hatten wir auch ausreichend bedacht, dass der einzelne Mensch – und beileibe nicht nur Offiziere und Volkspolizisten, sondern wir alle, die wir in der DDR gelebt hatten – sein Denken, Fühlen und Erfahren nicht einfach an der Garderobe abgeben kann? Und dass er das vielleicht auch gar nicht will?

Für mich und viele andere waren der Fall der Berliner Mauer 1989 und die deutsche Einheit 1990 Momente des Glücks, der Zuversicht, der Offenheit im umfassenden Sinne.

Anderen machte die neue Offenheit auch Angst. Ich hatte den Eindruck, dass die DDR für sie so etwas wie ein Gerüst gewesen war, natürlich eng, aber eines, das doch irgendwie Halt zu geben schien. Der plötzliche Verlust dieses Gerüsts wurde als Einschnitt erlebt, der eher mit Skepsis verbunden war. Viele wurden arbeitslos und konnten sich dadurch mit ihren Fähigkeiten nicht so einbringen, wie sie es gerne wollten.

Für wieder andere, die sich vor allem auf das Wagnis der Offenheit freuten, war dies mit der Notwendigkeit verbunden, ihre Heimatregion verlassen und in die westdeutschen Länder gehen zu müssen. Es machten sich viele aus den alten Bundesländern auf, um uns in den neuen Ländern zu unterstützen   auch für sie ein durchaus mutiges Unterfangen.

Für die Mehrheit der Menschen in den alten Bundesländern aber waren all die Umwälzungen etwas, das sie   das lag ja in der Natur der Sache   eher aus der Rolle eines Zuschauers betrachteten und nicht als jemand, der von den Ereignissen in seinem Leben elementar betroffen werden konnte   auch wenn sie mit uns, wie in meiner Familie zum Beispiel, in all den Jahren der DDR Kontakt gehalten und uns konkret mit Paketen und Besuchen unterstützt hatten.

Wo nun stehen wir heute, bald 30 Jahre später? Die staatliche deutsche Einheit   sie ist vollendet. Die Einheit der Deutschen, ihr Einigsein – das war am 3. Oktober 1990 noch nicht vollendet, und das ist es bis heute nicht.

Die deutsche Einheit ist also kein Zustand, einmal vollendet und abgeschlossen, sondern ein fortwährender Prozess, ein ständiger Auftrag; ein Prozess, der alle Deutschen betrifft, egal in welchem Bundesland sie leben.

Bei der Einheit der Deutschen, dem Einigsein, geht es nicht darum, gleichsam Teile eines Objektes ein für alle Mal zusammenzufügen. Im Gegenteil. Wir sollten froh sein, dass das auch gar nicht funktioniert, weil es ja darum gehen muss, das Verbindende von 83 Millionen Subjekten, also individuellen Schicksalen, zu schaffen, zu erhalten und immer wieder stark zu machen.

Der heutige Feiertag der Deutschen Einheit lädt also einerseits dazu ein zurückzublicken   und neben dem Mut der DDR-Bürger auch die Staatskunst und die Weitsicht von Staatsmännern wie Willy Brandt, Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher voller Dankbarkeit zu würdigen.

Andererseits lädt der Tag heute dazu ein, uns darüber zu verständigen, wie wir mit unseren jeweiligen Erfahrungen gemeinsam unsere Zukunft gestalten wollen. Es geht um den Zusammenhalt aller in unserem Land lebenden Menschen.

Die friedliche Revolution in der DDR, meine Damen und Herren, fand statt, weil die Bürgerinnen und Bürger sich in ihrem Staat   wenn wir es ganz schlicht sagen   nicht zu Hause fühlten und dies 1989 nun endlich auch zum Ausdruck bringen konnten. Dieser Staat der Unfreiheit hatte seinen Bürgerinnen und Bürgern vier Jahrzehnte lang die Möglichkeit genommen, über wichtige Fragen ihres Lebens selbst entscheiden zu können und   ja, auch das   entscheiden zu müssen.

Damit hatte er seinen Bürgerinnen und Bürgern, auch mir, auch die Möglichkeit genommen, an die eigenen persönlichen Grenzen gehen zu können, also erfahren zu können, was die oder der Einzelne tatsächlich konnte, wie weit die eigenen Fähigkeiten reichten, wo es wirklich der Staat war, der unseren individuellen Stärken die Grenzen setzte, und wo es in Wahrheit eigenes Unvermögen war.

In gewisser Weise war es deshalb sogar manchmal bequem gewesen, auf den Staat verweisen zu können, wenn etwas misslungen war, statt über eigene Fehler nachzudenken. Der Staat als fast perfekte Entschuldigung für eigene Unzulänglichkeiten. So zu denken, war schon zu DDR-Zeiten eine Falle, in die man tappen konnte – auch ich habe mich dabei erwischt. Umso wichtiger ist es, präzise darüber nachzudenken, wie das Verhältnis von Bürger und Staat heute   das heißt, unter den Bedingungen von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit   aussieht. Denn ich beobachte, dass auch heute manche   und zwar in ganz Deutschland   die Ursache für Schwierigkeiten und Widrigkeiten vor allem und zuerst beim Staat und den sogenannten Eliten suchen.

In ihrer Betrachtung steht der Staat dabei mehr oder weniger synonym für eine abgehobene Obrigkeit, verbunden mit sogenannten Eliten in der Politik, den Medien, der Wirtschaft, der Wissenschaft, denen man sowieso nichts glauben könne und die dem Einzelnen irgendwie nur im Wege seien. Setzte sich ein solches Denken durch, führte das ins Elend. Denn unser freiheitlich-demokratisch verfasster Staat   das sind wir ja alle. Individuelle Freiheit ist niemals ohne individuelle Verantwortung zu haben. Freiheit ist immer Freiheit in Verantwortung.

Freiheit ist Verantwortung des Einzelnen für eigene Entscheidungen, Verantwortung für die kleinen und großen Weichenstellungen des Lebens, Verantwortung dafür, die eigenen Grenzen zu suchen und damit auch dann zurechtzukommen, wenn etwas nicht so wie erhofft gelingt, ohne die Enttäuschung sofort dafür woanders abzuladen   beim Staat, bei den sogenannten Eliten.

Für die Bürgerinnen und Bürger aus der DDR galt 1990: Wir wollten die Freiheit und bekamen damit auch die Verantwortung. Wir konnten 1990 allenfalls in Ansätzen ahnen, dass Verantwortung zu übernehmen in gewisser Weise die Mühe der Freiheit ist. Die Mühe der Freiheit ist gleichsam die Kehrseite der Mündigkeit, über die wir zu Beginn nachgedacht haben. Sie ist der Kern der Demokratie. Und das gilt für uns alle, die wir in diesem Land leben.

Natürlich ist vorneweg die Politik gefordert, Freiheit in Verantwortung für den Einzelnen lebbar zu machen. Dabei geht es um ganz konkrete, um praktische Politik im Alltag. 

Unser wiedervereintes Land ist heute in einer ganz anderen Situation als 1990. In vielen Feldern haben sich Ost und West angenähert. Ungleiche Lebensverhältnisse gibt es dennoch unverändert, besonders zwischen neuen und alten Ländern, aber auch zwischen Nord und Süd und innerhalb von Regionen, zwischen Stadt und Land.

Während immer mehr Menschen in die Großstädte ziehen, haben ländliche Gebiete mit Überalterung und demografischem Wandel zu kämpfen. Während in den Ballungsräumen Wohnraum knapp und teuer ist und der Verkehr zunimmt, verschwindet Leben aus abgelegeneren Städten und Dörfern. Läden stehen leer. Es gibt kein schnelles Internet. Es wird schwieriger, einen Facharzt zu finden. Die Menschen machen sich deswegen Sorgen; sie fühlen sich abgehängt.

Es ist Aufgabe der Politik, ihrer Vertreter und Repräsentanten, den Bürgerinnen und Bürgern freiheitliches Leben zu ermöglichen. Dazu werden regionale Vielfalt und bundesstaatliche Solidarität zusammengedacht: vom Küstenschutz über den Strukturwandel in den Steinkohle- und Braunkohleregionen bis zum Bund-Länder-Finanzausgleich.

Bundesstaatliche Solidarität heißt, für gleichwertige Lebensverhältnisse auf faire Teilhabemöglichkeiten und gute Entwicklungschancen vor Ort zu achten: bei Maßnahmen ausreichender Gesundheitsversorgung, bei Neuansiedlungen von Behörden, beim flächendeckenden Ausbau von Breitband.

Wenn es der Politik gelingt, unterschiedliche Lebensentwürfe zu ermöglichen, können sich die Menschen mit ihrer Heimatregion identifizieren, sich für sie verantwortlich fühlen und damit auch bereit sein, sich zu engagieren. Über Engagement entsteht Gemeinsinn. Wer sich selbst als wirksam erlebt im Kleinen, gewinnt Selbstvertrauen und zugleich Vertrauen in die Demokratie und ihre Handlungsfähigkeit.

Aber umgekehrt gilt eben auch, dass die Demokratie ohne das Engagement der Demokraten, ohne die Bereitschaft der oder des Einzelnen, Verantwortung zu übernehmen, zum Scheitern verurteilt wäre. Und niemals darf konkretes politisches Handeln   sei die Enttäuschung darüber auch noch so groß   als Legitimation dafür akzeptiert werden, andere wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung auszugrenzen, zu bedrohen oder anzugreifen.

Für eine lebendige Demokratie notwendig   und zwar im Wortsinne Not-wendig   ist Offenheit. Wenn wir jedoch die großen Fragen der Zeit am liebsten nur in einer Blase oder Echokammer diskutieren, in der wir uns ausschließlich selbst bestätigen, wenn außerdem sogenannte gefühlte Wahrheiten die Oberhand gegenüber den tatsächlichen Fakten bekommen, dann wird das zum Schaden für uns alle sein. Dann könnten wir keine tragfähigen Lösungen für die großen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte finden. In einer Welt, in der die Digitalisierung alle Lebensbereiche erfasst, in der Kriege und Terrorismus zu Flucht und Vertreibung führen und der Klimawandel die natürlichen Lebensgrundlagen bedroht. In einer Welt, in der kein Land allein die Herausforderungen der Zukunft bewältigen kann, in der wir mehr denn je multilateral statt unilateral denken und handeln müssen, global statt national, weltoffen statt isolationistisch, gemeinsam statt allein.

Über die großen Herausforderungen unserer Zeit muss offen, lebendig und kontrovers diskutiert werden. Freilich, bei dieser Diskussion müssen die Spielregeln eingehalten werden. Sie sind in unserem Grundgesetz festgeschrieben. Es ist seit 70 Jahren die Grundlage unseres Zusammenhalts, dessen Geltungsbereich die DDR am 3. Oktober 1990 beigetreten ist. Die Werte des Grundgesetzes müssen jede Debatte in unserem Land bestimmen.

Konkret heißt das: Ja zu freier Diskussion, ja zu harten Forderungen an die Politik und – im Geiste der Sozialen Marktwirtschaft – auch an Wirtschaft und Gewerkschaften. Nein zu Intoleranz, Nein zu Ausgrenzung, Nein zu Hass und Antisemitismus. Nein zum Leben auf Kosten der Schwachen und Minderheiten.

Als Bürgerinnen und Bürger in einer Demokratie haben wir alle eine Verpflichtung, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Weltoffenheit immer wieder aufs Neue zu behaupten und zu sichern. Zu unserer Verpflichtung gehört, dass niemand, der öffentlich Verantwortung übernimmt   auch nicht Politiker und Ehrenamtliche  , um Leib und Leben fürchten muss.

Wir müssen verstehen: Persönliche Freiheitsrechte, der Rechtsstaat und die Soziale Marktwirtschaft   sie sind in unserem Staat des Grundgesetzes untrennbar miteinander verbunden. Wer ein Element davon infrage stellt, stellt das Ganze infrage. Wer den Staat gegen die persönliche Freiheit in Stellung bringt, handelt den Grundprinzipien der Demokratie zuwider.

Wir können die Zukunft nur gut gestalten, wenn wir uns auch über unsere Ängste und Sorgen nur mit Respekt voreinander austauschen; wenn wir vor Augen haben, was jeder von uns mit seinen Erfahrungen beitragen kann; wenn wir um Lösungen konstruktiv ringen. Und das heißt, wenn wir bereit sind, uns auf Kompromisse einzulassen. Denn es ist falsch, im Kompromiss nur etwas Faules zu sehen, ihn gar als Verrat am eigentlich Richtigen zu schmähen. Im Kompromiss vergewissern wir uns, was wir gemeinsam haben und worauf wir aufbauen können. Ohne Kompromiss gibt es keine Gemeinsamkeit. Und genau darum geht es heute: um Gemeinsamkeit, um Einigkeit und Recht und Freiheit in unserem Land.

Wenn wir uns dessen bewusst sind, können wir beides zusammenbringen: die Revolution von 1989 als historischen Glücksmoment unserer Nation auf der einen Seite, die Anerkennung unterschiedlicher Lebenserfahrungen – auch mit all dem Verlust von Lebensgewissheiten in der Zeit danach – auf der anderen Seite. Beides muss Platz haben im Gedächtnis unserer Nation, wahrgenommen werden und Anerkennung finden.

Ich möchte zum Schluss noch einmal Thomas Mann zitieren. Er hat auch gesagt: „Phantasie haben heißt nicht, sich etwas auszudenken, es heißt, sich aus den Dingen etwas zu machen.“

Für mich bedeutet das: Nehmen wir einander wahr! Hören wir einander zu! Lernen wir aus unseren unterschiedlichen Erfahrungen! Bauen wir auf ihnen auf! Gestalten wir auf ihnen im besten Sinne phantasievoll unsere gemeinsame Zukunft!

Lassen Sie uns deshalb heute den Tag der Deutschen Einheit mit einem bunten Fest feiern! Erfreuen wir uns an der Vielfalt unseres Landes!

Herzlichen Dank!

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