80. Jahrestag des SS-Massakers an mehr als 1.300 Häftlingen des KZ-Außenlagers Lieberose – Gedenkveranstaltung in Jamlitz.

In der Gedenkstätte Lieberose in Jamlitz wurde heute mit Ansprachen und einer Kranzniederlegung der mehr als 1.300 meist jüdischen Opfer gedacht, die vor 80 Jahren im KZ-Außenlager Lieberose bei einem Massaker der SS erschossen worden sind. Rabbiner Andreas Nachama sprach jüdische Totengebete, bevor am Ort des Massakers Kränze niedergelegt werden.

Ministerpräsident Dietmar Woidke sagte: „Die unfassbaren Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wird man vielleicht nie begreifen. Doch es gibt Orte in Brandenburg, die diese Taten, diese Verbrechen und das Leid greifbarer machen. Orte, die erschüttern und beklemmen. Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten kümmert sich mit viel Empathie, Klarsicht und herausragender, historischer Expertise um diese Orte, die den politischen Terror des letzten Jahrhunderts verdeutlichen. Sie hält die Erinnerung wach und mahnt, dass die Vergangenheit sich so nicht wiederholen darf. Genau zu diesem Zweck haben das damals noch junge Land Brandenburg und die Bundesrepublik Deutschland vor 30 Jahren die Stiftung gegründet. Es war bei weitem keine leichte Aufgabe, der sich die Stiftung angenommen hat. Dennoch sind Sachsenhausen, Ravensbrück, Brandenburg an der Havel und der Belower Wald heute pluralistische, offene Gedenkorte und bedeutsame, zeithistorische Museen, zu denen jüngst Jamlitz sowie die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam hinzugekommen sind. Mein herzlichster Dank und meine größte Anerkennung gehen an Direktor Axel Drecoll und alle, die sich haupt- und ehrenamtlich in der Stiftung engagieren. Ich versichere, dass die Landesregierung auch weiterhin diese unersetzliche Arbeit unterstützen wird.“

Ran Ronen, Zentralrat der Juden in Deutschland, sagte: „Judenhass, oft getarnt als Israelfeindlichkeit, ist lebendiger denn je. Er wütet auf deutschen Straßen, an Hochschulen und sogar in den Parlamenten. Heute sind Staat und Gesellschaft aufgefordert, entschlossen gegen Antisemitismus von rechts und von links, gegen Rassismus, Ausgrenzung und Rechtsextremismus einzuschreiten.“

Der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Axel Drecoll, erklärte: „Gedenkveranstaltungen wie unsere heutige und kritische Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte sind eine politische, kulturelle, gesellschaftliche, aber auch individuelle Aufgabe für jeden einzelnen von uns. Die NS-Verbrechen begannen nicht an Orten wie Jamlitz, sie endeten dort. Sie begannen in Stadtzentren, Dorfgemeinschaften, auf Schulhöfen und an Universitäten, wo Menschen wegen ihrer Religion, Herkunft oder Hautfarbe beleidigt und ausgegrenzt wurden. Wenn wir von ‚Nie wieder ist jetzt‘ sprechen, was wir vollkommen zurecht gerade heute sehr häufig tun und tun müssen, sollten wir uns das immer bewusst machen: ‚Nie wieder‘ betrifft unser aller Alltag und hängt von jedem Einzelnen ab.“

Heike Zettwitz, Beigeordnete und Dezernentin für Verkehr, Bauen, Umwelt und Wirtschaft im Landkreis Dahme-Spreewald, sagte: „Es ist wichtig, solche Erinnerungen wachzuhalten, um der Opfer zu gedenken und um über alle Generationen hinweg vor den Gräueltaten des Krieges zu warnen.“

Der ehrenamtliche Bürgermeister von Jamlitz, Etienne Schölzke, ergänzte: „Politische Zeiten haben sich gewandelt und das Aufarbeiten hat begonnen. Begonnen ja, nur leider viele Jahre, wenn nicht gar ganze Generationen zu spät. Was jedoch keinesfalls die Menschheit zum Schluss kommen lassen darf, dass es keiner Aufarbeitung bedarf.“

Im Anschluss an die Gedenkveranstaltung fand im Jamlitzer Dorfgemeinschaftshaus eine Lesung von Biografien und Namen ermordeter Häftlinge statt. Die Potsdamer Theatergruppe „blickzurücknachvorn“ spielte ein Playback-Theaterstück, das sich mit der Geschichte des Ortes auseinandersetzte und dabei den Dialog mit dem Publikum suchte.

Unmittelbar nach der Räumung des KZ-Außenlagers Lieberose ermordete die Lager-SS in der Zeit vom 2. bis 4. Februar 1945 mehr als 1.300 marschunfähige Häftlinge. Die rund 8.000 Häftlinge des im November 1943 eingerichteten Außenlagers des KZ Sachsenhausen wurden unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen für den Bau des Truppenübungsplatzes „Kurmark“ der Waffen-SS eingesetzt. Bei den Häftlingen handelte es sich überwiegend um Juden aus den besetzten europäischen Ländern, vor allem aus Ungarn und Polen.

Seit 2003 erinnern zwei Freiluft-Ausstellungen am historischen Ort an die Geschichte des KZ-Außenlagers und des sowjetischen Speziallagers, für das die Besatzungsmacht von 1945 bis 1947 die Baracken nutze. 2018 wurde auf dem historischen Lagergelände ein Gedenkort für die Opfer des KZ-Außenlagers eingerichtet. Seit 2023 gehört die Gedenkstätte Lieberose in Jamlitz zur Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, die den weiteren Ausbau dieses wichtigen Erinnerungsortes plant.

Fotoquellen: © Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten

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