Skandal, schmutziger Deal und Erpressung: Ferkeln sollen zwei Jahre länger ohne Betäubung die Eier abgeschnitten werden.

Am gestrigen Montagabend hat der Koalitionsausschuss von CDU/CSU und SPD beschlossen, die Übergangsfrist bis zum vollständigen Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration um zwei Jahre zu verlängern. Und die Union ist auch noch stolz darauf.

Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag bezeichnete den Koalitionsbeschluss auch noch als eine „gute Lösung für Sauenhalter in Deutschland“.

Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Gitta Connemann, und der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Ernährung und Landwirtschaft, Albert Stegemann, erklärten dazu heute auch noch mit voller Befriedigung:

Gitta Connemann: „Diese Einigung ist ein Befreiungsschlag. Ohne Übergangslösung stünden viele der kleinen und mittleren Betriebe vor dem Aus. Diesen Strukturbruch müssen wir verhindern – für die Höfe, die ländlichen Regionen, die Verbraucher und den Tierschutz. Denn ein Aus der Ferkelerzeugung in Deutschland wäre eine Steilvorlage für die Produktion in Ländern mit niedrigeren Standards. Den Preis würden Tiere und Verbraucher zahlen. Wir werden jetzt zeitnah mit der SPD eine Fraktionsinitiative auf den Weg bringen. Unser Ziel: noch in diesem Jahr wird die Übergangsfrist bis zum vollständigen Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration um zwei Jahre verlängert. Diese Übergangsfrist verschafft den Betrieben jetzt Luft zum Atmen. Klar ist aber auch: Alle Verantwortlichen müssen die nächsten beiden Jahre nutzen, um im Sinne des Tierwohls gute Lösungen zu finden.“

Albert Stegemann: „Der gestrige Beschluss des Koalitionsausschusses ist ein Erfolg für die Unionsfraktion und eine gute Nachricht für die deutschen Ferkelerzeuger. Ein Inkrafttreten des Verbots zum 1. Januar 2019 ohne praktikable und marktgängige Alternativen hätte zu einem Einbrechen der Sauenhaltung in Deutschland geführt. Das können wir jetzt abwenden. Nun sind alle Akteure in der Verantwortung mit Hochdruck an Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration zu arbeiten, die in der Praxis umsetzbar sind. Denn Verbraucher sollen auch künftig Schweinefleisch aus der Region kaufen können.“

Von weiteren befürwortenden Statements aus der Politik wird hier strikt abgesehen.

Gesetzgeber wird auf Kosten von Mensch und Tier erpresst.

Dr. Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, erklärte heute zu diesem Skandal gegenüber der TP Presseagentur Berlin:

„Seit 2013 ist der Termin für den Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration gesetzlich beschlossen. Statt die lange Vorbereitungszeit intensiv zu nutzen, wurde diese Herausforderung bis fünf vor Zwölf ignoriert. Auch bei dem Thema hat Julia Klöckner ein schwieriges Erbe übernommen. Aber bei allem Verständnis dafür, dass die nun eingetretene Situation in den schweinehaltenden Betrieben schwierig ist, kann und wird die LINKE nicht akzeptieren, dass nun der Gesetzgeber auf Kosten von Mensch und Tier erpresst wird. Denn es gibt mit der Ebermast und der Immunokastration zwei tiergerechte, rechtsichere und praktikable Lösungen, mit denen auf eine chirurgische Kastration der Ferkel sogar ganz verzichtet werden kann. Internationale Erfahrungen zeigen, dass diese sich sogar betriebswirtschaftlich rechnen. Dass beide Optionen entgegen wissenschaftlichen Empfehlungen von Schlachthofkonzernen und Lebensmittelketten blockiert werden, darf kein Grund dafür sein, aus dem beschlossenen Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration jetzt mindestens zeitweise auszusteigen.“

Tierschutz wird von SPD und Union verdealt.

Zur Einigung der Parteispitzen von Union und SPD, das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration zu verschieben, erklärte auch Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Mit der Fristverschiebung erweist die Bundesregierung der Landwirtschaft einen Bärendienst. Es ist unverantwortlich, dass in der fünfjährigen Übergangsfrist Däumchen gedreht wurde, und nun 20 Millionen Ferkeln pro Jahr weiterhin ohne Betäubung die Hoden entfernt werden. Die Kluft zwischen dem gesellschaftlichen Willen und der landwirtschaftlichen Realität wird immer größer. Die zuständige Fachministerin Klöckner gibt dabei ein sehr unglückliches Bild ab.

Ministerin Klöckner duckt sich weg und schiebt die Koalitionsfraktionen vor, statt sich selbst um die schwierige Frage der Ferkelkastration zu kümmern. Denn sie will im kommenden Jahr lächelnd ihr Fleischlabel als großen Wurf für den Tierschutz verkaufen. Leidende Ferkel, die bei vollem Bewusstsein operiert werden, passen nicht dazu. Es ist skandalös, dass Ministerin Klöckner nicht den Mumm hat, sich zu positionieren.

Es ist ein schmutziger Deal. Der minimalste Tierschutz, den Ferkeln eine Betäubung zu gewähren, wird für den CSU-Wahlkampf in Bayern geopfert. Doch für ein paar Wählerstimmen von verunsicherten Sauenhaltern spielt die CSU mit dem Vertrauen der Bevölkerung, die eine Landwirtschaft ohne Tierleid einfordert. Die aktuelle Bundesregierung zerstört die letzte Hoffnung, dass mit ihr eine Abkehr von der exportorientierten Turbo-Massentierhaltung zu machen ist. Statt Tierschutz, Gewässerschutz und guten Lebensmitteln ist Union und SPD die Billigproduktion für den Weltmarkt mit enormem Tierleid und Umweltverschmutzung wichtiger.“

Brandenburg hat die Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration abgelehnt.

Fotoquelle: By Scott Bauer, U.S. Department of Agriculture – www.public-domain-image.com, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=23726470

 

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