Schinas: „Die Freizügigkeit innerhalb des Schengen-Raums ist Dreh- und Angelpunkt unserer europäischen Lebensweise“.

Europäische Kommission will Schengen-Raum besser für künftige Herausforderungen wappnen.

Schengen ist der weltweißt größte Raum, in dem freier Personenverkehr gewährleistet ist. In den letzten Jahren wurde Schengen immer wieder auf die Probe gestellt, während der Flüchtlingskrise, aufgrund terroristischer Bedrohungen und zuletzt durch die Corona-Pandemie. Heute hat die Kommission eine Strategie vorgelegt, um Lehren aus den jüngsten Krisen zu ziehen und künftig besser auf Herausforderungen reagieren zu können. „Als Lastwagen wegen der Kontrollen an den Binnengrenzen lange Wartezeiten hinnehmen mussten, Lieferketten unterbrochen wurden und systemrelevante Arbeitskräfte während der Pandemie ihren Arbeitsplatz nicht erreichen konnten, ist uns allen klargeworden, dass Schengen nicht selbstverständlich ist. Die heute vorgelegte Strategie konzentriert sich auf die Stärkung unserer Außengrenzen und die Verbesserung der Sicherheit und Governance in unserem gemeinsamen Schengen-Raum. Dadurch wird er gefestigt und wir können das Vertrauen in Schengen wiederherstellen“, so Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

„Für den Wiederaufbau unserer Volkswirtschaften nach der Coronakrise wird der freie Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr ebenfalls eine Schlüsselrolle spielen. Gemeinsam werden wir gestärkt aus der Krise hervorgehen“, sagte die Kommissionspräsidentin weiter.

Neben der heute vorgelegten Strategie für einen voll funktionsfähigen und widerstandsfähigen Schengen-Raum hat die Kommission heute zudem einen Vorschlag Diesen Link in einer anderen Sprache aufrufenEN••• zur Überarbeitung des Schengener Evaluierungs- und Überwachungsmechanismus vorgelegt, um das gegenseitige Vertrauen in die Anwendung der Schengen-Vorschriften zu erhöhen.

Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas erklärte: „Die Freizügigkeit innerhalb des Schengen-Raums ist Dreh- und Angelpunkt unserer europäischen Lebensweise. Schengen ist eine gut funktionierende Maschine, aber mit Schengen ist es wie mit jeder Maschine – damit man sie lange nutzen kann, muss sie auf den neuesten Stand gebracht werden. Heute geben wir einen neuen Weg vor, mit dem die Sicherheit und Mobilität der EU-Bürgerinnen und -Bürger gewährleistet und gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit des Schengen-Raums gegenüber Herausforderungen gestärkt wird. Natürlich ist Schengen erst dann komplett, wenn ihm alle unsere Mitgliedstaaten angehören. Ein Schengen-Raum, der mehr Mitgliedstaaten umfasst, wird stärker und sicherer sein.“

Margaritis Schinas

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson ergänzte: „Schengen ist Teil des Erbguts der EU. Mit zuerst fünf bis hin zu nunmehr 26 Ländern haben wir bereits eine lange Wegstrecke zurückgelegt. Neue Herausforderungen wie COVID-19, terroristische Bedrohungen und die Flüchtlingskrise im Jahr 2015 haben jedoch das Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten untergraben und eine unserer Grundfreiheiten beschnitten. Die heute vorgelegte Strategie versetzt uns in die Lage, nach außen hin stärker aufzutreten, um dadurch innerhalb von Schengen freier sein zu können. Modernste IT-Systeme werden das Management der Außengrenzen verbessern, während verstärkte polizeiliche Zusammenarbeit und gemeinsames Migrationsmanagement dazu beitragen werden, Schengen als Raum ohne Grenzkontrollen wiederherzustellen. Wenngleich wir bereits über solide Grundlagen verfügen, werden wir mithilfe der heute veröffentlichten Strategie künftige Herausforderungen besser antizipieren können. Wir werden uns in Zukunft ebenfalls besser auf Schwierigkeiten vorbereiten sowie auf diese reagieren können.“

Mit der Strategie werden die folgenden Ziele verfolgt:

  • Wirksames Management der Außengrenzen der EU gewährleisten : Ein Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen setzt ein solides Management der Außengrenzen voraus. Der derzeit laufende Aufbau der ständigen Reserve der Europäischen Grenz- und Küstenwache trägt zu einem tatsächlich gemeinsamen Management der Außengrenzen bei. Die bis 2023 angestrebte Interoperabilität der Informationssysteme für das Grenz- und Migrationsmanagement wird ein modernes und wirksames Grenzmanagement unterstützen. Dadurch erhalten die Grenzschutzbeamten diejenigen Informationen, die sie für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben benötigen. Die Kommission wird die Digitalisierung des Visumantragsverfahrens vorschlagen, wodurch sich für Reisende und Mitgliedstaaten Zeitaufwand und Kosten verringern. Es muss gewährleistet sein, dass für den Umgang mit irregulären Einreisen gemeinsame Vorschriften gelten, und zwar unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte. Aus diesem Grund fordert die Kommission das Europäische Parlament und den Rat auf, die im Rahmen des neuen Migrations- und Asylpakets vorgeschlagenen Vorschriften für das bei illegaler Überschreitung der Außengrenzen durchzuführende Screening vor der Einreise zügig anzunehmen.
  • Den Schengen-Raums nach innen stärken : Damit weiterhin auf Kontrollen an den Binnengrenzen verzichtet werden kann bzw. als Ausgleich für den Wegfall solcher, kommt der engen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei der Prävention und Bekämpfung von Sicherheitsbedrohungen besondere Bedeutung zu. Zu den neuen Initiativen zur Verbesserung des Informationsaustauschs und zur Unterstützung der Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung gehören ein EU-Kodex für die polizeiliche Zusammenarbeit, der aus dem derzeitigen Flickenteppich aus EU-Instrumenten und multilateralen Kooperationsabkommen ein modernes Regelwerk machen soll, die Überarbeitung des Prüm-Rahmens für den Austausch von Informationen über DNA, Fingerabdrücke und Fahrzeugregistrierung und die Ausweitung der Nutzung von vorab übermittelten Fluggastdaten auf Flüge innerhalb des Schengen-Raums. Die Kommission wird darüber hinaus Konsultationen einleiten, um zu prüfen, inwieweit Technologie als Alternative zu Grenzkontrollen eingesetzt werden kann. Die Neuerungen im Zusammenhang mit dem neuen Migrations- und Asylpaket werden ferner einen gemeinsamen Ansatz für das Migrationsmanagement, den Umgang mit irregulären Einreisen und die Bekämpfung unerlaubter Sekundärmigration ermöglichen – allesamt wichtige Elemente für das reibungslose Funktionieren des Schengen-Raums ohne Grenzkontrollen.
  • Das Krisenmanagement und die Governance verbessern : Die Kommission schlägt heute eine Überarbeitung Diesen Link in einer anderen Sprache aufrufenEN••• des Schengen-Evaluierungs- und Überwachungsmechanismus vor (siehe unten). Sie wird ferner regelmäßige Sitzungen des Schengen-Forums abhalten, um – auf der Grundlage jährlicher Berichte über den Sachstand im Zusammenhang mit Schengen – den politischen Dialog über die Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen zu fördern. Die für Ende dieses Jahres geplante Überarbeitung des Schengener Grenzkodexes wird die Resilienz von Schengen deutlich erhöhen. Für den Fall ernsthafter Bedrohungen sieht sie die Einführung von Notfallplänen vor, die auf den Lehren aus der Coronakrise aufbauen und sicherstellen sollen, dass Kontrollen an den Binnengrenzen tatsächlich lediglich als letztes Mittel wiedereingeführt werden. Die Kommission wird ferner einen Notfallplan vorlegen, der erforderlichenfalls die erneute Anwendung des erfolgreichen Systems der „Green Lanes“ vorsieht. Dadurch ist gewährleistet, dass der Güterverkehr auch bei künftigen Krisen ohne Störungen aufrechterhalten werden kann. Schließlich beabsichtigt die Kommission die Aufnahme eines Dialogs mit den Mitgliedstaaten zur Beendigung der teilweise dauerhaft wiedereingeführten Kontrollen an den Binnengrenzen und wird Maßnahmen ergreifen, falls sich diese Kontrollen als unverhältnismäßig erweisen sollten.
  • Mehr Länder in den Schengen-Raum aufnehmen : Der Rat sollte beschließen, die Binnengrenzkontrollen für Bulgarien, Rumänien und Kroatien aufzuheben und diese Länder in den Schengen-Raum aufzunehmen. Dies wird zu mehr Sicherheit in der gesamten EU beitragen und gleichzeitig die berechtigten Erwartungen dieser Länder sowie ihre rechtliche Verpflichtung zum Beitritt zum Schengen-Raum erfüllen. Das Gleiche gilt – nach Abschluss der vorgeschriebenen Bewertung – für Zypern.

Mehr Vertrauen durch einen überarbeiteten Evaluierungsmechanismus

Um das gegenseitige Vertrauen in die Anwendung der Schengen-Vorschriften zu erhöhen und zu gewährleisten, dass gegebenenfalls vorliegende Mängel identifiziert und rasch behoben werden, legt die Kommission heute einen Vorschlag zur Überarbeitung Diesen Link in einer anderen Sprache aufrufenEN••• des Schengener Evaluierungs- und Überwachungsmechanismus vor. Zu den dort vorgeschlagenen Änderungen gehört die schnellere Durchführung des Evaluierungsverfahrens, damit Mängel rechtzeitig erkannt und behoben werden können. Für Fälle, in denen erhebliche, den Schengen-Raum potenziell gefährdende Mängel vorliegen, ist ein beschleunigtes Verfahren vorgesehen. Der überarbeitete Mechanismus umfasst des Weiteren eine verstärkte Überwachung der Einhaltung der Grundrechte. Werden erhebliche Mängel nicht rechtzeitig behoben, wird die Kommission in Zukunft häufiger systematisch auf Vertragsverletzungsverfahren zurückgreifen.

Hintergrund

Vor 35 Jahren vereinbarten fünf Mitgliedstaaten untereinander, dass sie an ihren gemeinsamen Grenzen auf Kontrollen verzichten. Im Schengen-Raum – dem Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen – leben heute mehr als 420 Millionen Menschen aus 26 europäischen Staaten. Er erstreckt sich auf alle EU-Länder mit Ausnahme Bulgariens, Kroatiens, Rumäniens und Zyperns – die jedoch rechtlich zum Beitritt zum Schengen-Raum verpflichtet sind – sowie Irlands, das sich für Opt-out-Klauseln entschieden hat. Er umfasst auch vier Nicht-EU-Länder: Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. Der Schengen-Raum bildet das Fundament des nahtlosen Waren- und Dienstleistungsverkehrs im EU-Binnenmarkt und ermöglicht es den Menschen in Europa, in ihrem Privat- und Berufsleben in ganz Europa Reisefreiheit zu genießen.

Die Schengen-Vorschriften müssen aktualisiert und an die sich wandelnden Herausforderungen angepasst werden. In den letzten Jahren haben Sicherheitsbelange und Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Migrationsmanagement einige Mitgliedstaaten veranlasst, erneut Kontrollen an den Binnengrenzen einzuführen. In jüngster Zeit hat die Coronavirus-Pandemie den Schengen-Raum zusätzlich belastet, da weitere Mitgliedstaaten wieder Kontrollen an den Binnengrenzen durchgeführt haben. Dies hat dazu geführt, dass das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zeitweise gefährdet war und die Lieferketten innerhalb der EU gestört sowie die Freizügigkeit der Menschen – insbesondere derjenigen, die in Grenzregionen leben und arbeiten – beeinträchtigt wurden. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen und zur Schaffung eines widerstandsfähigeren Schengen-Raums hat Präsidentin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union im September letzten Jahres angekündigt, dass die Kommission eine neue Strategie zur Zukunft des Schengen-Raums vorlegen werde.

Die Grundlage für diese Strategie bilden umfassende Konsultationen mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments und den Innenministerinnen und -ministern, die im Rahmen des Schengen-Forums im November 2020 und Mai 2021 zusammengekommen sind.

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

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