Statements zur Anhörung von Hartz-IV-Sanktionen beim Bundesverfassungsgericht.

Hartz-IV-Sanktionen endlich abschaffen!

Zur heutigen Anhörung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe mit den Hartz-IV-Sanktionen erklärt die Vorsitzende der Linksfraktion in Mecklenburg-Vorpommern, Simone Oldenburg:

„Wir erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht einem Urteil des Sozialgerichts Gotha folgt, wonach Kürzungen der Leistungen verfassungswidrig sind. Zu Recht stellten die Thüringer Richter fest, dass es bei der Sicherung des Existenzminimums keinen Spielraum für Streichungen gibt. Es ist ein Skandal, dass es fast 15 Jahre gedauert hat, die Strafabzüge zu überprüfen. So lange wurden die betroffenen Menschen noch stärker als ohnehin in die soziale Isolation, Krankheit und Schulden gestürzt.

Auch die Landesregierung trägt Mitverantwortung, denn sie hat sich über Jahre geweigert, ein Normenkontrollverfahren auf den Weg zu bringen. Deshalb tragen SPD und CDU Mitverantwortung für viel Leid, das hilfebedürftige Menschen auch bei uns im Land ertragen müssen. So wurden im August 2018 von 102 000 erwerbsfähigen Leistungsbeziehenden 3400 Menschen bestraft, weil sie beispielsweise einen Termin nicht eingehalten haben. Meine Fraktion hat die Landesregierung immer wieder aufgefordert, sich dafür einzusetzen, die Sanktionen abzuschaffen. Vor allem die extrem harte Strafe für junge Leute unter 25 Jahren, wonach diese bereits bei der ersten Pflichtverletzung komplett den Anspruch auf Unterstützung verlieren, ist unerträglich.

Die Sanktionspraxis insgesamt ist unangemessen und entspricht eher der Pädagogik des 19. als des 21. Jahrhunderts. Sie ist überflüssig, teuer und zerstörerisch. Die Arbeitskraft, Zeit und finanziellen Mittel, die diese Praxis auffrisst, wären zur Vermittlung der langzeitarbeitslosen Menschen wahrhaftig besser verwendet.“

Sanktionen im SGB II müssen deutlich entschärft werden.

Die Sanktionen des SGB II wurden von Anbeginn scharf kritisiert und ihre Verfassungsmäßigkeit mit guten Argumenten angezweifelt. Es ist gut, dass sich nun endlich das Bundesverfassungsgericht damit auseinandersetzt. Die Position von Rot-Rot-Grün in Berlin hierzu ist klar: Die Sanktionen im SGB II müssen deutlich entschärft werden, zum Beispiel gegenüber  Jugendlichen unter 25 Jahren oder Familien mit Kindern. Diese Haltung hat die Koalition in ihrem Antrag für eine Bundesratsinitiative zur Änderung der Sanktionsregelungen (Drs. 18/1407) auch zum Ausdruck gebracht.

Anlässlich der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht über die Vorlage des Sozialgerichts Gotha zur Verfassungsmäßigkeit der Hartz-IV-Sanktionen erklären die sozial- bzw. arbeitsmarktpolitischen Sprecher*innen der Fraktionen der rot-rot-grünen Koalition:

Ülker Radziwill und Lars Düsterhöft (SPD): „Sanktionen müssen im Verhältnis zu der nicht erbrachten Mitwirkung sowie den Folgen stehen. Ebenso muss der Gleichheitsgrundsatz zwischen älteren und jüngeren Arbeitssuchenden gewahrt bleiben. Ein Minimum, eine untere Grenze, darf nicht gekürzt werden. Sanktionen, die zum Beispiel die Wohnung oder das Existenzminimum von Kindern gefährden widersprechen diesem Grundsatz und sind ein unzulässiges Mittel staatlichen Handelns. Sie lösen keine Probleme, sie schaffen neue.“

Katina Schubert (Die Linke): „Die Sanktionen im SGB II sind verfassungswidrig und müssen eigentlich vollständig abgeschafft werden. Zumindest müssen sie aber deutlich entschärft werden. Ein Sozialstaat, der seinen Namen wert ist, garantiert Teilhabe und Existenzsicherung. Gängelei und Repression durch Sanktionen stehen dazu im Widerspruch.“

Stefan Ziller (Bündnis 90/Die Grünen): „Sanktionen führen häufig zu materiellen Notlagen bis hin zum drohenden Verlust der Wohnung. Dies ist völlig unverhältnismäßig. Sanktionen, die das Existenzminimum gefährden, sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und gehören abgeschafft.“

Prinzip des Förderns und Forderns hat sich bewährt.

Zur Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts über die Hartz-IV-Sanktionen erklärt der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag Pascal Kober:

„In der Debatte über die Hartz-IV-Sanktionen wird das Bild verzerrt. Lediglich drei Prozent der Leistungsbezieher werden überhaupt sanktioniert, beispielsweise weil sie Terminen unentschuldigt fernbleiben. Ehrlich betrachtet zeigt das: Die Mitarbeiter in den Jobcentern setzen Sanktionen sehr umsichtig und verantwortungsvoll ein. Die niedrige Zahl belegt auch, dass die Anforderungen und Pflichten zur Mitwirkung den Einzelnen nicht überfordern. Im Gegenteil, die geringe Sanktionsquote ist der Beleg, dass sich das Prinzip des Förderns und Forderns bewährt hat. Das Fordern selbst fördert die Menschen. Im Übrigen dürfen wir nicht vergessen, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist. Den Sanktionen für Meldeversäumnisse entspricht die sanktionsbewehrte Pflicht, Steuern und Abgaben zu entrichten.“

Minister Heil müsse einem Urteil des Verfassungsgerichtes zuvorkommen.

Zur heutigen Anhörung beim Bundesverfassungsgericht über die Sanktionen bei Hartz IV erklärt Sven Lehmann, Sprecher für Sozialpolitik on Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Die deutliche Kritik im Rahmen der heutigen Anhörung zeigt, dass die Sanktionen in ihrer jetzigen Form nicht mehr zu halten sind. Wenn Minister Heil schlau ist, kommt er einem Urteil des Verfassungsgerichtes zuvor und legt jetzt endlich einen Gesetzentwurf vor. Dieser muss zumindest die besonders harten Sanktionen für junge Arbeitssuchende entschärfen, Gelder für Heizung und Unterkunft von Sanktionen ausnehmen und dafür sorgen, dass niemand mehr von einer kompletten Streichung der Grundsicherung bedroht ist. Dass aktuell rund 40 Prozent der beklagten Sanktionen durch Urteile der Sozialgerichte wieder zurückgenommen werden müssen, zeigt, wie falsch auch rechtlich die jetzige Praxis ist. In der Situation in der sich viele Arbeitssuchende befinden, sind individuelle Unterstützung und Augenhöhe entscheidend, um Mitwirkung zu erreichen – nicht Androhung und Strafe.

Wir Grüne halten an unserer Forderung nach einer sanktionsfreien Garantiesicherung fest. Sanktionen können Stromsperren oder Wohnungslosigkeit auslösen und damit Menschen in existenzielle Notlagen drängen. Das ist mit dem Auftrag des Grundgesetzes, die Würde des Menschen zu wahren, nicht vereinbar.

Sanktionen belasten das Klima in den Jobcentern und rauben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wertvolle Zeit, die ihnen bei der wichtigen Vermittlungsarbeit fehlt. Außerdem sind Sanktionen kein Beitrag zur nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt.

Ein moderner Sozialstaat setzt auf Motivation und individuelle Förderung statt auf Sanktionen und Gängelung. Wir brauchen bessere Hinzuverdienstregeln, ein Recht auf individuelle Qualifizierung und Umschulungen und einen Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung.

Es ist bedauerlich, dass weder Bundesregierung noch Bundestag mehrheitlich diesen Weg gehen wollen. Wir hoffen daher, dass das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber auffordern wird, einen Umgang mit Erwerbslosen zu finden, bei dem die Würde der Betroffenen im Vordergrund steht. Kürzungen unter das Existenzminimum müssen endlich ein Ende finden.“

Zu Ihrer freien Verwendung finden Sie auch ein kurzes Audiostatement hier.

Sanktionsregime abschaffen.

„Es ist längt überfällig, dass die Sanktionen bei Hartz IV auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand gestellt werden. Die Sanktionen bedrohen jene existenziell, die schon ins Hartz-IV-System abgerutscht sind. Das ist nicht länger hinnehmbar. Denn: Grundrechte kürzt man nicht“, erklärt Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, zu der heute am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe stattfindenden mündlichen Verhandlung zu den Sanktionen im SGB II.

Ferschl weiter:

„Das ‚Fordern und Fördern‘-Sanktionsregime von Hartz IV diszipliniert alle Beschäftigten, verschärft Abstiegsängste und untergräbt Solidarität. Es ist offensichtlich: Gefördert wurden in den letzten 13 Jahren nicht die Beschäftigten oder ihr Erwerbspotenzial, sondern prekäre Arbeitsverhältnisse. Inzwischen hat fast jeder vierte abhängig Beschäftigte ein prekäres Arbeitsverhältnis – ist in einem Mini- oder Midijob, in Leiharbeit, unfreiwilliger Teilzeit oder Befristung gefangen. Das ist der Erfolg des Hartz-IV-Sanktionsregimes. Schluss damit! ‚Fördern und Fordern‘ ist das Symbol des Scheiterns am Arbeitsmarkt und es stinkt zum Himmel.

In einem ersten Schritt die Sanktionen abzuschaffen, würde zumindest verhindern, dass Jobcenter Menschen unter Androhung von Strafen in prekäre Jobs vermitteln dürfen. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht den Mut für eine notwendige und richtungsweisende Entscheidung findet. Statt Strafen brauchen wir eine Initiative für gute Arbeit und mehr soziale Sicherheit. Das verfassungsrechtlich verbriefte Versprechen des Sozialstaats muss wieder ernstgenommen und wirksam umgesetzt werden.

DIE LINKE setzt sich für die Einschränkung und langfristige Abschaffung von prekären Beschäftigungsverhältnissen ein. Wir fordern einen Mindestlohn von mindestens zwölf Euro und setzen uns für eine Stärkung der Sozialversicherungssysteme mit einer sanktionsfreien Mindestsicherung als wirksames unterstes Sicherungsnetz ein.“

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